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MieterEcho online 09.11.2017

Geflüchtete Menschen brauchen endlich Wohnungen – so wie alle anderen auch

Wie schön klang es doch in der rot-rot-grünen Koalitionsvereinbarung: „Die Koalition verfolgt ein Konzept, mit dem die Unterbringung geflüchteter Menschen kleinteilig und dezentral in Wohnungen gewährleistet wird.“ Ein Jahr danach ist davon nichts zu sehen. Stattdessen sucht der Senat Standorte für sogenannte MUFs – Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge. Aktuell zum Beispiel in Tempelhof-Schöneberg.

MUFs sind keine Wohnungen, sondern Gemeinschaftsunterkünfte, deren Hersteller eine Nutzungsdauer von 80 Jahren garantieren. Sie bestehen aus mehreren Wohnmodulen für jeweils 15 Bewohner/innen mit Gemeinschafts-Sanitärbereich, Gemeinschaftsküche und gemeinschaftlichem Essraum. In Tempelhof-Schöneberg soll mindestens eine solche Unterkunft errichtet werden. Das Bezirksamt befürchtet, der Senat könne eine ehemalige Bezirksgärtnerei am Diedersdorfer Weg in der Marienfelder Feldmark dafür beanspruchen, denn auf diesen Standort hatten sich im Frühjahr 2016 – zu rot-schwarzen Zeiten – Bezirk und Land bereits geeinigt. Um den Erhalt des Gebiets als Naturraum bemüht sich seit 1985 eine Bürgerinitiative, die seit einigen Jahren auch Bezirksgruppe des BUND ist. Zum Wohnen ist das Grundstück schon deswegen vollkommen ungeeignet, weil es abseits gelegen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen ist.

Das Bezirksamt schlägt dem Senat nun vier alternative Standorte vor: Mit erster Priorität einen Platz auf dem Grundstück des Mariendorfer Kombibads am Ankogelweg, wo bis zu 360 Menschen untergebracht werden könnten. Ebenfalls erste Priorität hat ein Privatgrundstück in der Röblingstraße in Tempelhof. Zwei weitere Grundstücke in der Eisnerstraße in Lichtenrade und in der General-Pape-Straße in Tempelhof sollen erst mit zweiter und dritter Priorität verfolgt werden. Ein entsprechender Vorschlag des Bezirksamts wurde von der Bezirksverordnetenversammlung an mehrere Ausschüsse überwiesen. In der entsprechenden Drucksache wird das Thema als technische Standortfrage abgehandelt, hinter der die Menschen, die als Schutzsuchende in diese Stadt gekommen sind, nicht mehr sichtbar sind.

Der Berliner Flüchtlingsrat sieht die Ankunft von Geflüchteten als Chance. Seit 2015 fordert er immer wieder „Sozialen Wohnungsbau in großem Stil“ und den Zugang zu normalen Wohnungen für alle, statt Flüchtlinge auszugrenzen und immer nur neue Containerlager und Obdachlosenunterkünfte zu errichten. Die Sozialbindung müsse auf Dauer angelegt sein und Asylsuchenden dürfe der Wohnberechtigungsschein nicht länger verweigert werden [Quelle].

Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten betont in den Informationen zu den MUFs auf seiner Website: „die modulare Bauweise ermöglicht eine spätere Umwandlung der Wohnheime in reguläre Wohnungen.“ [Quelle] Warum erst später? Georg Classen vom Flüchtlingsrat ist sich sicher, dass es zu gleichen Kosten möglich wäre, von Anfang an abgeschlossene Wohneinheiten zu errichten, daher solle eine solche Planungsänderung vom Senat verlangt werden, ebenso wie „Klingeln, Briefkästen, und der Verzicht auf ein separates Wachschutzgebäude und auf die Umzäunung.“ Zusätzlich weist er darauf hin, dass es wichtig sei, auch „innerstädtische Standorte mit guter Verkehrsanbindung zu benennen, statt MUFs vor allem am östlichen Stadtrand zu bauen.“

Warum will der Senat die MUFs als Gemeinschaftsunterkünfte anlegen? Geht es um bewusste Diskriminierung und Abschreckung? Diese Vermutung liegt nahe, wenn es beim Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten weiter heißt: „Wird das Gebäude nicht mehr als reine Flüchtlingsunterkunft benötigt, sieht das Nachnutzungskonzept vor, den Wohnraum für andere Bevölkerungsgruppen zu öffnen, z.B. Studenten oder einkommensschwache Familien.“ Anscheinend sollen die MUFs später zu Wohnungen umgebaut werden. Aber vielleicht wird auch den Nachnutzenden eines Tages zugemutet, in Unterkünften statt Wohnungen zu leben. Denn nach dem Motto „teile und herrsche“ richtet sich Marginalisierung und Entrechtung oft zuerst gegen die Schwächsten, Wehrlosesten, und dann schrittweise gegen immer weitere Leidtragende. Die Errichtungen von Wohnungen jetzt, dauerhaft bezahlbar für alle, wäre eine prima Alternative.