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Mietrecht

Urteile

Anforderungen an eine Kündigung wegen Eigenbedarfs

Beruft sich ein Vermieter bei einer Kündigung auf Eigenbedarf, hat er vernünftige und nachvollziehbare Gründe dafür anzugeben, warum er die Wohnung für sich oder seine Angehörigen benötigt. Der bloße Wunsch, die Wohnung für sich zu verwenden, genügt nicht. Kann der Nutzungswunsch erst nach umfangreichen Umbaumaßnahmen realisiert werden, spricht dies gegen ein berechtigtes Interesse für die Eigennutzung.

AG Berlin Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 28.02.2008 – AZ 8 C 539/07 –

Der Mieter bewohnt eine Ladenwohnung in einem der Vermieterin gehörenden Gebäude. Die Wohnung besteht aus einem Raum sowie einem weiteren Nebenraum. Eine Küche oder ein Badezimmer sind nicht vorhanden. Die Wohnung wird durch einen Allesbrenner mit Kohle beheizt und das Warmwasser wird über dem Ofen in einem Wasserkessel erhitzt. Die Miete beträgt monatlich 156,60 Euro.

Die Vermieterin – eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts – machte Eigenbedarf für einen Mitgesellschafter und dessen Ehefrau geltend. Diese hätten im November 2007 ein Kind bekommen. Die jetzige von den Gesellschaftern bewohnte 1,5-Zimmer-Wohnung sei 50 qm groß und noch nicht einmal im Ansatz für die Bedürfnisse der Eheleute geeignet. Demgegenüber sei die vom Mieter genutzte Wohnung aufgrund ihrer Größe (108 qm) und Lage (Erdgeschoss) für ihre Zwecke ideal. Der Mitgesellschafter könnte Teile dieser Wohnung zur Ausübung seines Kleingewerbes nutzen, sein Gewerbe auf diese Weise von zu Hause aus betreiben und damit gleichzeitig seiner Familie zur Verfügung stehen. Da die Mitgesellschafter für ihre gegenwärtige Wohnung monatlich 400 Euro zahlen müssten, könnten durch den Umzug erhebliche Kosten eingespart werden.

Der Mieter behauptet, die Eigenbedarfskündigung sei vorgetäuscht. Gegen den ernsthaften Eigennutzungswunsch sprächen verschiedene Faktoren, unter anderem habe die Vermieterin bereits lange vor ihrer Eintragung als Eigentümerin versucht, ihn zum Auszug aus der Wohnung zu bewegen. Insbesondere habe sie bei einem Mietertreffen erklärt, sie wolle in der Ladenwohnung ein Gewerbe ansiedeln, z. B. einen Buchladen oder eine Anwaltskanzlei. Darüber hinaus sei geplant, das gesamte Wohnhaus zu modernisieren, einer der Gesellschafter der Vermieterin habe zudem mitgeteilt, die Wohnung des Mieters werde während der ein- bis eineinhalbjährigen Umbauphase als Werkstatt und Materiallager benötigt. Er, der Mieter, sei wegen seiner Behinderung auf die ebenerdige Ladenwohnung beruflich angewiesen, ein Auszug würde für ihn eine drastische Verschlechterung seiner Wohn- und Lebenssituation bedeuten.

Die Vermieterin bestätigte, dass eine Modernisierung des von ihr gekauften Hauses geplant und im Interesse aller Mieter dringend erforderlich sei. Die Behauptung des Mieters, sie würde die Ladenwohnung als Werkstatt während der Umbaumaßnahme benötigen, sei falsch. Im Übrigen belege der Mieter im zweiten Obergeschoss eine weitere Wohnung, sodass er die Ladenwohnung nicht benötige und auch nicht nutze. Schließlich sei die vom Vermieter für die Ladenwohnung gezahlte Miete nicht einmal kostendeckend, sodass die Vermieterin verständlicherweise gerne einem ihrer Gesellschafter und dessen Familie die Ladenwohnung zur Verwirklichung des Eigenbedarfs zur Verfügung stellen wolle. Konkreter Anlass für den Nutzungswunsch des Mitgesellschafters sei die Geburt des Kindes.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es gelangte zu der Erkenntnis, dass ein berechtigtes Interesse der Vermieterin an der Eigennutzung der Wohnung zu verneinen sei. Maßgeblich für die Erwägungen des Amtsgerichts war der Umstand, dass die Wohnung in ihrem jetzigen Zustand für den behaupteten Zweck der Vermieterin – Einzug eines Mitgesellschafters mit einem Säugling – nicht geeignet ist. So verfüge die Wohnung über kein Badezimmer, keinen abgetrennten Schlafraum und keine abgetrennte Küche. Sie bestehe vielmehr aus einem einzigen Raum, zu dem ein weiterer ca. 1,5 qm großer Raum hinzu komme, den der Mieter als Abstellraum und der Vermieter als Nebenzimmer bezeichnet habe. Maßgeblich für die Abwägung des Amtsgerichts war insbesondere, dass die Wohnung über kein Badezimmer verfügt und nur durch einen Kohleofen beheizt werden kann, mit dem zugleich das Warmwasser erzeugt wird. Nach Ansicht des Amtsgerichts ist eine solche Wohnung nicht geeignet, um darin mit einem knapp vier Monate alten Säugling zu leben. Ein Säugling müsse täglich gewaschen werden, bedürfe einer extremen körperlichen Pflege und ausreichender gleichbleibender Wärme.

Da in der Wohnung sogar ein Kleingewerbe ausgeübt werden sollte, wären – um den gleichzeitigen Einzug einer 3-köpfigen Familie mit Säugling zu ermöglichen – der Einbau eines Wohnzimmers, eines Schlafzimmers sowie eines Büro- oder Gewerberaums nebst Küche und Bad erforderlich. Der von der Vermieterin behauptete Nutzungswunsch sei daher ohne umfangreiche Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen nicht zu erreichen. Ein Kündigungsgrund wegen Eigenbedarfs könne nur dann angenommen werden, wenn der Vermieter substantiiert geltend mache, dass die Wohnung so genutzt werden solle, wie sie liege und stehe.

Für den Mieter als objektivem Empfänger der Eigenbedarfskündigungserklärung sei nicht erkennbar, ob die monatelang andauernden Umbauarbeiten dem Zweck des begehrten Wohnens oder aber einer Modernisierung – entsprechend den Plänen der Vermieterin für das gesamte Wohngebäude – dienen würden.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war die Wohnung sowohl wegen der vorgetragenen teilgewerblichen Nutzung als auch wegen der Nutzung durch eine Familie mit Säugling im gegenwärtigen Zustand für den von der Vermieterin behaupteten Zweck nicht geeignet. Der bloße Wunsch eines Eigentümers, in den eigenen vier Wänden wohnen zu wollen, reiche nicht aus, um Eigenbedarf zu begründen. Ein Eigenbedarf im Sinne des § 546 Abs. 1 BGB setze vernünftige und nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung voraus, was unter den vorgenannten Umständen nicht gegeben sei.

Auf die von der Vermieterin bestrittene tatsächliche Nutzung der Wohnung durch den Mieter kam es nach den Ausführungen des Amtsgerichts nicht an, da allein eine mangelnde Nutzung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Kündigung eines Mietverhältnisses rechtfertigt.

Mitgeteilt von Rechtsanwältin Barbara Wessel

Anmerkung:

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Wir werden über das Ergebnis berichten.

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 328


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