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Mietrecht

Urteile

Eigenbedarf und Kündigungsschutz-Klausel

Die Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin, wonach in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Pankow im Anschluss an den Verkauf von umgewandelten Eigentumswohnungen eine auf sieben Jahre verlängerte Kündigungssperre gilt, ist nicht verfassungswidrig.

LG Berlin, Urteil vom 15.05.2009 – AZ 63 S 410/08 –

Der Vermieter hatte die Eigentumswohnung, in der die Mieter wohnten, im Jahr 2004 gekauft. Mit Schreiben vom 22. August 2007 kündigte er die Wohnung unter Berufung auf Eigenbedarf und behauptete, seine Eltern sollten in die Wohnung einziehen. Die Mieter bestritten den behaupteten Eigenbedarf und beriefen sich im Übrigen auf die Kündigungsschutzklausel-Verordnung, die für den Bezirk Pankow eine Kündigungssperrfrist von sieben Jahren ausweist, weil im Bezirk Pankow eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Preisen besonders gefährdet ist.

Das Amtsgericht hat die Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung abgewiesen. Die Berufung des Vermieters wurde vom Landgericht Berlin zurückgewiesen. In dem Urteil wurde festgestellt, dass die Kündigung bereits wegen der Kündigungssperrfrist des § 577 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin unwirksam sei. Nach dem Inhalt dieser Verordnung gilt unter anderem im Bezirk Pankow für bestehende Mietverhältnisse eine Sperrfrist von sieben Jahren nach der erstmaligen Veräußerung im Anschluss an die Umwandlung in Wohnungseigentum. Eine Kündigung sei nach der Verordnung erst 2011 möglich. Aus diesem Grund kam es auf den von den Mietern bestrittenen Eigenbedarf nicht an.

Anschließend setzte sich das Landgericht Berlin mit der Wirksamkeit der Kündigungsschutzklausel-Verordnung auseinander. Der Vermieter hatte unter anderem die Auffassung vertreten, diese Verordnung sei verfassungswidrig und unverhältnismäßig, da es ausreichend freien Wohnraum gebe und der Senat mit der Verordnung lediglich politische Motive verfolge.

Das Landgericht gelangte zu dem Schluss, dass die Verordnung nicht verfassungswidrig und insbesondere nicht unverhältnismäßig sei. Die Voraussetzung für den Erlass einer Verordnung durch den Landesgesetzgeber sei gemäß § 577 a Abs. 2 BGB die Gefährdung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde. Von einer solchen Gefährdung sei auszugehen, wenn das Wohnungsangebot geringer ist als die Nachfrage.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen gefährdet ist, steht den Landesregierungen ein Ermessensspielraum zu, der von den Gerichten im Räumungsrechtsstreit nicht zu überprüfen ist. Die Zivilgerichte haben die Verfassungsmäßigkeit der erlassenen Rechtsverordnung inzident zu überprüfen, bei der Kündigungsschutzklausel-Verordnung insbesondere darauf hin, ob die Kündigungssperre geeignet und erforderlich ist, um einer Mangellage entgegenzuwirken, und ob diese Maßnahme bei Abwägung des Wohls der Allgemeinheit und der Interessen der Eigentümer unverhältnismäßig ist.

Nach Ansicht des Gerichts bestand kein Anlass zum Zweifel darüber, dass die Mangellage im Bezirk Pankow tatsächlich bestand oder noch besteht. Der Vermieter konnte sich auch nicht erfolgreich auf ein Urteil des Amtsgerichts Mannheim berufen, in dem die Verfassungswidrigkeit der Kündigungsschutzklausel-Verordnung festgestellt wurde. Das Landgericht wies insbesondere darauf hin, dass im Gegensatz zu der angeführten Verordnung die Berliner Landesregierung nach der unterschiedlichen Versorgungslage mit Wohnraum in den jeweiligen Bezirken unterschieden hat und lediglich in vier ausgewählten Bezirken die Kündigungssperre verordnet hat. Im Übrigen habe die Berliner Landesregierung im Rahmen ihrer Ermessensausübung die gesetzlich zulässige Höchstfrist von zehn Jahren nicht ausgeschöpft, sondern die Kündigungssperre auf sieben Jahre beschränkt. Auch der Hinweis des Vermieters auf politische Motive des Verordnungsgebers ließ nach Auffassung des Gerichts keine Rückschlüsse auf die materielle Wirksamkeit der Verordnung zu. Solange der Verordnungsgeber, der Ermächtigungsgrundlage des § 577 a Abs. 2 BGB folgend, einer Mangellage entgegenwirken soll, schade das Vorhandensein weiterer Motive nicht. Nach Ansicht des Landgerichts Berlin ist es unschädlich, wenn der Verordnungsgeber zusätzliche wohnungspolitische oder städtebauliche Ziele verfolgt.

Der Vermieter hatte vorgetragen, im Bezirk Pankow stünden rund 1100 Wohnungen leer. Das Landgericht gelangte zu dem Ergebnis, dass dieser Gesamtbestand zum einen nichts über die Nachfrage und zum anderen nichts über die Verfügbarkeit der leer stehenden Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt aussage. Insbesondere sei es durchaus möglich, dass es Leerstand aus spekulativen Gründen oder zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen gebe. Darüber hinaus waren in dem vom Kläger behaupteten Bestand an Mietangeboten auch Zimmer in Wohngemeinschaften und Ähnliches enthalten, die bei der Ermittlung von Wohnungsangeboten nicht zu berücksichtigen sind.

Vorsorglich wies das Landgericht darauf hin, dass es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigungsschutzklausel-Verordnung im Bezirk Pankow ausschließlich auf die Wohnungssituation in Pankow ankomme. Sollte die Anwendung der Kündigungsschutzklausel-Verordnung für andere Bezirke unverhältnismäßig sein, habe dies lediglich eine Teilunwirksamkeit zur Folge. Im Bezirk Pankow - hier für den begehrten Wohnbezirk Prenzlauer Berg - sei das Vorliegen einer Mangellage jedoch gerichtsbekannt, von einem Wegfall der Mangellage könne demnach nicht ausgegangen werden.

Mitgeteilt von Rechtsanwältin Carola Handwerg

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 336


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