Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Mietrecht

Urteile

Kündigung wegen erheblicher Pflichtverletzung

a) Grundsätzlich ist es einem Mieter gestattet, sich in seiner Wohnung ausschließlich nackt aufzuhalten.
b) Daraus, dass ein Mieter einen angekündigten Handwerker nackt empfängt, lässt sich nicht ohne weiteres eine Pflichtverletzung herleiten; solange nicht klar ist, ob bzw. worin sich der sexuelle Bezug der Nacktheit gezeigt haben soll, fehlt der Pflichtverletzung jedenfalls das erforderliche Gewicht, um das Mietverhältnis ordentlich oder außerordentlich zu kündigen.

AG Mitte, Urteil vom 16.10.2024 – AZ 9 C 78/24 –

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Gerd-Peter Junge

Einem Mieter wurde von seinem Vermieter der Besuch eines Technikers zum Austausch eines defekten Rauchwarnmelders angekündigt. Kurz vor dem mit der beauftragten Firma vereinbarten Termin rief der Techniker den Mieter an und teilte mit, dass er sich etwas verspäten werde. Daraufhin äußerte der Mieter angeblich „Dann werde ich die Eier wohl nochmal warmhalten müssen“. Der Mieter soll den Monteur bei dessen Ankunft vollständig nackt empfangen haben. Noch bevor der Monteur den Rauchwarnmelder austauschte, sprach er diesen zudem auf dessen weiblich klingende Stimme an.

Kurz darauf erhielt der Mieter die Kündigung seines Vermieters mit der Aufforderung, die Wohnung geräumt herauszugeben. Er habe mit seinem Verhalten dem Monteur gegenüber einen groben Vertrags- und Rechtsverstoß begangen, welcher den Straftatbestand der versuchten sexuellen Nötigung erfülle. 

Das Amtsgericht Mitte wies die Räumungsklage des Vermieters allerdings ab. Der Vermieter habe eine die Beendigung des Mietverhältnisses rechtfertigende Pflichtverletzung des Mieters nicht konkret dargelegt. Die angebliche Bemerkung am Telefon „über die warmzuhaltenden Eier“ war nach Auffassung des Gerichts „einfach sinnfrei“ und wurde vom Mieter bestritten. Die Bemerkung über die hohe Stimme des Monteurs bei dessen Ankunft in der Wohnung sei zwar distanzlos und unangemessen, aber auch ihr lässt sich kein eindeutiger sexueller Bezug entnehmen. Immerhin sei es einem Mieter grundsätzlich gestattet, sich in der Wohnung ausschließlich nackt aufzuhalten. Offen ließ das Gericht, ob die Nacktheit gegenüber einem Monteur bereits allein, das heißt ohne die Absicht einer gezielten Einwirkung, überhaupt eine Pflichtverletzung darstellt, die möglicherweise einen Grund für eine Abmahnung darstellt. Denn jedenfalls habe der Vermieter nicht näher darlegen können, worin sich die Absicht einer gezielten Einwirkung bzw. der sexuelle Bezug der Nacktheit gezeigt habe. Damit habe eine eventuelle Pflichtverletzung des Mieters jedenfalls nicht das erforderliche Gewicht, um die Beendigung des ansonsten beanstandungsfreien Mietverhältnisses ohne Abmahnung sofort zu rechtfertigen.


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