Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Mietrecht

Urteile

Eigenbedarfskündigung und Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Nutzungswillens

Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines vom Vermieter behaupteten Eigennutzungswunsches.

AG Kreuzberg, Urteil vom 14.05.2024 – AZ 13 C 90/23 –

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Hagen Richter

Der Erwerber einer im zweiten Obergeschoss gelegenen Zweizimmerwohnung in Friedrichshain kündigte seinem dort seit 1999 wohnenden, chronisch kranken Mieter mit Schreiben vom 27. Februar 2023 wegen Eigenbedarfs und verklagte ihn auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Er behauptete, er benötige die Wohnung für seine bisher in Bulgarien wohnenden Schwiegereltern. Diese wollten in die Nähe ihrer Tochter und des Schwiegersohns in Berlin ziehen, was einerseits den Kontakt mit diesen und ihren Enkeln verbessern würde, andererseits auch Hilfe bei der Pflege durch den Vermieter und seine Frau ermöglichen würde. Die Wohnung des Mieters solle hierfür aufwendig für ca. 40.000 Euro saniert werden, wofür ein weiterer Kredit aufgenommen werden müsse. Aufgrund der niedrigen Miete der Wohnung würde diese noch nicht einmal die monatlichen Zinsen des notwendigen Bankdarlehens decken. Die zusätzliche Anmietung einer anderen Wohnung für die Schwiegereltern wäre daher finanziell nicht möglich. Die Schwiegereltern sollten dann für die Wohnung auch Miete zahlen. Der Mieter bestritt, dass die Schwiegereltern die von ihm bewohnte Wohnung tatsächlich beziehen wollen.
Das Amtsgericht Kreuzberg vernahm daher die Ehefrau des Vermieters sowie seine Schwiegereltern als Zeugen. Die zuerst befragte Ehefrau bestätigte zwar in groben Zügen die Darstellung ihres Ehemanns, konnte jedoch noch nicht einmal sagen, wie hoch die Rente ihrer Eltern ist, ebenfalls nicht, wie hoch die künftige Miete für die gekündigte Wohnung sein sollte und ob sie überhaupt Miete zahlen würden. Bezüglich der bisherigen Wohnung ihrer Eltern in Sofia ging sie davon aus, dass diese wahrscheinlich verkauft werden soll. Auf entsprechende Nachfragen der Richterin und des Rechtsanwalts des Mieters gab sie schließlich an, dass sie und ihr Ehemann noch zwei weitere Eigentumswohnungen in Friedrichshain besitzen, davon eine relativ große, die im Gegensatz zur gekündigten Wohnung zudem über einen Fahrstuhl verfügt. Ihre Eltern hätten zwar diverse Krankheiten, die Treppen bis zum zweiten Obergeschoss der gekündigten Wohnung würden aber kein Problem darstellen. Anders als der Vermieter und seine Frau teilte die anschließend vernommene Schwiegermutter des Vermieters mit, dass es noch keine Umbaupläne gäbe und sie zu diesem Thema erst etwas sagen könne, wenn sie die streitgegenständliche Wohnung gesehen habe. Auch planten sie nicht, die Wohnung in Sofia aufzugeben, sondern würden diese wahrscheinlich vermieten. Der Schwiegervater äußerte in seiner anschließenden Vernehmung ebenfalls, dass man sich die Wohnung erst einmal ansehen müsse, um entscheiden zu können, ob da noch etwas geändert werden müsse. Seine gesundheitlichen Probleme, auch beim Gehen und Treppensteigen, spielte er herunter.
Die Beweiswürdigung des Gerichts führte zur Klageabweisung. Die Richterin war von der Ernsthaftigkeit des behaupteten Nutzungswillens nicht überzeugt. Dies begründete sie bereits mit dem Aussageverhalten. Alle drei Zeugen antworteten auf die Fragen des Gerichts und des Rechtsanwalts des Mieters äußerst einsilbig und knapp, zum Teil auch ausweichend und wenig zusammenhängend sowie immer nur auf Nachfrage. Außerdem hielt es das Gericht für widersprüchlich, dass der Kläger und seine Familie einerseits die finanzielle Last durch die vermietete Wohnung beklagten, andererseits hohe Investitionen planen, die wiederum durch ein weiteres Darlehen finanziert werden sollen, aber gleichzeitig noch gar keine gemeinsamen Pläne wegen des damit zu finanzierenden Umbaus bestehen. Ebenso wenig seien die Vorstellungen bezüglich der Wohnung in Bulgarien ausgereift. Zu diesen Punkten hatten die Zeugen und der Vermieter zudem unterschiedliche Angaben gemacht. Hinzu kam der schlechte Gesundheitszustand des Schwiegervaters, von dem sich das Gericht selbst überzeugen konnte – er brauchte erhebliche Zeit, um zu dem im zweiten Obergeschoss gelegenen Gerichtssaal zu gelangen, da der Aufzug am Tag der Beweisaufnahme ausgefallen war. Auch die Tatsache, dass die Existenz von zwei weiteren Eigentumswohnungen (davon eine mit Aufzug) erst nach etlichen Nachfragen offenbart wurde, nährten beim Gericht Zweifel an den Darstellungen des Vermieters, insbesondere auch daran, dass er die Wohnung des Mieters tatsächlich für seine Schwiegereltern benötigt.


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