MieterEcho online 08.09.2013
Wasserbetriebe: Wenn Rekommunalisierung, dann auch Demokratisierung!
In Berlin steht die Rekommunalisierung der 1999 an ein Konsortium der Konzerne RWE und Veolia verkauften Berliner Wasserbetriebe (BWB) unmittelbar bevor. Nachdem RWE sich im Herbst des vergangenen Jahres für über 650 Millionen Euro vom Land aus den Wasserbetrieben herauskaufen ließ, verhandelt nun Veolia mit dem Senat um einen Rückkauf.
Zu der von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) verfolgten Rückkaufstrategie gibt es geteilte Meinungen. So begrüßt der „Berliner Wassertisch“, der 2011 den erfolgreichen Volksentscheid zur Veröffentlichung der bis dahin geheim gehaltenen Teilprivatisierungsverträge initiiert hatte, den Rückkauf als Schritt in die richtige Richtung, übt jedoch scharfe Kritik an den Modalitäten dieser Transaktion. Zwar hatte der Wassertisch immer für eine Rekommunalisierung gekämpft – allerdings zu anderen Konditionen und schon gar nicht in Verbindung mit einem „goldenen Handschlag“ für Veolia. Der Rückkaufpreis soll mit rund 700 Millionen Euro diesmal noch höher liegen, als der Preis für die RWE-Anteile. Eine kostengünstige Rückabwicklung der Teilprivatisierung durch juristische Verfahren hatte bislang jedoch keinen Erfolg.
Auf einer Pressekonferenz am 5. September trug die Initiative ihre Vorstellungen und Ideen für eine zukünftige transparente, sozial gerechte, ökologisch nachhaltige und partizipative Wasserpolitik und Siedlungswasserwirtschaft vor. Dabei lud sie alle Berlinerinnen und Berliner zur Mitwirkung an deren konkreten Ausgestaltung ein.
Als erstes konkretes Projekt stellte die Initiative einen Vorschlag für eine „Berliner Wassercharta“ zur öffentlichen Diskussion. Die Charta ist eine Weiterentwicklung der Grundsätze der Europäischen Wassercharta von 1968, der Wiener Wassercharta von 2001 und der im Rahmen einer AG des Berliner Wassertischs seit 2011 erarbeiteten Vorstellungen. Sie soll als Leitlinie für das Handeln erneuerter und ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichteter Wasserbetriebe in Berlin dienen. Es soll der Grundsatz gelten, dass das Wasser für alle erschwinglich sein muss. Die Verbraucher sollen nur Gebühren bezahlen, mit denen die Kosten der Einrichtung gedeckt sowie Rücklagen für die wirtschaftliche und technische Entwicklung gebildet werden können – also keine Gewinne für den Landeshaushalt erwirtschaftet werden. Eine erneute Privatisierung oder Teilprivatisierung der Wasserbetriebe soll Charta kategorisch ausgeschlossen werden. Auch wird eine demokratische Beteiligung und Kontrolle durch die Bürger/innen als wichtiger Grundsatz beschrieben.
Viele Punkte zielen zudem auf eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung für Berlin ab. Die Wassercharta soll nach einem breiten gesellschaftlichen Dialog – so die Vision des Berliner Wassertischs – als Grundlage gesetzlicher Bestimmungen und als Wegweiser für die Berliner Wasserbetriebe zur dienen.
Darüber hinaus will der Wassertisch die Bildung eines demokratischen Bürgerbeteiligungs- und Kontrollgremiums – einen „Berliner Wasserrat“ – auf den Weg bringen.
Hierbei soll sich auf Erfahrungen zum Beispiel aus Paris gestützt werden. Dort wird seit 2010, nach 25 Jahren privater Beteiligung, die Wasserversorgung der Stadt wieder alleinig durch die öffentliche Hand organisiert. Sowohl der neue Verwaltungsrat als auch ein spezielles Beteiligungs- und Kontrollgremium („Observatoire de l'eau“) sind mit verschiedenen Interessenvertretern von Parlament, Beschäftigten, Verbrauchern, Umweltschutz und anderen besetzt.
Der Wassertisch kündigte an, in den kommenden Monaten weitere Themenfelder intensiv zu bearbeiten. So gelte es, zur Kontrolle der Investitionstätigkeit der Wasserbetriebe ein öffentliches Investitionsmonitoring zu etablieren. Noch im Herbst dieses Jahres soll es eine breite Veranstaltung zu den Vorschlägen der Bürgerinitiative geben.
[Mathias Behnis]
Weitere Informationen unter: www.berliner-wassertisch.net