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Mietspiegel 2019

Von Rechtsanwalt Marek Schauer

RA Schauer


Endlich ein neuer Mietspiegel! Sind die Mieten gesunken?    

Nein.

Gut bzw. schlecht. Gibt es außer steigenden Mieten im Mietspiegel 2019 denn etwas Positives zu berichten?    

Das schon. Wir als Mietervertreter konnten einige Punkte in der Orientierungshilfe zum Mietspiegel klarstellen. Die Orientierungshilfe bildet wohnwerterhöhende und wohnwertmindernde Merkmale ab und gewährleistet so, dass eine Wohnung im Rahmen der weiten Spanne eines Mietspiegelfeldes konkret einsortiert werden und so die ortsübliche Vergleichsmiete festgestellt werden kann. Die dort genannten Merkmale haben jedoch zum Teil zu Gerichtsstreitigkeiten geführt, weil freche Vermieter sich positive Merkmale zuschrieben, die ihnen jedoch nicht zustanden. Und manche Richter folgten ihnen auch noch. Das haben wir an einigen Stellen deutlich verbessert.

Was ist damit konkret gemeint?
Erstens haben wir bei bestimmten Merkmalen eingeführt, dass sie ab einem gewissen Einbaujahr nicht mehr wohnwerterhöhend sind, weil sie zum baurechtlichen Standard in der Zeit zählen. Beziehungsweise haben wir die schon genannten Einbaujahre zugunsten der Mieter/innen abgeändert.    
Das betrifft im Bad das wandhängende WC, welches nunmehr nur noch vor 2003 wohnwerterhöhend ist.
Der wohnungsbezogene Kaltwasserzähler ist nur vor 1991 wohnwerterhöhend (wenn der Mieter nicht die Kosten für Miete/Leasing trägt). Und drittens ist Wärmeschutzverglasung nur noch bei Einbau ab 2002 wohnwerterhöhend und nicht schon ab 1995.
Schließlich konnten wir durchsetzen, dass bei Fahrradabstellräumen bzw. –plätzen und beim KFZ-Parkplatzangebot eine ausreichende Dimensionierung vorhanden sein muss, damit Vermieter dies als wohnwerterhöhendes Merkmal für sich in Anspruch nehmen dürfen. Das war in der Vergangenheit oft Streitpunkt, weil die Vermieter in einem 20-Parteienhaus drei Fahrradbügel für ca. 50 Fahrräder hinstellten und meinten, dass dies wohnwerterhöhend sei. Damit ist nun Schluss.

Das ist ja auch eine Frechheit. Was gibt es noch Neues? Ich habe vor einiger Zeit in der Presse von der neuen Wohnlageeinstufung gelesen. Was bedeutet das?    
Die Presse bzw. eigentlich war es nur der Tagesspiegel, der einmal mehr – vermeintlich im Namen der Mieter/innen – gegen die derzeitige Spitze der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Stimmung gemacht hat, hat da mehr Verwirrung gestiftet als Aufklärung gebracht.Richtig ist zunächst, dass das System von Einzelanträgen zur Ab- oder Aufstufung der Wohnlage von Mieter- wie Vermieterseite modifiziert wurde. Und das ist gut. Denn bisher war es so, dass die Vermieter mit ihren materiellen Ressourcen die Möglichkeit hatten, zu jedem Mietspiegel eine Antragsflut im Dauerfeuer zu generieren. So konnten sie mit teils hanebüchenen „Argumenten“ den Wohnwert Ihrer Immobilien beeinflussen. Wir konnten hier viel abwehren. Trotzdem erzielte die Antragsflut auch ihre Wirkung. Abstufungsanträge, so sie überhaupt von Mieter/innen gestellt wurden, gab es kaum. Obwohl diese möglicherweise gerechtfertigt gewesen wären. Aber Mieter/innen haben nur Freizeit für solche Anträge. Vermieter hingegen Geld für Personal.

Logisch. Was ist nun neu bei der Wohnlage?
Wir haben die die Wohnlage beeinflussenden Faktoren, sogenannte Indikatoren, gesammelt: Zum Beispiel Grünflächenanteil, Sozialstatus, Entfernung zur nächsten Haltestelle oder zu nützlicher Infrastruktur. Dann haben wir Eichgebiete für einfache, mittlere und gute Wohnlage gewählt und geprüft, wie diese Indikatoren dort jeweils wirken und so festgestellt, in welcher Quantität die Indikatoren in der jeweiligen Lage auftauchen. So konnte also die idealtypisch einfache/mittlere/gute Wohnlage gefiltert und ganz Berlin danach geprüft werden.
Das Ergebnis ist eine methodisch abgesicherte Wohnlageeinstufung, welche insbesondere wegen der Vermieterangriffe auf den Mietspiegel notwendig wurde und daher von uns auch begrüßt wird. Der Mietspiegel ist gerichtssicherer.
Uns ist klar, dass es auch Aufstufungen und damit Unzufriedenheit geben wird. Das hätte jedoch auch nach dem alten Modell jederzeit passieren können. So ist dem Antragsdauerfeuer der Vermieter ein Riegel vorgeschoben. Zudem gab es auch erheblich viele Abstufungen.

Jetzt habe ich noch einige Fragen zu konkreten Mieterhöhungen. Ich habe eine solche am 12. März 2019 erhalten. Ich soll satte 70 Euro zum 01. Juni 2019 mehr zahlen! Damit war ich in der Mieterberatung. Gemeinsam mit der Anwältin haben wir herausbekommen, dass nach dem alten Mietspiegel 2017 keine Erhöhung möglich ist. Deswegen stimmte ich nicht zu. Die Anwältin sagte aber auch, dass bald der Mietspiegel 2019 herauskommen würde und es dann anders aussehen könnte und ich nochmal prüfen solle. Stimmt das?
Die Anwältin hat Sie absolut richtig beraten. Stichtag für die Erhebung der Mieten für den Berliner Mietspiegel ist der 1. September 2018. Mieterhöhungen, welche ab dann ausgesprochen wurden, müssen zwar als Begründung den Mietspiegel 2017 zugrunde legen. Sollte in dieser unsicheren Zwischenperiode jedoch ein neuer Mietspiegel herauskommen und – was auch sonst – höhere Mieten für Sie ausweisen, dann gelten diese. Falls also der neue Mietspiegel zum Beispiel eine Mieterhöhung in Ihrem Fall von 35 Euro ausweist, dann müssen Sie leider eine Teilzustimmung um eben 35 Euro erklären und zahlen. Wenn es nach dem neuen Mietspiegel eine deftige Mietsteigerung um sogar die geforderten 70 Euro geben darf, dann müssen Sie sogar voll zustimmen. Gehen Sie also noch einmal in die Beratung und lassen das checken.

Das werde ich tun. Eine Freundin von mir hat den gleichen Fall, nur ist das Mieterhöhungsverlangen schon am 12. Dezember 2018 zugegangen und sie hat wie ich nicht zugestimmt. Der Vermieter hat sie verklagt und mitten im Prozess kam der Mietspiegel 2019 und nun ist die Erhöhung nach dessen Zahlen gerechtfertigt. Wie ist es hier?    

Schlecht. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als den Anspruch unter Protest gegen die Kostenlast anzuerkennen. So kriegt der Vermieter eventuell – die Richter sehen das unterschiedlich – noch die Kosten des Verfahrens auferlegt. Weil er in seiner Gier den Mietspiegel nicht abwarten konnte.


Ich habe von einem Urteil gehört, das unter „Stichtagszuschlag“ bei Mieterhöhungen firmierte. Was hat es damit auf sich?  
 
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat 2017 ein ziemlich mieterunfreundliches Urteil gesprochen. Wenn Ihnen ein Mieterhöhungsverlangen weit nach dem Erhebungsstichtag des zum Zeitpunkt des Zugangs noch zutreffenden Mietspiegels zugeht und der darauffolgende Mietspiegel eine erhebliche Steigerung für Ihre Wohnung feststellt, dann kann der Vermieter noch mehr verlangen, als der für das abgegebene Mieterhöhungsverlangen noch zutreffende Mietspiegel hergibt. Einen Zuschlag eben, der aus der Mietenentwicklung zwischen den beiden Erhebungsstichtagen resultiert. Beispiel: Sie haben eine Mieterhöhung zum 1. August 2018 bekommen. Zutreffend dafür ist der Mietspiegel 2017. Im Mietspiegel für 2019, welcher den Erhebungsstichtag 1. September 2018 hatte, gibt es eine erhebliche Steigerung. Dann können die Gerichte für August 2018 annehmen, dass auch dort schon eine ähnliche Erhöhung möglich war, obwohl der Vermieter diese nach dem Mietspiegel 2017 noch gar nicht verlangen konnte. Erhalten Sie eine solche Mieterhöhung, lassen Sie sich unbedingt beraten.

Dem Grunde nach? Kann ich was dagegen tun?    
Jein. Die gute Nachricht ist, dass der BGH das nicht als Regelfall abgenickt hat. Er wollte da keinen Automatismus. Die Überlegungen des BGH – und leider auch der Vorinstanzen – sind einzelfallbezogen. Lassen Sie sich nicht einfach mit dem Begriff Stichtagszuschlag ins Bockshorn jagen.

Bockshornklee bringt wenigstens Glück. Mit dem Vermieter habe ich weniger davon, er erhöht alle drei Jahre die Miete um 15% - darf er das?
Nur, wenn der Mietspiegel es hergibt. Sie müssen sich das System „Mieterhöhung nach Mietspiegel“ mit folgenden Grenzen vorstellen: Der Mietspiegel mit seinen Werten ist die erste Grenze. Wir prüfen also Ihre Mieterhöhung zunächst danach, ob die vom Vermieter verlangte Miete die gesetzlich maximal zulässige nach dem Mietspiegel überschreitet. Tut sie das, müssen Sie allenfalls die Differenz von Ihrer aktuellen Miete bis zur zulässigen Mietspiegelmiete zahlen und eine „Teilzustimmung“ abgeben. Ist es sogar so, dass Ihre aktuelle Miete bereits über der des geltenden Mietspiegels liegt, müssen Sie gar nicht zustimmen.
Nur, wenn die vom Vermieter verlangte Miete die zulässige Miete nach dem Mietspiegel nicht überschreitet, ist die Mieterhöhung leider berechtigt. Erst dann kommen wir zu Grenze Nummer zwei: Die Kappungsgrenze oder eben die Ihnen bekannten 15% der Miete vor drei Jahren. Wir prüfen also, ob die nach der Mietspiegelspanne berechtigte Mieterhöhung des Vermieters nicht die 15% innerhalb von drei Jahren überschreitet. Tut sie das, wird die Mieterhöhung auf die zulässigen 15% gekürzt. Wenn nicht, ist die Mieterhöhung leider nicht aus diesem Grund angreifbar.Insofern lässt sich also nicht sagen, dass der Vermieter alle drei Jahre die Miete um 15% erhöhen kann. Das geht nach dem Vorgesagten nur, wenn Ihre Miete unterhalb des entsprechenden zulässigen Werts des Mietspiegelfelds liegt. Ist der Wert des Mietspiegelfelds erreicht, wächst Ihre Miete praktisch allenfalls mit dem Mietspiegel, wenn der Vermieter erhöht. Dies erlaubt nicht zwingend die Steigerungsraten der Kappungsgrenze.

Vor einigen Monaten hatte ich eine Mieterhöhung bekommen. Diese sollte zum 1. Februar 2019 gelten. Dieser hatte ich nach der Mieterberatung widersprochen. Danach habe ich nichts mehr gehört. Ist das erledigt?
Das kann schon sein. Der Vermieter hat drei Monate nach angepeiltem Beginn der Mieterhöhung Zeit, auf Zustimmung zu klagen. Tut er es nicht, ist die Mieterhöhung nicht mehr gerichtlich durchsetzbar. Mit anderen Worten: Sie ist tot. Das könnte bei Ihnen schon der Fall sein. Allerdings wäre eine Klage noch wirksam, wenn sie bis 30. April 2019 beim Amtsgericht eingegangen ist.
Ein Tipp: Rufen Sie bei der Eingangsregistratur Ihres Gerichts an und fragen Sie, ob eine Klage Ihres Vermieters eingegangen ist. Falls nicht, hat der Vermieter aufgegeben. Falls doch, wäre der Weg in unsere Beratung angezeigt, um alle Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Ich habe eine sogenannte Bruttomiete, also die Betriebskosten sind in meiner Miete enthalten. Jetzt kommt der Vermieter mit der Erhöhung einer Nettokaltmiete und Betriebskosten, der ich zustimmen soll. Kann das sein?        

Gut, dass Sie fragen! Diese Frage kommt immer wieder. Wer hier bedenkenlos zustimmt, läuft nicht nur Gefahr, eine überhöhte Miete zu akzeptieren, sondern vergibt auch die sehr vorteilhafte Mietstruktur der Bruttomiete. Mit der Bruttomiete wachsen nämlich nicht die bereits eingepreisten Betriebskosten, sondern allenfalls die Nettomiete nach dem Mietspiegel.
Zu Ihrer Frage: Wenn Sie so eine Erhöhung bekommen, sagen die Gerichte, dass Sie einer derart unvorteilhaften Umstellung der Mietstruktur nicht zustimmen müssen und die Mieterhöhung unwirksam ist. Lassen Sie sich vorsorglich jedoch bei uns dazu genau anhand Ihres Falles beraten.

Wenn der Vermieter bei meiner Bruttomiete diesen Fehler nicht macht und einfach 15% der Bruttomiete erhöht, geht das?
Grundsätzlich darf der Vermieter auch eine Bruttomiete alle drei Jahre um 15% erhöhen. Aber auch hier muss er – wie bereits erklärt – den Mietspiegel zuerst berücksichtigen. Das bedeutet, dass er Ihnen aufzeigen muss, wo die Wohnung im Mietspiegel einzusortieren ist. Und vor allem muss der Vermieter Ihre Bruttomiete mit den Mieten im Mietspiegel vergleichbar machen. Das bedeutet, er muss den Betriebskostenanteil in der Miete berechnen und Ihnen so aufzeigen, wie hoch der Nettomietanteil in Ihrer Miete ist.    Hier machen Vermieter oft einige dicke Fehler, die Sie sich zunutze machen sollten. Wir helfen hier in der Beratung gerne.

Was mache ich bei einer Mieterhöhung generell? Kann ich gekündigt werden, wenn ich nicht zustimme?
Ganz klar: Kommen Sie in die Beratung. Wir klären alle Chancen und Risiken genauestens ab.Und machen Sie sich keine Sorgen. Wegen der Verweigerung der Zustimmung zu einer Mieterhöhung nach Mietspiegel dürfen Sie nicht gekündigt werden. Der Vermieter muss Sie binnen drei Monaten nach Erhöhungsbeginn verklagen. Nur, wenn Sie verlieren, Sie also zur Zahlung der Mieterhöhung verurteilt wurden und Sie dann den Rückstand und die folgenden Mieten nicht zahlen, riskieren Sie eine Kündigung. Aber soweit lassen wir es nicht kommen!
    
Rechtsanwalt Marek Schauer berät in der Beratungsstelle Neukölln Sonnenallee.