MieterEcho

MieterEcho Sonderausgabe Juni 2006

Quadrat Das Ende der Schonfrist

Was tun, wenn eine Aufforderung zum Umzug kommt?

Irene Froböse

In Berlin werden für die Dauer eines Jahres ab Beginn des ALG-II-Leistungsbezugs die Mietkosten in tatsächlicher Höhe übernommen.
Für ALG-II-Empfänger/innen, die seit Anfang des Jahres 2005 diese Leistungen beziehen, war diese Schonfrist bereits im Januar 2006 abgelaufen. Für sie gelten nun die vom Berliner Senat in den Ausführungsvorschriften Wohnen (AV-Wohnen) festgelegten Richtwerte für so genannte "angemessene" Mieten. Diese legen, unabhängig von der Wohnungsgröße, Miethöchstgrenzen fest.

Was sind angemessene Mieten?

Als Richtwerte für angemessene Kosten wurden die unten in der Tabelle angegebenen Bruttowarmmieten (Nettokaltmieten zuzüglich Betriebs- und Heizkosten) festgelegt. Die Wohnungsgröße spielt bei der Überprüfung der Wohnkosten keine Rolle. Entscheidend ist die Höhe der Bruttowarmmiete.


Richtwerte für angemessene Wohnkosten
Haushaltsgröße Bruttowarmmieten
1 Person 360 Euro
2 Personen 444 Euro
3 Personen 542 Euro
4 Personen 619 Euro
5 Personen 705 Euro
jede weitere Person + 50 Euro

Quelle: Rundschreiben Nr. 14/2005 "Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II" (AV-Wohnen) vom 17.06.2005.


Müssen alle, die höhere Bruttowarmmieten zahlen, umziehen?

Nein, zunächst sollten Sie prüfen, ob die Möglichkeit der Untervermietung besteht. Eine Untervermietung ist zwar genehmigungspflichtig, aber eine Genehmigung muss in einem solchen Fall vom Vermieter erteilt werden, da ein "berechtigtes Interesse" vorliegt.

Es besteht auch die Möglichkeit, mit dem Vermieter über die Miete zu verhandeln. Dies sollten Sie unbedingt in Betracht ziehen, wenn Ihre Miete bereits über der Angemessenheit liegt, aber auch dann, wenn Ihnen eine Mieterhöhung zugeht, durch die die Mietobergrenze überschritten würde. Vermieter haben schließlich ein Interesse an Ihnen als Mieter/in.

Umziehen müssen Sie auch nicht, wenn Sie nachweisen können, dass Sie den über der Angemessenheit liegenden Betrag selbst finanzieren können, z. B. durch Einkünfte aus einem 1-Euro- oder Mini-Job.

Die AV-Wohnen lassen bei den so genannten Richtwerten (Mietobergrenzen) ausdrücklich Ausnahmen zu: Dies sind die Härtefallregelungen und die Möglichkeit einer Wirtschaftlichkeitsberechnung.

Die Härtefallregelungen legen fest, dass für bestimmte Personengruppen eine Überschreitung der Mietrichtwerte um bis zu 10% möglich ist. In besonders schweren Härtefällen soll in der Regel überhaupt keine Miethöchstgrenze gelten; die Miete soll dann in tatsächlicher Höhe übernommen werden.

Sollten Sie eine Umzugsaufforderung bekommen und unter die Härtefallregelungen fallen, müssen Sie unbedingt schriftlich die Genehmigung zur Überschreitung der Richtwerte beantragen.


Härtefallregelungen lt. AV-Wohnen

Überschreitung der Richtwerte um bis zu 10% möglich bei:

  • Alleinerziehenden
  • längerer Wohndauer (mindestens 15 Jahre)
  • wesentlichen sozialen Bezügen (Schulweg von Kindern, Betreuungseinrichtungen, Kitas)
  • über 60-jährigen Leistungsbeziehern
  • Schwangeren
  • Personen, die in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte haben
  • besonders begründeten Einzelfällen

In der Regel werden keine Maßnahmen zur Senkung der tatsächlichen Wohnkosten verlangt bei:

  • schwerer Krankheit oder Behinderung
  • über 60 Jahre alten Leistungsbeziehern nach
  • längerer Wohndauer
  • einmaligen oder kurzfristigen Hilfen
  • Alleinerziehenden mit zwei oder mehr Kindern

Quelle: Rundschreiben Nr. 14/2005 "Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II" (AV-Wohnen) vom 17.06.2005.


Was ist eine Wirtschaftlichkeitsberechnung?

"Ist die Miete für eine Wohnung als unangemessen bewertet worden, muss vor der Aufforderung, durch Wohnungswechsel die Aufwendungen für die Wohnung zu senken, eine Wirtschaftlichkeitsberechnung angestellt werden", so die AV-Wohnen. Das Jobcenter ist angehalten, für einen Berechnungszeitraum von zwei Jahren die Gesamtkosten der bisherigen Wohnung den Gesamtkosten einer angemessenen neuen Wohnung zuzüglich den zu übernehmenden Umzugskosten gegenüberzustellen. Als Berechnungsgrundlage für Umzugskosten zählen in der Regel die Kosten für einen Umzugswagen, Verpflegungskosten für mithelfende Personen und eine doppelte Mietzahlung. Übersteigen innerhalb des Berechnungszeitraums die Gesamtkosten eines Umzugs die Gesamtkosten der bisherigen Wohnung, kann der Umzug unterbleiben (s. auch Beispielrechnung auf S. 9). Sollten Sie trotz geringer Überschreitung der Mietrichtwerte eine Umzugsaufforderung bekommen, sollten Sie schriftlich eine Wirtschaftlichkeitsberechnung beim Jobcenter beantragen.

Muss ich umziehen, wenn Untervermietung, Verhandlung, Härtefallregelung oder Wirtschaftlichkeitsberechnung nicht zutreffen?

Sie müssen nicht in jedem Fall umziehen, denn es gibt noch eine letzte Möglichkeit, die überprüft werden sollte. Nicht selten sind nämlich die Betriebskosten falsch berechnet und zu hoch angesetzt. Es besteht daher eine Chance, dass durch eine Überprüfung der Betriebskostenabrechnung die Miethöhe gesenkt werden kann. Als Orientierungswerte für kalte und warme Betriebskosten gelten 2,25 bis 2,50 Euro/qm. Aber Vorsicht: In Berlin gibt es eine breite Spannweite innerhalb der Betriebskosten und nicht jede Überschreitung bedeutet automatisch eine falsche Berechnung. Dennoch bietet eine Überprüfung die Chance zur Umzugsvermeidung und Sie sollten diese Chance nutzen. Es besteht die Möglichkeit, eine Überprüfung der Betriebskostenabrechnung durch das Jobcenter zu beantragen. Mitglieder der Berliner MieterGemeinschaft können ihre Betriebskostenabrechnung in einer der Beratungsstellen überprüfen lassen.

Und wenn der Umzug unabwendbar ist?

In der Umzugsaufforderung wird in der Regel der Umzug innerhalb von sechs Monaten verlangt. In besonders begründeten Einzelfällen kann diese Frist um weitere sechs Monate verlängert werden. Diese Verlängerung der sechsmonatigen Frist muss beim Jobcenter beantragt werden.

Verlangt das Jobcenter einen Umzug, sind die Wohnungsbeschaffungskosten zu übernehmen. Die Erstattung dieser Kosten ist jedoch nur möglich, wenn das Jobcenter die vorherige Zusicherung dazu erteilt hat. Sie sollten sich daher vor dem Umzug die Übernahme der Wohnungsbeschaffungskosten vom Jobcenter schriftlich bestätigen lassen. Was zu den Wohnungsbeschaffungskosten zählt, ist in den AV-Wohnen detailliert geregelt.

Umzugskosten

In der Regel wird in den AV-Wohnen davon ausgegangen, dass der Umzug in Selbsthilfe organisiert wird. Erstattet werden die marktüblichen Kosten eines Mietfahrzeugs. Dazu kommen Kosten für die Beköstigung mithelfender Personen. Die Anzahl der mithelfenden Personen ist abhängig von der Haushaltsgröße, aber es wird von maximal vier helfenden Personen ausgegangen.

Kann ein Umzug nicht in Selbsthilfe organisiert werden, ist es möglich die Kostenübernahme für eine Umzugsfirma zu beantragen. Hierbei ist es sinnvoll, die Gründe für die Notwendigkeit eines Umzugs mithilfe einer Umzugsfirma darzulegen. Wenn das Jobcenter die Kosten für eine Spedition genehmigt, müssen Sie beim Jobcenter drei Kostenvoranschläge zur Prüfung und Bewilligung vorlegen.

Doppelte Mietzahlungen

Die AV-Wohnen regeln, dass doppelte Mietzahlungen, sofern im Einzelfall geboten, vom Jobcenter zu übernehmen sind. Wenn Sie davon betroffen sind, sollten Sie doppelte Mietzahlungen nachweisen und die Kostenübernahme beantragen.

Mietkautionen /Genossenschaftsanteile

Die AV-Wohnen weisen darauf hin, dass Mietkautionen und Genossenschaftsanteile im Fall der Beendigung eines Mietverhältnisses an die Mieter/innen zurückzuzahlen sind. Der vermögensrechtliche Status der einzusetzenden Gelder verändert sich somit nicht.

Mietkautionen und Genossenschaftsanteile werden daher nur vom Jobcenter übernommen, wenn

Wird zugesichert, dass die Mietkaution oder der Genossenschaftsanteil übernommen wird, erfolgt dies auf Darlehensbasis. Das bedeutet, dass der Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution oder des Genossenschaftsanteils an das Jobcenter abzutreten ist.

Übernahme weiterer Wohnungsbeschaffungs- und Renovierungskosten

Die Übernahme weiterer bei einer Wohnungssuche anfallenden Kosten wie z. B. Hinzuziehung eines Maklers, Kosten für Zeitungen, Fahrten und Telefon (aufgrund Wohnungssuche oder -besichtigungen) sind nicht ausdrücklich vorgesehen. Darüber hinaus ist festgelegt, dass keine Erstattung der Renovierungskosten, weder für die alte noch für die neue Wohnung, erfolgt. Renovierungskosten seien, so die Begründung, Schönheitsreparaturen, die aus dem Regelsatz zu bestreiten sind.

Wenn das Jobcenter den Umzug nicht verlangen würde, fielen die oben genannten Kosten jedoch gar nicht erst an. Für das ehemalige Sozialhilferecht entschied das Bundesverwaltungsgericht (BverwG 30.04.1992, FEVS 1993, 95), dass bei notwendigen, genehmigten Umzügen eine mietvertragliche Einzugs- bzw. Auszugsrenovierung von der Behörde übernommen werden muss. Eine Klage erscheint daher auch für ALG-II-Beziehende aussichtsreich. Es ist deswegen zu empfehlen, die entsprechenden Belege (Fahrtkosten, Renovierungskosten etc.) zu sammeln und einen schriftlichen Antrag auf Erstattung zu stellen. Bei Ablehnung dieses Antrags ist Widerspruch einzulegen und eventuell vor dem Sozialgericht zu klagen.

Wenn ich innerhalb des angegebenen Zeitraums keine angemessene Wohnung finde?

Sie müssen Ihre erfolglosen Bemühungen gegenüber dem Jobcenter nachweisen können. Es ist daher zu empfehlen, sich unter anderem an die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zu wenden. Können diese Ihnen keine angemessene Wohnung anbieten, müssen Sie sich dieses schriftlich bestätigen lassen. Bewahren Sie die Wohnungsanzeigen auf. Notieren Sie sich die Adressen der Hausverwaltungen und die Adressen der Wohnungen, die Sie erfolglos besichtigt haben. Nur wenn Sie eine vergebliche Suche nachweisen, muss das Jobcenter die Umzugsfrist verlängern und weiterhin die tatsächliche Miete zahlen.

Zum Abschluss: Sollten Sie eine Umzugsaufforderung bekommen, holen Sie sich die Unterstützung einer Beratungsstelle, z. B. in der kostenlosen Sozialberatung der Berliner MieterGemeinschaft. Die Sozialberatung ist auch für Nicht-Mitglieder offen.

*) Geschütztes Vermögen oder Schonvermögen = Sparvermögen von ALG-II-Beziehenden, welches nicht angerechnet werden darf. Nach Inkrafttreten des Optimierungsgesetzes zum 01.08.2006 darf dieses 150 Euro pro Lebensjahr betragen (z. Zt. noch 200 Euro).

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