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Mietrecht

Urteile

Balkonnutzung nach Modernisierung I

Schließen Mieter und Vermieter nach Ankündigung mehrerer Modernisierungsmaßnahmen einen Vergleich, wonach die Mieter die Modernisierungsmaßnahmen, unter anderem den Anbau eines Balkons, dulden, und einigen sie sich gleichzeitig über den Gesamtbetrag der künftigen Mieterhöhung nach Modernisierung, in welchem die voraussichtlichen Erhöhungen laut Modernisierungsankündigung – mit Ausnahme der Kostenumlage für den Balkon – enthalten sind, so sind die Mieter nach Abschluss der Maßnahme zur Nutzung des Balkons berechtigt, wenn diese nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde.

LG Berlin, Beschluss vom 27.01.2020 – AZ 66 S 256/19 –

Im Jahr 2015 kündigte eine Vermieterin ihren Mietern umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen an. Neben einer Fassadendämmung, einem Dachgeschoss-
ausbau und dem Anbau eines Aufzugs sollte auch ein Balkon angebaut werden. In der Modernisierungsankündigung war jeweils die voraussichtliche Mieterhöhung nach Modernisierung für jede der Maßnahmen angegeben. Da die Mieter die Ankündigung in weiten Teilen für unwirksam hielten, duldeten sie die Maßnahmen zunächst nicht. Im anschließenden Duldungsprozess vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg einigten sie sich jedoch mit der Vermieterin dahingehend, dass sie die Maßnahmen dulden, allerdings nach Modernisierung nur eine deutlich niedrigere als die in der Ankündigung angegebene Mieterhöhung zahlen sollten. So wurden unter anderem die angekündigten künftigen Kosten für den Balkon aus dem Gesamtbetrag herausgerechnet. Nach Abschluss der Baumaßnahme nutzten die Mieter auch den neuen Balkon. Daraufhin erhob die Vermieterin erneut Klage und begehrte von den Mietern die Duldung des Anbaus eines Absperrgitters vor der Balkontür, um so die weitere Nutzung des Balkons zu unterbinden. Außerdem beantragte sie die Verurteilung der Mieter zur Unterlassung der weiteren Nutzung des Balkons. Sie vertrat die Auffassung, es ergäbe sich bereits aus der vereinbarten reduzierten Umlage der Modernisierungskosten, in denen die Kosten des Balkonanbaus nicht enthalten waren, dass eine Nutzung des Balkons nicht vereinbart worden sei. Dieser sei nicht Bestandteil der Mietsache geworden und die Mieter dürften ihn daher auch nicht gegen den Willen der Vermieterin nutzen. Dieser Auffassung folgte das Amtsgericht nicht und wies die Klage der Vermieterin ab. Das Landgericht Berlin hat sich der Auffassung des Amtsgerichts in seinem Beschluss vom 27.01.2020 in vollem Umfang angeschlossen. Es entspreche „allgemeiner Lebenserfahrung, dass eine Einigung über die Durchführung einer Modernisierungsmaßnahme, die die vom Mieter innegehaltene Wohnung unmittelbar betrifft – wie der vorliegende Balkonanbau –, dazu führt, dass der Mietgegenstand als entsprechend modernisiert gilt, das heißt, die von den Mietern gemietete Wohnung nunmehr als Wohnung mit Balkon angemietet ist“ . Da der Wortlaut des geschlossenen gerichtlichen Vergleichs keinen Anhaltspunkt dafür biete, dass die Mieter hier ausnahmsweise von einer Nutzung des neuen Balkons absehen müssten, sei eine Abweichung von diesem Regelfall nicht gegeben. Auch die Höhe des Modernisierungszuschlags ließe einen entsprechenden Rückschluss nicht zu. Im Rahmen von Einigungen über die Duldung von Modernisierungsmaßnahmen werde häufig auch eine Einigung über einen niedrigeren als den ursprünglich angekündigten Modernisierungszuschlag getroffen. Auch die Tatsache, dass im Rahmen der Vergleichsverhandlungen vor Gericht vor Abschluss des Vergleichs über die Möglichkeit eines Verzichts auf die Nutzung des Balkons diskutiert wurde, ändere an dieser Beurteilung nichts. Sofern die Vermieterin es versehentlich unterlassen haben sollte, „diesen Verzicht in den Vergleich aufzunehmen, steht dies dem abschließenden Charakter der protokollierten Vereinbarung nicht entgegen, da der Prozessvergleich der Beendigung des damaligen Rechtsstreits diente“.