Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Mietrecht

Urteile

Kündigung wegen Eigenbedarfs und Härteeinwand des Mieters

a) Der erforderliche hinreichend substantiierte Sachvortrag des Mieters zu einer gesundheitlichen Härte im Sinne von § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB kann insbesondere – muss aber nicht stets – durch Vorlage eines (ausführlichen) fachärztlichen Attests untermauert werden (…).
b) Vielmehr kann im Einzelfall auch eine (ausführliche) Stellungnahme eines – bezogen auf das geltend gemachte Beschwerdebild – medizinisch qualifizierten Behandlers geeignet sein, den Sachvortrag des Mieters zu untermauern, auch wenn diese nicht von einem Facharzt erstellt worden ist. Dabei kommt es auf die konkreten Umstände, insbesondere den konkreten Inhalt des (ausführlichen) Attests an.
(Leitsatz a) von der Redaktion MieterEcho gekürzt.)

BGH Urteil vom 16.04.2025 – AZ VIII ZR 270/22 –

Der Mieter einer Wohnung in Neukölln, welche dieser seit 2006 bewohnt, erhielt am 30. April 2020 die Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. Januar 2021 wegen Eigenbedarfs. Der Eigenbedarf der Vermieterin war zwischen ihr und dem Mieter nicht umstritten. Der Mieter widersprach der Kündigung jedoch gemäß § 574 BGB wegen des Vorliegens einer besonderen Härte. Er legte eine „Stellungnahme über Psychotherapie“ seines Therapeuten vom 20. November 2020 vor. Im Briefkopf dieses Therapeuten sind als seine Tätigkeitsfelder unter anderem „Psychoanalyse“ und „Psychotherapie (HPG)“ genannt. In der Stellungnahme wird mitgeteilt, dass seit Mitte Oktober 2020 regelmäßig einmal wöchentlich psychotherapeutische Sitzungen mit dem Mieter stattfinden und dass dieser an einer akuten Depression und emotionaler Instabilität, verbunden mit Existenzängsten leidet, die ihn zeitweise arbeitsunfähig machten. Ein Umzug würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitsbildes führen. Das Amtsgericht Neukölln verurteilte den Mieter zur Räumung der Wohnung.

Dieser legte Berufung gegen das Urteil ein und legte im Verfahren vor dem Landgericht eine weitere Stellungnahme seines Therapeuten vor. In dieser wurde unter anderem ausgeführt, dass für den Mieter Suizidgedanken der einzige Ausweg in den regelmäßigen Episoden seiner manischen Depression seien. Die Behandlung werde langwierig sein und der Verlust seines Lebensmittelpunkts könne mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verzweiflungstat des Mieters führen, die gegebenenfalls auch mit einem Suizid enden könne.Das Landgericht wies die Berufung des Mieters per Beschluss zurück. Der Vortrag zu einer angeblichen Härte sei nicht ausreichend gewesen, die ursprüngliche Stellungnahme des Psychoanalytikers sei kein fachärztliches Attest und unabhängig davon auch nicht aussagekräftig genug. Die weitere im Berufungsverfahren eingereichte Stellungnahme des Therapeuten sei als verspätet zurückzuweisen.

Der Mieter legte Revision ein. Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidung der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin auf. Es treffe bereits die Auffassung des Landgerichts nicht zu, dass der Mieter in solchen Fällen die von ihm behaupteten Härtegründe zwingend mit einem fachärztlichen Attest belegen müsse. Ein Mieter, der sich gegen eine Eigenbedarfskündigung darauf beruft, ihm sei ein Umzug wegen einer schweren Erkrankung nicht zuzumuten, müsse diese Behauptung darlegen und substantiieren. Insbesondere könne er dabei seinen Vortrag durch die Vorlage eines (ausführlichen) fachärztlichen Attests untermauern. Die hinreichende Substantiierung könne jedoch nicht generell von der Vorlage des Attests eines Facharztes abhängig gemacht werden. Vielmehr könne im Einzelfall auch eine (ausführliche) Stellungnahme eines einschlägig medizinisch qualifizierten „Behandlers“ geeignet sein, den Sachvortrag des Mieters zu untermauern. Es komme dabei auf die konkreten Umstände, insbesondere den konkreten Inhalt des Attests an. Das Landgericht habe hier aber keinerlei Feststellungen dahingehend getroffen, dass der Inhalt der Stellungnahmen des Therapeuten des Mieters medizinisch nicht qualifiziert sein könnte. Ebenso zu Unrecht habe das Berufungsgericht die ergänzende Stellungnahme des Therapeuten in der zweiten Instanz als verspätet zurückgewiesen und es deshalb unterlassen, beide Stellungnahmen insgesamt zu würdigen. Der Bundesgerichtshof verwies die Sache daher zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück.


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