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Mietrecht

Urteile

Gefahr der Schimmelbildung durch Wärmebrücken in den Außenwänden

a) Wärmebrücken in den Außenwänden einer Mietwohnung und eine deshalb – bei unzureichender Lüftung und Heizung – bestehende Gefahr einer Schimmelpilzbildung sind, sofern die Vertragsparteien Vereinbarungen zur Beschaffenheit der Mietsache nicht getroffen haben, nicht als Sachmangel der Wohnung anzusehen, wenn dieser Zustand mit den zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Bauvorschriften und technischen Normen in Einklang steht (...).
b) Welche Beheizung und Lüftung ei- ner Wohnung dem Mieter zumutbar ist, kann nicht abstrakt-generell und unabhängig insbesondere von dem Alter und der Ausstattung des Gebäu- des sowie vom Nutzungsverhalten des Mieters, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden (...).

BGH Urteil – AZ VIII ZR 271/17 und VIII ZR 67/18 –

In beiden Verfahren bewohnen die Mieter Wohnungen des Vermieters, die in den Jahren 1968 und 1971 unter Beachtung der damals geltenden Bauvorschriften und technischen Normen errichtet wurden. Die Mieter machten unter Berufung auf Mängel der Wohnungen jeweils Gewährleistungsansprüche geltend und begehrten dabei unter anderem wegen der „Gefahr von Schimmelpilzbildung“ in den gemieteten Räumen die Feststellung einer näher bezifferten Minderung der von ihnen geschuldeten Monatsmiete (§ 536 BGB) sowie die Zahlung eines Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung.
Der Mieter der in dem 1971 errichteten Gebäude gelegenen Altbauwohnung klagte gegen seine Vermieterin wegen erheblicher Schimmelpilzbildung in seiner Wohnung auf Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 12.000 Euro für die Mängelbeseitigung einschließlich Anbringung einer Innendämmung sowie auf Feststellung seines Rechts zur Minderung und zur Zurückbehaltung eines Teils der Miete. Das Landgericht Lübeck verurteilte die Vermieterin zur Zahlung des begehrten Vorschusses und gestand dem Mieter eine Mietminderung um 20% zu. Ein gerichtlich bestellter Gutachter hatte festgestellt, dass es im Bereich eines Zimmers zu einer „primären Bauteildurchfeuchtung“ gekommen war und dort wie auch in anderen Räumen die Fensterblendrahmen schadhaft geworden waren. Dies sprach nach Auffassung des Gutachters für eine fehlende Schlagregendichtigkeit, welche auch Ursache für Feuchtigkeitserscheinungen in den Fensterbereichen sei. Zudem stellte er „geometrische Wärmebrücken“ fest, mit welchen die Gefahr von Schimmelbildung verbunden sei, sowie tatsächlich in mehreren Zimmern Schimmelbefall. Das Landgericht vertrat dazu die Auffassung, dass es nicht darauf ankomme, dass die Wohnung den zur Zeit ihrer Errichtung geltenden Bauvorschriften entsprochen habe und die damaligen Regeln der Baukunst eingehalten worden seien. Auch Mieter einer Altbauwohnung könnten nämlich erwarten und verlangen, dass die Wohnung im Hinblick auf mögliche Schimmelbildung „über einen Mindeststandard zeitgemäßen Wohnens verfüge“ und mit üblichem Lüftungs- und Heizverhalten des Mieters schimmelfrei gehalten werden könne. Außerdem liege ein Mangel bereits dann vor, wenn wegen der vorhandenen geometrischen Wärmebrücken die Wohnung nicht mit „alltagsüblichem Lüftungs- und Heizverhalten“ des Mieters schimmelfrei gehalten werden könne.Der Bundesgerichtshof (VIII ZR 271/17) teilte die Beurteilung des Landgerichts nur hinsichtlich des schadhaften Mauerwerks („Primäre Bauteildurchfeuchtung“) und der schadhaften Fensterblendrahmen. Anders beurteilte er dagegen die in den Außen- wänden vorhandenen Wärmebrücken und die damit einhergehende „Gefahr von Schimmelpilzbildung“. Ein Mangel der Mietsache bestehe nur, wenn eine „für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand“ vorläge. Hätten die Mietparteien, wie hier, im Vertrag keine besonderen Vereinbarungen zum Zustand getroffen, könne der Mieter dagegen nur den Wohnstandard erwarten, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Dabei seien unter anderem
Alter, Ausstattung und Art des Gebäudes zu berücksichtigen. Gäbe es „zu bestimmten Anforderungen technische Normen, (sei) jedenfalls deren Einhaltung geschuldet“. Anzulegen sei der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab. Da in diesem Fall die vorhandenen Wärmebrücken „im Einklang mit den im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes maßgeblichen Normen“ stünden, weil damals noch keine Verpflichtung zur Ausstattung mit einer Wärmedämmung bestand, sei „das Vorhandensein geometrischer Wärmebrücken allgemein üblicher Bauzustand“. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Mindestanforderungen an zeitgemäßes Wohnen bezüglich der Elektroinstallationen in Altbauten könne nicht auf die Beschaffenheit von Altbauten hinsichtlich der Wärmedämmung übertragen werden. Auch der Auffassung des Landgerichts, dem Mieter müsse es mit einer Beheizung des Schlafzimmers auf 16° Celsius und der übrigen Zimmer auf 20° Celsius bei zweimaligem Stoßlüften am Tag möglich sein, die Wohnung schimmelfrei zu halten, folgte der Bundesgerichtshof nicht. Dass je nach Wohnung und Wohn- verhalten der Wohnungsnutzer auch ein häufigeres Lüften nötig sein könne, um Schimmelbildung zu verhindern, mache dieses für den Mieter nicht unzumutbar. Insbesondere sei es allgemein üblich, „nach Vorgängen, die mit einer besonders starken Feuchtigkeitsentwicklung verbunden sind, wie etwa Kochen, Duschen und Waschen, den davon betroffenen Raum sogleich zu lüften, um die vermehrte Feuchtigkeit durch Luftaustausch alsbald aus der Wohnung zu entfernen“.


Anmerkung: Mit der gleichen Argumentation hat der BGH am 5. 12. 2018 - AZ: VIII ZR 67/18 - ein weiteres Urteil des LG Lübeck aufgehoben.