Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Kündigung wegen Eigenbedarfs (4)

Ein Vermieter muss seine Behauptung, die vermietete Wohnung für sich selbst nutzen zu wollen, darlegen und beweisen. Dies kann ohne Einverständnis des Mieters nicht durch Vernehmung des Vermieters als Partei geschehen. Selbst eine bloß informatorische Parteianhörung des Vermieters hat zu unterbleiben, wenn vom Mieter Beweismittel oder Indizien dafür vorgetragen werden, die den Eigennutzungswunsch des Vermieters widerlegen.

Die Mieterin bewohnt seit dem 1. November 1984 eine 34 qm große 1-Zimmer-Wohnung mit Bad. Nur zwei Häuser weiter wohnen die Eltern der Mieterin, welche beide (die Mutter zu 100%) schwerbehindert und auf die tägliche Hilfe der Mieterin angewiesen sind. Die Wohnung der Mieterin wurde nach einer Umwandlung in Wohnungseigentum am 3. August 2006 an die jetzige Vermieterin verkauft. Nachdem die Mieterin auf eine unwirksame Mieterhöhung nicht reagiert hatte, teilte die Vermieterin, die zu der Zeit eine weitere eigene Wohnung im Nachbarhaus nutzte, ihr noch im gleichen Jahr mit, dass sie die Wohnung selbst nutzen wolle und die Mieterin ausziehen solle. Am 15. Juni 2009 kündigte die Vermieterin die Wohnung wegen angeblichen Eigenbedarfs. Die beiden weiteren ihr gehörenden Wohnungen im gleichen sowie im Nachbarhaus hatte sie zwischenzeitlich trotz ihres angeblich seit 2006 bestehenden Bedarfs anderweitig vermietet, ohne diese Wohnungen der Mieterin anzubieten. Ihre Räumungsklage scheiterte jedoch daran, dass sie die damals geltende dreijährige Kündigungssperrfrist ab dem ersten Eigentümerwechsel ab Umwandlung nicht eingehalten hatte.
Nachdem sie im Oktober 2010 das Urteil der Abteilung 104 des Amtsgerichts Schöneberg erhalten hatte, schrieb sie am 1. November 2010 an das Amtsgericht, dass sie die (34 qm große) 1-Zimmer-Wohnung aber unbedingt für ihre beiden fast erwachsenen Kinder brauche, mit denen sie gemeinsam von Darmstadt nach Berlin umziehen wolle. Dieser Nutzungswunsch war im Kündigungsschreiben nicht genannt worden.
Mit Schreiben vom 30. November 2010 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis erneut wegen angeblichen Eigenbedarfs. Sie behauptete nun, sie wolle von Darmstadt nach Berlin ziehen und in der Wohnung sowohl wohnen als auch einen Buchhaltungsservice betreiben. Da die Mieterin nicht auszog, erhob die Vermieterin erneut Räumungsklage. Die Abteilung 5 des Amtsgerichts Schöneberg hörte die Vermieterin im Termin zur mündlichen Verhandlung persönlich an. Diese behauptete, dass sie ihren Lebensmittelpunkt dauerhaft von Darmstadt nach Berlin verlegen wolle und dass sie beabsichtige, in der 1-Zimmer-Wohnung der Mieterin sowohl zu leben als auch ihrer selbständigen Tätigkeit nachzugehen. Ihre beiden weiteren Wohnungen – eine im gleichen, eine im Nachbarhaus – seien ihr mit ca. 60 qm hierfür zu groß, da sie aufgrund gesundheitlicher Probleme nur wenig arbeiten und ihre Wohnkosten senken wolle. Außerdem habe sie die beiden Wohnungen vermietet, eine davon mit lebenslangem Wohnrecht. Die Mieterin bestritt, dass die Vermieterin tatsächlich in ihre Wohnung einziehen wolle. Das Amtsgericht ignorierte den mehrmaligen Hinweis der Mieterin, dass eine Anhörung der Vermieterin den Beweis des angeblichen Eigennutzungswunschs nicht ersetzen könne und verurteilte die Mieterin mit Urteil vom 28. Januar 2013 zur Räumung der Wohnung, wobei es der Mieterin nach 29 Jahren Mietzeit eine Räumungsfrist von zwei Monaten gewährte. Eine Beweiserhebung zu den vorgetragenen und unter Beweis gestellten Härtegründen aufseiten der Mieterin hielt das Amtsgericht für nicht erforderlich. Auch den Einwand der Mieterin, dass die Vermieterin, welche seit 2006 gegenüber der Mieterin durchgehend bestehenden Eigenbedarf behauptete, seither zwei Wohnungen anderweitig vermietet hatte, ohne sie zuvor der Mieterin anzubieten, ignorierte das Amtsgericht. Ebenso ignorierte das Amtsgericht den Einwand der Mieterin, dass die Vermieterin allein im November 2010 schriftlich zwei völlig unterschiedliche Eigenbedarfsgründe für die Wohnung der Mieterin behauptet hatte. Das war dann auch der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin zu viel. Auf die Berufung der Mieterin hob das Landgericht Berlin das Urteil des Amtsgerichts Schöneberg auf und wies die Räumungsklage der Vermieterin ab. Das Landgericht stellte klar, dass ein Vermieter, der selbst in seine Wohnung einziehen will, dies nicht nur darlegen, sondern auch beweisen muss. An einem entsprechenden Beweisangebot der Vermieterin fehlte es jedoch in diesem Verfahren. Selbst die vom Amtsgericht durchgeführte „bloße informatorische Parteianhörung“ hätte nach Auffassung des Landgerichts hier unterbleiben müssen, da die Mieterin Beweismittel und Indizien vorgetragen hatte, welche ihre Auffassung stützten, dass der angebliche Eigennutzungswunsch der Vermieterin bloß vorgetäuscht sei. Da das Landgericht dementsprechend bereits den behaupteten Eigennutzungswunsch der Vermieterin verneinte, musste es die Frage, ob der Auszug für die Mieterin eine besondere soziale Härte bedeuten würde, nicht mehr prüfen.


Anmerkung: Selbstverständlich rechnet die Mieterin mit weiteren Versuchen der Vermieterin, das Mietverhältnis zu beenden. Allerdings gilt seit dem 1. Oktober 2013 in ganz Berlin eine zehnjährige Kündigungssperrfrist ab dem ersten Verkauf einer Eigentumswohnung nach Umwandlung (wenn der Mietvertrag bereits zum Zeitpunkt der Umwandlung bestand). Der nächste Versuch der Vermieterin kann also frühestens im August 2016 erfolgen.

 

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Hans-Christoph Friedmann 


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