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MieterEcho online 10.12.2013

Berlin greift durch

In den letzten fünf Jahren setzten die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften Tausende Mieter/innen auf die Straße.


Im Herbst letzten Jahres rühmte sich der rot-schwarze Senat noch mit der Schaffung seines „Bündnisses für bezahlbare Mieten“. Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) sagte damals: „Zusammen mit den sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften haben wir mit dem Mietenbündnis ein Instrument der sozialen Wohnungspolitik erarbeitet und umgesetzt, durch das wir positiv auf die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt einwirken können.“ Auch in ihrem im September vom Abgeordnetenhaus verabschiedeten Wohnungsbaukonzept hob die Koalition auch auf die Verantwortung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ab (MieterEcho Nr. 363/Oktober 2013).


Zu den Verpflichtungen, die die Wohnungsbaugesellschaften Gesobau, Degewo, Gewobag, Stadt und Land, WBM und Howoge mit dem Beitritt zum Mietenbündnis eingegangen sind, zählt auch die Modernisierung ihrer Bestände. Bei Modernisierungen seien die Mieter/innen „umfassend“ einzubeziehen. Sollten Mieter/innen sich allerdings nicht freiwillig einbeziehen lassen, reagieren die Wohnungsbaugesellschaften wie private Vermieter auch: Sie verklagen die Mieter/innen auf Duldung der Maßnahmen. Gleiches gilt für Mietrückstände, die in einer gerichtlich durchgesetzten Zwangsräumung münden können. Seit 2009 gab es pro Jahr rund 3000 Klagen der Wohnungsbaugesellschaften gegen ihre Mieter/innen. Dies geht aus der Antwort des Staatssekretärs der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Ephraim Gothe (SPD), auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (Piraten) hervor. Die Gründe für die Auseinandersetzungen sind dabei unterschiedlich: „Neben Klagen, die aus der Durchsetzung von nachbarschaftlichem Recht entstehen, wurden u. a. Klagen auf Duldung von Modernisierungsmaßnahmen geführt sowie Klagen auf Zahlung von Mietrückständen einschließlich ausstehender Kautionszahlungen.“

4600 Zwangsräumungen seit 2009


Die Klagen auf die Zahlung von Mietrückständen würden „in letzter Konsequenz auch Klagen auf Räumung“ der Wohnung beinhalten. Dies sei der Fall, wenn sich mit den jeweiligen Mieter/innen nicht auf Ratenzahlungen geeinigt werden konnte oder  Hilfsangebote abgelehnt würden. Insgesamt setzten die Wohnungsbaugesellschaften seit 2009 rund 4600 Zwangsräumungen durch. Im Jahr 2012 waren es allein über 1000. Für 2013 gibt der Senat eine Zahl von insgesamt 505 Zwangsräumungen an, wobei in diese Aufstellung nur die Räumungen bis zum 31. August des Jahres eingingen. Die ebenfalls landeseigene Berlinovo, die ca. 21.000 Wohnungen und Appartements in Berlin aus den Skandal-Immobilienfonds der Bankgesellschaft Berlin unterhält, ließ von 2009 bis 2013 530 mal zwangsräumen. Die Gründe für die Räumungsklagen sind laut Senat „fast immer ein entsprechend hoher Mietrückstand“, aber auch unerlaubte Untervermietung, Lärmbelästigungen oder Verwahrlosung. Dass die überwiegende Zahl der Räumungsklagen auf Zahlungsrückstände zurückzuführen sei, habe seinen Grund darin, dass „mit den Betroffenen trotz Bemühungen kein gemeinsamer Weg zum Ausgleich der Mietschulden gefunden werden konnte.“ Hier sieht der Senat die betroffenen Mieter/innen in der Verantwortung, denn diese kümmerten sich in vielen Fällen nicht rechtzeitig um Hilfestellungen, die die Wohnungsbaugesellschaften „in jedem konkreten fall“ anbieten würden. Dabei sei man aber auf die Kooperationsbereitschaft  der Betroffenen angewiesen, die jedoch nicht immer gegeben sei. Dennoch sei das Ziel der Wohnungsbaugesellschaften und ihrer „Forderungsmanager“ der Erhalt der jeweiligen Wohnung und eine „nachhaltige Rückstandsreduzierung“. Zur Unterstützung werde auch eine Mietschuldenberatung angeboten. Bei den Räumungen selbst werde dann versucht mit „Augenmaß und Unterstützungs- und Beratungsangeboten“ zu reagieren. Mittlerweile gehe die Zahl der Zwangsräumungen nach Angaben der Wohnungsbaugesellschaften zurück.

Benedict Ugarte Chacón

 

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