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Mietrecht

Urteile

Gleichbehandlung bei der Vermietung von Genossenschaftswohnungen

Der genossenschaftliche Gleichbehandlungsgrundsatz kann als Ausdruck der Treuepflicht der Genossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern die Wohnungsgenossenschaft verpflichten, den Mietzins marktbedingt zu reduzieren, um die Wohnungsnutzer vergleichbarer Wohnungen gleich zu behandeln. Voraussetzung ist jedoch eine zeitliche Nähe.

LG Berlin, Urteil vom 23.03.1999 – AZ 63 S 231/98 –

Der Mieter ist Mitglied einer Wohnungsbaugenossenschaft und hatte von dieser eine Wohnung gemietet. Kurze Zeit später vermietete die Wohnungsbaugenossenschaft eine vergleichbare Wohnung im selben Haus zu einem deutlich geringeren Mietzins. Mit der Klage verlangt der Mieter die Herabsetzung des Mietzinses.

Das LG Berlin hat der Klage stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass die zwischen den Parteien vereinbarte Miethöhe gegen den genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen hat. Der Grundsatz der Gleichbehandlung gilt - abgesehen von im Genossenschaftsgesetz besonders geregelten Fällen der "absoluten Gleichbehandlung" - im Sinne einer relativen Gleichbehandlung. Dieser Grundsatz erfordert keine von der Lebenswirklichkeit losgelöste unbedingte Gleichstellung der Mitglieder, sondern nur Gleichbehandlung in gleich gelagerten Fällen, unter gleichen Voraussetzungen und Verhältnissen nach einheitlichen, sachlich begründeten Maßstäben. Der genossenschaftliche Gleichbehandlungsgrundsatz gilt auch für die Rechte und Pflichten bei der Inanspruchnahme genossenschaftlicher Einrichtungen. Dazu gehören auch die vertraglich vereinbarten Nutzungsentgelte für die Überlassung von Genossenschaftswohnungen.

Im vorliegenden Fall konnte das LG Berlin keine sachlichen Unterschiede erkennen, die eine Ungleichbehandlung bei der Vereinbarung des Nutzungsentgeltes gerechtfertigt hätten. Grundsätzlich sind die Wohnungsbaugenossenschaften gegenüber ihren Mitgliedern verpflichtet, den Geschäftsbereich kostendeckend und wirtschaftlich zu führen. Aus diesem Grunde sind sie grundsätzlich befugt, zur Vermeidung von Umsatzeinbußen durch Leerstand vergleichbare Wohnungen zu einem unterschiedlichen Nutzungsentgelt zu vermieten und so auf die veränderten Marktverhältnisse zu reagieren. Aus diesem Grunde hatte die gleiche Kammer des LG Berlin in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass kein Verstoß gegen das genossenschaftliche Gleichbehandlungsgebot vorliege, wenn zwischen den jeweiligen Neuvermietungen eine Spanne von neun Monaten liege. Im vorliegenden Fall wurde bereits nach drei Monaten eine in jeder Hinsicht vergleichbare Wohnung zu einem deutlich geringeren Nutzungsentgelt vermietet. Das LG Berlin war der Ansicht, dass sich in dieser kurzen Zeit keine derart erheblichen Veränderungen der Marktverhälntisse ergeben können. Der Mietzins des klagenden Mieters war daher entsprechend herabzusetzen.

Abgedruckt in MieterMagazin 1999, S. 209 ff. und Grundeigentum 1999, S. 575

Anmerkung:
Die vorstehenden Überlegungen des LG Berlin gelten nur für den Abschluss von Mietverträgen über Genossenschaftswohnungen und sind auf den Abschluss von Mietverträgen mit anderen Vermietern in keiner Weise übertragbar.

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 276