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MieterEcho online 22.10.2019

Bestätigung des Vorkaufsrechts für die Heimstraße 17 in zweiter Instanz

Am 22. Oktober 2019 fand vor dem 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin (OVG) die Berufungsverhandlung im Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts für die Heimstraße 17 in Kreuzberg statt. Es war bereits der zweite Termin, weil die ursprünglich für den 12. September 2019 angesetzte Verhandlung wegen eines Ladungsfehlers des Gerichts verschoben werden musste.
In dem Fall geht es um grundlegende Fragen der Rechtsmäßigkeit des bezirklichen Vorkaufsrechts, darum hat das Kammergericht das Berufungsverfahren in einem zwar etwas anders gelagerten, aber juristisch vergleichbaren Verfahren (Großgörschen-/Katzlerstraße in Schöneberg, siehe MieterEcho online, 27.03.2017), zurückgestellt, um das Urteil zur Heimstraße 17 abzuwarten.
In der heutigen Verhandlung wies der Vorsitzende Richter darauf hin, dass es sich beim OVG um eine Zwischeninstanz handelt, da davon auszugehen sei, dass das Verfahren in die nächste Instanz vor das Bundesverwaltungsgericht gehen würde.


Zum Fall Heimstraße 17
Das 1889 erbaute Wohngebäude mit etwa 1.400 qm Wohnfläche wurde 2004 modernisiert. Dafür wurden öffentliche Fördermittel eingesetzt, die mit der Auflage von Beschränkungen der Miethöhe und Belegungsbindungen bis ins Jahr 2026 verbunden sind. Die Miethöhe liegt durchschnittlich bei 5,79 Euro nettokalt.
Die Berufungsklägerin, die POHL & PRYM Grundstücksgesellschaft mbH & Co. Kreuzkölln KG, erwarb die Immobilie im Mai 2017. Am 12. Juni, mit der Einreichung des Kaufvertrags beim Bezirk, begann die Zweimonatsfrist zur Ausübung des Vorkaufsrechts. Die vom Bezirk angebotene Abwendungsvereinbarung lehnte der Erwerber ab. Daraufhin nahm der Bezirk am 11. August sein Vorkaufsrecht zugunsten der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) wahr. Dagegen klagte die Erwerberin, unter anderem mit der Begründung, dass er durch die förderrechtlichen Auflagen ohnehin an die Ziele des Milieuschutzes gebunden sei. Am 17. Mai 2018 unterlag er vor dem Verwaltungsgericht (siehe MieterEcho online, 17.05.2018).
Die Klägerin ist eine von mehreren Projektgesellschaften des Immobilienunternehmens Pohl & Prym. Das Verwaltungsgericht hatte seine Klageabweisung damit begründet, dass „die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung durch Modernisierungen und Wohnungseigentumsbildung gefährdet“ sei. Die Klägerin habe in der Vergangenheit bereits häufiger eine Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen praktiziert, „denn die große Zahl der im Internetauftritt ... angeführten Projekte sind durch Teilung und Verkauf von Wohnungseigentum verwirklicht worden“.


Rechtliche Grundsatzfragen
In der Berufungsverhandlung vor dem OVG ging es um grundsätzliche Fragen. Soziale Erhaltungssatzungen, mit denen Milieuschutzgebiete ausgewiesen werden, sind keine Instrumente zum Schutz einzelner Mieter*innen, sondern es soll die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus städtebaulicher Perspektive geschützt werden. Im Verfahren war nun aus baurechtlicher Sicht anhand des Baugesetzbuch (BauGB) zu klären, ob erstens die Voraussetzungen für ein Vorkaufsrecht gegeben sind, ob es zweitens  Tatbestände gibt, die gegen ein Vorkaufsrecht sprechen, und ob drittens das Vorkaufsrecht zugunsten eines Dritten ausgeübt werden kann.
Die Rechtsanwälte der Klägerin behaupteten mehrfach, es bestünde keinerlei Verdrängungsgefahr, das Gebäude würde im Sinne der Milieuschutzverordnung genutzt und die Investoren würden sich mit der derzeit erzielbaren Rendite von vier Prozent zufriedengeben und keine Veränderungen anstreben. Sie kritisierten, dass die Abwendungsvereinbarung ihnen mehr als das rechtlich Erforderliche auferlegt hätte. Allerdings war bereits im Kaufvertrag die Erlaubnis zur vorzeitigen Aufteilung in Eigentumswohnungen mit der Verkäuferin vereinbart worden. Dieser Tatbestand war bereits in der Urteilsbegründung der ersten Instanz herangezogen worden.
Der Rechtsanwalt des Berliner Senats wies darauf hin, dass durch Gentrifizierung und Verdrängung, sowie die „Herausmodernisierungen“, insbesondere in der Innenstadt, fast unlösbare städtebauliche Probleme geschaffen würden. Daher sei die Abwendungsvereinbarung zumutbar gewesen, denn damit sei nur das ausgeschlossen worden, was zur Aufwertung führen würde, insbesondere die Aufteilung in Eigentumswohnungen. Er äußerte auch sein Erstaunen über die Klage, denn der unterlegene Erstkäufer habe keinerlei Schaden durch das Vorkaufsrecht. Dem widersprach der Vertreter von Pohl & Prym, und behauptete, er habe Grunderwerbsteuer gezahlt und sei Kreditbindungen eingegangen – das entkräftete der Senatsvertreter jedoch sogleich mit dem Argument, dass diese Kosten ja durch die Prozessführung in Kauf genommen wurden.
Die Erörterungen gingen dann tief in baurechtliche Grundsatzfragen, die an dieser Stelle zu weit führen würden. Auffällig war, wie die Anwälte der Ersterwerberin immer wieder ihren Ärger ausdrückten, sich inhaltlich häufig wiederholten, jedoch meist bei unbelegten Behauptungen blieben. Die als Verkäuferin der Immobilie beigeladene GbR hatte auf eigene Einlassungen verzichtet.

 

Grundsatzentscheidung zugunsten des Vorkaufsrechts

Nach ausführlichen rechtlichen Abwägungen in der etwa zweieinhalbstündigen Verhandlung entschied das Gericht noch am gleichen Tag und verkündete die Zurückweisung der Berufung und somit die Bestätigung des Vorkaufsrechts: „Es handele sich dabei nicht um eine Enteignung, sondern um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertige die Ausübung des Vorkaufsrechts für das Mietshaus in der Nähe des Chamissoplatzes. Die sozialen Erhaltungsziele würden gefördert. Ohne die Ausübung des Vorkaufsrechts seien erhaltungswidrige Entwicklungen nach Lage der Dinge vernünftigerweise zu befürchten, insbesondere die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und bauliche Maßnahmen, die geeignet seien, über Mieterhöhungen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu verändern. Es liege auch kein gesetzlicher Ausschlussgrund für die Ausübung des Vorkaufsrechts vor. Die zu erwartenden Nutzungen des Erwerbers seien hierbei ebenfalls zu berücksichtigen.“


Elisabeth Voß

 

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