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Mietrecht

Urteile

Kündigung wegen Hinderung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung

Kauft ein Investor ein Grundstück in der Absicht, das bestehende Wohngebäude abzureißen, durch einen Neubau zu ersetzen und die neuen Wohnungen gewinnbringend zu verkaufen, rechtfertigt dies auch dann nicht ohne Weiteres die Kündigung der noch bestehenden Mietverhältnisse, wenn deren Fortbestand ihn zwingen würde, das Gesamtobjekt mit einer jährlichen Unterdeckung weiter zu bewirtschaften oder es zu einem niedrigeren Verkaufspreis wieder zu veräußern.

LG Berlin, Urteil vom 28.07.2015 – AZ 63 S 217/14 –

Ein mit einem 1953 bis 1955 errichteten Wohnhaus bebautes Grundstück wurde im Jahr 2010 verkauft. Im Februar 2012 kündigte die neue Eigentümerin einem seit 1990 in einer der Wohnungen lebenden Mieter mit der Begründung, die Fortsetzung des Mietverhältnisses würde sie an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks hindern. Das Haus und die Wohnungen würden einen erheblichen Sanierungsbedarf aufweisen und auch nach der erforderlichen Sanierung ließe sich das Objekt nur mit Verlust bewirtschaften oder mit einem unter den Erwerbskosten liegenden Verkaufspreis weiterveräußern. Dagegen könne die Eigentümerin mit dem geplanten Abriss des Hauses und einem Neubau einen erheblichen Gewinn erzielen. Das Amtsgericht Schöneberg verurteilte den Mieter zur Räumung der Wohnung. Seine Berufung vor dem Landgericht Berlin hatte jedoch Erfolg, das Landgericht wies die Räumungsklage der Vermieterin ab. Zwar liege es auf der Hand, dass sämtliche Alternativen zum geplanten Abriss und Neubau, die der Vermieterin zur Verfügung stünden, für sie wirtschaftlich nachteilig seien. Hierbei sei aber zu berücksichtigen, dass sie das Objekt in Kenntnis des bestehenden Mietvertrags erworben habe. Dem „ausschließlich oder vornehmlich spekulationsgeschäftlich begründeten Kündigungsinteresse“ der Vermieterin komme hier ein „geringeres Gewicht“ gegenüber dem Interesse des Mieters zu, in der bisherigen Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben. Eine Sanierung des vorhandenen Wohngebäudes sei nämlich nach den Feststellungen des vom Amtsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens zwar erforderlich, würde aber auch zu einer nachhaltigen Verbesserung der Bausubstanz und zu einer nicht unerheblichen Verlängerung der Nutzungsdauer um 15 Jahre führen. Die erheblich bessere Gewinnaussicht im Fall eines Abrisses und Neubaus könne für sich genommen keine Kündigung rechtfertigen; dies ergebe sich bereits aus § 573 Absatz 2 Nr. 3 Halbsatz 2 und 3 BGB, wonach eine Kündigung zum Zweck der anderweitigen (teureren) Vermietung oder Veräußerung ausgeschlossen ist. Auch die Behauptung der Eigentümerin, bei Fortsetzung des Mietverhältnisses das Mietobjekt entweder defizitär bewirtschaften oder mit Verlust veräußern zu müssen, ändere an dieser Beurteilung nichts. Dies wäre allein auf eine Fehlkalkulation der Eigentümerin zurückzuführen und könne nicht zulasten des Mieters gehen. Wenn die Eigentümerin den von ihr gezahlten Kaufpreis nicht wieder erzielen könnte, läge dies zudem daran, dass sie offenbar an die Verkäuferin (welche zudem zum gleichen Konzern wie sie selbst gehört) einen überhöhten Kaufpreis gezahlt habe.


Anmerkung:

Das Landgericht machte allerdings klar, dass eine andere Beurteilung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dann infrage käme, wenn für die weitere Bewirtschaftung eines Gebäudes eine Sanierung erforderlich sei, die mit schwer kalkulierbaren Risiken verbunden wäre und keine nachhaltige Verbesserung der Bausubstanz sicherstellen würde. Dies traf im vorliegenden Fall aber nicht zu.

 

Mitgeteilt von Rechtsanwältin Petra Hannemann