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Baumaßnahmen in Milieuschutzgebieten

Von Rechtsanwältin Franziska Dams

RAin Franziska Dams


Aktuell ist in den Medien immer wieder von Milieuschutzgebieten zu hören, was heißt das eigentlich?

Soziale Erhaltungsgebiete, umgangssprachlich auch als Milieuschutzgebiete bekannt, sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung schützen. Durch Milieuschutzverordnungen soll verhindert werden, dass sich diese aufgrund von Verdrängung durch teure Modernisierungsmaßnahmen, Veränderungen der Struktur einer Wohnung, der Umnutzung von Wohnungen in Gewerbe oder der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verändert. Das heißt, die soziale Vielfalt soll erhalten bleiben und auch ökonomisch schwächeren Bevölkerungsgruppen soll es weiterhin möglich sein, ihr bisheriges Wohnumfeld zu behalten. Der Milieuschutz ist ein städtebauliches In-strument und in § 172 Abs. 1 Nr. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) verankert. Er ist kein Bestandteil des Mietrechts nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und regelt nicht das Verhältnis zwischen einzelnen Mieter/innen und Vermietern. Dies hat zur Folge, dass Mieter/innen keine individuellen Rechtsansprüche hieraus herleiten können. 

Wie viele Milieuschutzgebiete gibt es aktuell und wo finde ich diese?

In Berlin gibt es nach derzeitigem Kenntnisstand 70 Milieuschutzgebiete:7 in Charlottenburg-Wilmersdorf, 12 in Friedrichshain-Kreuzberg, 2 in Lichtenberg, 12 in Mitte, 10 in Neukölln, 14 in Pankow, 1 in Reinickendorf, 2 in Spandau, 8 in Tempelhof-Schöneberg und 2 in Treptow-Köpenick. Wo genau sich diese befinden, können Sie unter dem Stichwort Milieuschutz mit Angabe Ihres Stadtbezirks im Internet herausfinden. Unabhängig davon steht Ihnen das Stadtplanungsamt als zuverlässiger Ansprechpartner zur Verfügung.

Wie wirkt sich der Milieuschutz konkret aus?

In Milieuschutzgebieten dürfen Abriss und Änderungen (wie Modernisierungen, Grundriss- oder Nutzungsänderungen) von Wohngebäuden nur mit Genehmigung erfolgen. Zusätzlich gilt ein Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Das bedeutet, dass Vermieter, wenn sie beispielsweise modernisieren oder die Wohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln möchten, dies zunächst beim Bezirksamt beantragen müssen. Das Bezirksamt prüft, ob durch die beantragten Maßnahmen für Teile der Wohnbevölkerung Verdrängungsgefahr besteht. Wenn ja, können die Maßnahmen versagt werden.

Ich habe gehört, dass man als Mieter/in in Milieuschutzgebieten besonders gut vor Modernisierungsmaßnahmen geschützt ist, stimmt das?

Auch in Milieuschutzgebieten ist die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen grundsätzlich möglich. Es gilt jedoch das Genehmigungserfordernis. Eigentümer, die entsprechende Maßnahmen durchführen wollen, müssen zunächst einen Antrag beim Bezirk stellen. Unter anderem müssen sie Wohnungsbögen mit der Aufschlüsselung der Mieten vor und nach der Durchführung der beantragten Maßnahmen einreichen. Der Bezirk informiert die Mieter/innen über die Antragstellung. Diese können innerhalb einer vom Bezirksamt gesetzten Frist zu den geplanten Maßnahmen Stellung nehmen. Zusätzlich erhalten sie Hinweise zu entsprechenden Beratungsangeboten. Der Bezirk muss dann innerhalb einer Frist von maximal vier Monaten darüber entscheiden, ob er die Maßnahme genehmigt oder versagt. Reagiert der Bezirk innerhalb dieser Frist nicht, tritt nach deren Ablauf eine Genehmigungsfiktion nach § 22 Absatz 5 BauGB ein und die Modernisierung kann durchgeführt werden. Liegt Ihnen bereits eine Modernisierungsankündigung vor, sollten Sie die angekündigten Maßnahmen unbedingt mit den Maßnahmen vergleichen, die laut Schreiben des Bezirksamts beantragt worden sind. Nicht selten kommt es hier zu Abweichungen. Stellen Sie das fest, sollten Sie den Bezirk hierüber unbedingt informieren. Empfehlenswert ist, die Modernisierungsankündigung dort einzureichen, um auf die Widersprüche hinzuweisen. Geht Ihnen die Modernisierungsankündigung des Vermieters bereits vor dem Informationsschreiben des Bezirks zu, sollten Sie nachhaken. Erkundigen Sie sich beim Stadtplanungsamt unter Vorlage der Ankündigung, ob überhaupt eine entsprechende Genehmigung für die Maßnahmen erteilt wurde. Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der Modernisierungsankündigung nach dem BGB haben Vermieter ohne die erhaltungsrechtliche Genehmigung keinen Anspruch auf die Duldung der Maßnahmen.

Welche Modernisierungen werden genehmigt und welche nicht?

Tatsächlich ist dies von Bezirk zu Bezirk verschieden, da die Milieuschutzsatzungen jeweils unterschiedliche Kriterienkataloge beinhalten, in denen die Modernisierungsmaßnahmen aufgelistet sind. Der Anbau von Balkonen oder der Einbau von Aufzügen, die regelmäßig mit einer massiven Mietsteigerung einhergehen, sind beispielsweise in den Kriterienkatalogen vieler Bezirke nicht aufgeführt. Das bedeutet, dass ein Aufzugseinbau auch in Milieuschutzgebieten regelmäßig bewilligt wird. Die Bezirksämter behandeln diese Maßnahmen als Anpassung an den „zeitgemäßen Standard“. Eine Ausnahme hiervon bildet beispielsweise der Bezirk Mitte. Hier steht der Anbau von Balkonen und Aufzügen unter Genehmigungsvorbehalt. Der Einbau kann – muss aber nicht – durch das Bezirksamt versagt werden. Das Bezirksamt entscheidet je nach Einzelfall. Generell gilt, dass Maßnahmen, die den zeitgemäßen Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung unter Beachtung der bauordnungsrechtlichen Mindeststandards herstellen, zu genehmigen sind. Auch Maßnahmen, die der Anpassung an die anlagentechnischen Mindestanforderungen nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) dienen, werden genehmigt.

Was bedeutet zeitgemäßer Ausstattungsstandard?

Um einen zeitgemäßen Ausstattungszustand handelt es sich bei sogenannten allgemein üblichen Maßnahmen. Dies sind Änderungen, die der Anpassung an den heutigen Wohnmindeststandard dienen. Hierzu zählen im Allgemeinen:

  • Ersteinbau einer Sammelheizung mit   Warmwasserversorgung
  • Ersteinbau eines Bades
  • Ergänzung eines vorhandenen Bades mit einer zeitgemäßen Ausstattung
  • Grundausstattung mit Sanitär-, Wasser- und Elektroinstallationen, Antennen-, Kabelfernseh- und Gegensprechanlagen
  • Aufzüge

Und wann liegen Maßnahmen vor, die der Anpassung an die anlagentechnischen Mindestanforderungen nach dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) dienen?

Hierbei handelt es sich beispielsweise um die Erneuerung bestehender Fenster gemäß GEG und verpflichtende energetische Sanierungen gemäß GEG. 

Gibt es auch Maßnahmen, die in Milieuschutzgebieten nicht genehmigt werden?

Nicht genehmigungsfähig ist beispielsweise der Abriss von Wohngebäuden. Auch für die Umnutzung von Wohnungen in Gewerberaum oder für nicht notwendige Grundrissänderungen von Wohnungen (zum Beispiel durch eine Wohnungszusammenlegung) wird keine Genehmigung erteilt. Sogenannte Luxusmodernisierungen wie

  • Einbau eines Badezimmers mit getrennter Dusche und Wanne,
  • Einbau von Gästetoiletten,
  • Einbau einer Klimaanlage oder eines Innenkamins,
  • Anbau von Balkonen mit mehr als
    4 qm Nutzfläche oder Balkonen, die wegen der Eigenart der Konstruktion oder des Materials besonders kostenaufwendig sind, sowie von Terrassen oder Wintergärten,
  • Einbau einer Fußbodenheizung oder
  • Installation von Elektrogeräten wie Geschirrspüler, Kühlschrank, Waschmaschine werden ebenfalls nicht genehmigt. 

Meine Wohnung liegt in einem sogenannten Milieuschutzgebiet, bin ich hier vor einer Umwandlung in eine Eigentumswohnung geschützt?

Leider nein, auch in Milieuschutzgebieten ist eine Umwandlung in Wohneigentum möglich. Für Milieuschutzgebiete sieht § 172 BauGB jedoch einen besonderen Schutz vor Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen vor. Eigentümer brauchen eine Genehmigung, ohne diese darf keine Eintragung vom Grundbuchamt vorgenommen werden. Über die Genehmigung entscheidet das Bezirksamt (Abteilung Stadtplanung). Voraussetzung für deren Erteilung ist, dass den Eigentümern ein Verzicht auf die Umwandlung auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Der Verzicht auf eine Umwandlung gilt immer dann als unzumutbar, wenn die Kosten der Bewirtschaftung des Gebäudes im bestehenden Zustand nicht durch seine Erträge oder seinen Nutzwert für die Eigentümer aufgewogen werden können. In der Praxis spielt dies jedoch keine Rolle. Relevant sind vielmehr die gesetzlich geregelten Ausnahmefälle. Eine Umwandlungsgenehmigung ist zu erteilen, wenn

  • das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohnungseigentum/Teileigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll (§ 172 Abs. 4 Nr. 2 BauGB),
  • das Wohnungseigentum/Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll (§ 172 Abs. 4 Nr. 3 BauGB),
  • ohne die Genehmigung Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist (§ 172 Abs. 4 Nr. 4 BauGB),
  • das Gebäude im Zeitpunkt der Antragstellung auf Begründung von Wohnungseigentum/Teileigentum nicht zu Wohnzwecken genutzt wird (§ 172 Abs. 4 Nr. 5 BauGB) oder
  • der Eigentümer sich verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab Begründung des Wohnungseigentums Wohnungen nur an Mieter/innen zu veräußern (§ 172 Abs. 4 Nr. 6 BauGB).

Regelfall ist, dass sich Eigentümer verpflichten, innerhalb von sieben Jahren ab Begründung des Wohnungseigentums Wohnungen nur an Mieter/innen zu veräußern. In dieser Konstellation werden die Mieter/innen vom Bezirksamt angeschrieben und erhalten eine Mitteilung, dass die Umwandlung in Wohnungseigentum durch die Eigentümer beantragt wurde. Gleichzeitig werden sie darüber informiert, dass dieses Vorhaben grundsätzlich genehmigungsfähig ist, da zugesichert wurde, sieben Jahre nur an die Mieter/innen zu verkaufen. Verhindert werden kann die Umwandlung letztendlich nicht. Der Genehmigungsvorbehalt wird jedoch im Grundbuch vermerkt, sodass dieser nicht umgangen werden kann.

Was hat es mit der Umwandlungsverordnung auf sich, die seit August 2021 in Kraft ist? Ist das das Gleiche?

Am 6. August 2021 trat in  Berlin die Umwandlungsverordnung nach § 250 BauGB in Kraft, die aber aufgrund von formalen rechtlichen Bedenken am 21.September neu erlassen wurde und ab 7. Oktober in Kraft ist. Beide Verordnungen beinhalten inhaltlich identische Regelungen. Die Regelung gilt für ganz Berlin und hat auch in Milieuschutzgebieten Vorrang vor den bislang geltenden Regelungen des § 172 BauGB (siehe oben), wenn bestehende Wohngebäude mit mehr als fünf Wohnungen betroffen sind. Die Umwandlungsverordnung weist Berlin insgesamt als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt aus. Dies hat zur Folge, dass berlinweit für bestehende Wohngebäude mit mehr als fünf Wohnungen eine Genehmigungspflicht für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen besteht. Das bedeutet, dass eine Umwandlung in Eigentumswohnungen grundsätzlich verboten ist. Aber wie immer gilt, kein Grundsatz ohne Ausnahme. Eine Genehmigung kann erfolgen, wenn

  • das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Wohnungseigentum oder Teileigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll,
  • das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll,•das Wohnungseigentum oder Teileigentum zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter/innen veräußert werden soll,•auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls ein Absehen von der Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht mehr zumutbar ist oder
  • ohne die Genehmigung Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist. 

Die in der Praxis wohl relevanteste Ausnahme dürfte die geplante Veräußerung an mindestens zwei Drittel der Mieter/innen sein. Für diesen Fall bedarf es nach der Neuregelung des § 250 Absatz 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB einer verbindlichen (notariell beurkundeten) Erklärung von mindestens zwei Dritteln der Mieter/innen des betreffenden Wohnhauses, dass sie ihre Wohnungen im Fall der Umwandlung kaufen würden.

Die Umwandlungsverordnung gilt bis zum 31. Dezember 2025.

 

Bitte beachten Sie: Der Beitrag wurde im MieterEcho 421 / Dezember 2021 veröffentlicht und gibt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Drucklegung wieder!