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MieterEcho online 30.03.2013

Zwangsräumungen verhindern!

Proteste und Blockaden bei Räumungen mit Gerichtsvollziehern nehmen zu.

Obwohl es auf dem Berliner Wohnungsmarkt keine preiswerten Wohnungen mehr gibt, übernehmen die Jobcenter nicht einmal die Mieterhöhungen nach Mietspiegel. Alle beratenden Institutionen sind am Ende ihres Lateins, und selbst Profis in der Sozialberatung finden keine Lösungen mehr. Das „Geschützte Marktsegment“, ein vom Senat angeordneter Wohnungspool für „Härtefälle“, reicht schon lange nicht mehr aus, um Menschen in Not aufzufangen (Seite 8). Und wenn die Miete nicht mehr bezahlt werden kann, kommt am Ende die Zwangsräumung.

Es fing mit Nuriye Cengiz an. Sie hängte vor einem Jahr Plakate in ihr Fenster und kündigte an, nicht zu gehen. Der Hintergrund war die Privatisierung ihres Hauses, ein sozialer Wohnungsbau. Vor 10 Jahren hatte sie nach langem Suchen eine für Behinderte geeignete Wohnung gefunden, nun sollte sie raus. Daran entzündete sich die Solidarität. Ein Bündnis für Nuriye Cengiz organisierte sich und kritisierte öffentlich die Eigentümerin, die Falstaf Vermögensverwaltung AG.

Erfolgreiche Blockaden
Am 22. Oktober letzten Jahres wurde in Kreuzberg zum ersten Mal eine Räumung verhindert. Nachbar/innen und Aktivist/innen setzten sich vor die Haustür der Lausitzer Straße 8 und verhinderten die Zwangsräumung der Familie Gülbol. Ein zweiter Termin am 12. Dezember 2012 wurde aus „formellen Gründen“ abgesagt. Am 14. Februar diesen Jahres brauchte es 815 Polizisten, einen Hubschrauber und eine in Polizeiuniform verkleidete Gerichtsvollzieherin, die sich über ein Nachbargrundstück heranschlich.
A. aus der Thulestraße in Pankow hat 16 Jahre in seiner Wohnung gelebt. Dann entdeckte ein Investor das Grundstück und stellte einen Bauantrag für ein Einkaufscenter. Die Miete wurde direkt vom Jobcenter gezahlt. Ein Wechsel der Hausverwaltung nach dem Eigentümerwechsel brachte die Zahlung ins Stoppen. Der Investor beauftragte ein Anwaltsbüro am Kudamm. Zwischen der fristlosen Kündigung und der Zwangsräumung lag nicht einmal ein halbes Jahr. Eine Anwältin überprüft zurzeit die Rechtmäßigkeit der Räumung. Die Wohnung wird A. nicht mehr zurückbekommen.
Familie K. wohnt seit über 37 Jahren in Kreuzberg. Gekommen um zu arbeiten, ist der Kiez zu ihrer Heimat geworden. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft WBM wollte die über 70-Jährigen rauswerfen. Am 15. Januar machten Nachbar/innen ein Sit-In in der WBM. Die WBM lenkte ein, das Mietverhältnis wird fortgesetzt.
S. wohnt mit seiner Familie in einem Haus der GSW, einer ehemals städtischen und vom rot-roten Senat privatisierten Wohnungsbaugesellschaft. S. verdient zu wenig, um die Miete zahlen zu können. Er ist so genannter „Aufstocker“. Die GSW bestätigte ihm schriftlich, dass sie keine Wohnung für Mieter/innen anbietet, die Transferleistungen beziehen. Nur der Protest hat es ermöglicht, dass seine Zwangsräumung um zwei Jahre verschoben wurde.
Rosemarie F. lebt zur Miete in einer Eigentumswohnung in Reinickendorf, die zum 1. August letzten Jahres verkauft wurde. Die Eigentümerin machte keinen Hehl daraus, dass sie diese Mieterin loswerden will. Das Bündnis schickte offene Briefe an Abgeordnete und besuchte den zuständigen Stadtrat. Am 27. Februar 2013, dem Tag der geplanten Zwangsräumung, standen 200 Unterstützer/innen von Rosemarie F. vor der Tür. Die Schlösser waren bereits ausgetauscht, da kam der Anruf des Gerichts an die Gerichtsvollzieherin: Heute keine Zwangsräumung!

Gewalttätigster Akt der Verdrängung
Das Bündnis sieht in Zwangsräumungen nicht als Resultat von „Versagen und Versäumen“ einzelner Mieter/innen. Eine Zwangsräumung ist der gewalttätigste Akt der Verdrängung und resultiert aus der strukturellen Ungerechtigkeit der Gesetze und Verhältnisse. Dagegen wehrt sich das Bündnis gegen Zwangsräumungen mit Aktionen. Denn das soziale Drama der Zwangsräumung kann auch als eine Geschichte von sozialer Repression und Ausschluss erzählt werden, für die der Eigentümer und die Politik verantwortlich ist. Solidarität, Öffentlichkeit und Formen des zivilen Ungehorsams sind unsere Antwort.

[Karin Baumert vom Bündnis gegen Zwangsräumungen, ME 359]

 

Weitere Infos:
www.zwangsraeumungverhindern.blogsport.de

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