Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Kündigung wegen Eigenbedarfs (1)

Durch eine mietvertragliche Bestimmung, der zufolge der Vermieter das Mietverhältnis „nur in besonderen Ausnahmefällen unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündigen kann, wenn wichtige berechtigte Interessen des Vermieters eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen“, wird dem Mieter ein gegenüber den gesetzlichen Vorschriften erhöhter Bestandsschutz eingeräumt. Für eine Kündigung genügt dann das in § 573 Absatz 2 BGB genannte berechtigte Interesse des Vermieters nicht.

Die Mieterin wohnt seit 1998 in einer Wohnung im 2. Obergeschoss eines Hauses in Berlin, in dem sich bei Mietvertragsabschluss insgesamt drei abgeschlossene, einzeln vermietete Wohnungen befanden. Der Mietvertrag enthält unter § 4 zu Mietdauer und Kündigung folgende Bestimmung: „Die (Vermieterin) wird das Mietverhältnis grundsätzlich nicht auflösen. Sie kann jedoch in begründeten Ausnahmefällen das Mietverhältnis schriftlich unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündigen, wenn berechtigte Interessen der (Vermieterin) eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen.“ Am 30. März 2009 wurde das Haus zum zweiten Mal seit Beginn des Mietverhältnisses verkauft. Die Käufer und nunmehrigen Vermieter legten die beiden anderen Wohnungen im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss zusammen und bewohnen sie seitdem selbst. Mit Schreiben vom 2. November 2009 kündigten sie der Mieterin wegen Eigenbedarfs, da sie die Wohnung der Schwester der Vermieterin und deren Familie überlassen wollten. Da die Mieterin nicht ausziehen wollte, erhoben sie am 30. Juni 2010 Räumungsklage, in welcher sie vorsorglich nochmals wegen Eigenbedarfs kündigten und sich hilfsweise auf § 573 a BGB beriefen. Danach kann ein Vermieter auch ohne ein sogenanntes „berechtigtes Interesse“ (hier: Eigenbedarf) kündigen, wenn das vom Vermieter selbst bewohnte Haus nur über maximal zwei Wohnungen verfügt. Die Mieterin berief sich auf Härtegründe, da sie an Multipler Sklerose erkrankt ist und bei einem Umzug eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands zu befürchten wäre. Das Amtsgericht Schöneberg wies die Klage der Vermieter ab. Auf deren Berufung hin verurteilte die 63. Kammer des Landgerichts Berlin die Mieterin zur Räumung der Wohnung. Da zum Zeitpunkt der Kündigung nur noch zwei Wohnungen im Haus existierten, von denen eine die Vermieter selbst bewohnten, hielt das Gericht bereits die Kündigung gemäß § 573 a BGB ungeachtet der Bestimmungen in § 4 des Mietvertrags für begründet. Obwohl der gerichtlich bestellte Gutachter eindringlich vor den schwerwiegenden gesundheitlichen Gefahren eines Umzugs der Mieterin gewarnt hatte, meinte das Landgericht, dass ein Umzug nicht „schlechterdings ausgeschlossen“ sei. Eine Krankheitsverschlechterung sei nicht auszuschließen, diese könne sich jedoch auch aus anderen Umständen wie „etwa einer Virusinfektion“ ergeben.
Die Revision der Mieterin gegen dieses Urteil hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil der 63. Kammer auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Berlin zurück. Der BGH stellte zunächst klar, dass entgegen der Ansicht der 63. Kammer des Landgerichts Berlin eine erleichterte Kündigung nach § 573 a BGB (also ohne „berechtigtes Interesse“ des Vermieters) durch § 4 des Mietvertrags ausgeschlossen ist. Die Vermieter müssten diese von der früheren Eigentümerin getroffene vertragliche Bestimmung auch gegen sich gelten lassen, da sie als Erwerber in die vertraglichen Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag eingetreten sind. Gleichzeitig stellte der BGH klar, dass die Auseinandersetzung des Landgerichts mit dem von der Mieterin vorgetragenen und durch Sachverständigengutachten belegten Härtegrund völlig unzureichend war und in Form einer „pauschalen und bagatellisierenden Würdigung“ erfolgt sei. Zudem habe das Landgericht die erforderliche konkrete Abwägung zwischen den Schwierigkeiten und Gefahren, die der Mieterin im Fall eines Umzugs drohten und dem Interesse der Vermieter schlicht „unterlassen“. Die Ausführungen des Landgerichts in seinem Urteil ließen nach Ansicht des BGH befürchten, dass das Landgericht „unangemessen hohe Anforderungen an das Vorliegen einer unzumutbaren Härte stellt und verkennt, dass nicht nur sichere Folgen einer Räumung zu berücksichtigen sind, sondern bereits die ernsthafte Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung die Annahme einer unzumutbaren Härte rechtfertigen kann“. Der Bundesgerichtshof stellte jedoch auch klar, dass § 4 des Mietvertrags eine Kündigung wegen Eigenbedarfs „nicht grundsätzlich verwehrt“. Die Bestimmung verschärfe lediglich die gesetzlichen Voraussetzungen einer solchen Kündigung, dem Mieter werde dadurch ein „gegenüber üblichen Mietverhältnissen erhöhter Bestandsschutz zugebilligt“. Der Vermieter muss also nicht nur ein berechtigtes Interesse (z. B. Eigenbedarf) darlegen und beweisen, sondern „darüber hinaus (müsse) ein besonderer Ausnahmefall vorliegen (…), in dem wichtige Interessen des Vermieters eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen. Ob ein solcher Ausnahmefall hier vorliegt und ob dieser gegebenenfalls schwerer wiegt als die Härtegründe aufseiten der Mieterin, wird nun eine andere Kammer des Landgerichts Berlin beurteilen müssen.

Anmerkung: In Berlin gibt es relativ häufig alte Mietverträge, insbesondere der (ehemaligen) städtischen Wohnungsbaugesellschaften, die vergleichbare Regelungen enthalten, welche die Kündigung des Vermieters nur in Ausnahmefällen zulassen. Diese Regelungen gelten, wie der BGH klargestellt hat, auch nach (einmaligem oder mehrmaligem) Verkauf eines Hauses weiter. Nicht nur, aber auch aus diesem Grund, ist es für Mieter/innen wichtig, sich den häufig vorkommenden Anträgen von Grundstückskäufern, es „müsse“ nun ein neuer Mietvertrag abgeschlossen werden, zu verweigern. Zumindest ist vor der Unterzeichnung solch eines neuen Vertrags eine eingehende rechtliche Beratung unerlässlich.


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