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MieterEcho online 11.08.2014

Kein Platz für Studis

Der Senat versprach im letzten Jahr großspurig die Schaffung von 5.000 neuen Wohnheimplätzen für Studierende, doch die Umsetzung hapert.
Im April letzten Jahres hatten sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und die Geschäftsführerin des Berliner Studentenwerks, Petra Mai-Hartung, zu einem Gespräch getroffen, um die Wohnsituation für Studierende zu erörtern. Nach dem Treffen ließ Wowereit eine Erklärung veröffentlichen, in der das Ziel festgehalten ist, „in den kommenden Jahren zusätzliche Kapazitäten in Hochschulnähe zu schaffen und damit schrittweise die Zahl der in Berlin zur Verfügung stehenden Wohnheimplätze um bis zu 5.000 zu erhöhen.“ Erst ein Jahr später konnte sich der Senat zu einem entsprechenden Beschluss durchringen und kündigte an, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gemeinsam mit dem Studentenwerk neuen Wohnraum für Studierende schaffen sollen. Die bisherigen Ergebnisse sind jedoch recht mager.

Es werde immer deutlicher, heißt es in Wowereits Erklärung vom April 2013, dass die Konkurrenz auf dem privaten Berliner Wohnungsmarkt immer härter werde. Mit zusätzlichen Wohnheimplätzen könne hier für eine Entlastung gesorgt werden. Der Senat werde deshalb „alles dafür tun, zusätzliche Kapazitäten zu ermöglichen und das Studentenwerk bei seinen Anstrengungen in die Richtung zu unterstützen“. Er selbst habe nun die Senatsverwaltung für Finanzen darum gebeten, gemeinsam mit dem Liegenschaftsfonds landeseigene Grundstücke zu identifizieren, die als geeignete Baugrundstücke infrage kämen.


Studentenwerk will günstige Mieten sichern


Im Wintersemester 2013/2014 studierten in Berlin rund 165.000 Menschen. Laut Studentenwerk gibt es 9.500 Wohnheimplätze, was 6,1% der Zahl der Studierenden entspreche, wie Mai-Hartung bei einer Anhörung des Wissenschaftsausschusses im Abgeordnetenhaus am 30. April dieses Jahres sagte. Mit dem Wegfall des großen Wohnheims am Hafenplatz in Kreuzberg Ende 2018 würde diese Quote auf 5,6% sinken. Laut Studentenwerk beträgt die durchschnittliche Versorgung mit Wohnheimplätzen bundesweit rund 11%. Um auf diese Zahl aufzuschließen, sei die Erhöhung der vorhandenen Plätze um die genannten 5.000 notwendig. Laut der letzten Sozialerhebung gäben die Studierenden 35% ihres Einkommens für die Miete aus. Dem Studentenwerk sei deshalb prinzipiell daran gelegen, zu sozialen Preisen zu vermieten. Die „absolute Schmerzgrenze“ sei bei einer Miete von 350 Euro erreicht. In der Vergangenheit habe man zwar Projekte mit privaten Investoren geprüft, mit deren Renditeerwartung seien solche Miethöhen allerdings nicht mehr zu einzuhalten. Für die vom Senat gewünschte Zusammenarbeit mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sei demnach wichtig, dass „eine soziale und auch für die Studierenden bezahlbare Miete“ herauskomme. Ende Juli teilte das Studentenwerk mit, dass zehn Wochen vor Beginn des Wintersemesters 2014/2015 bereits rund 1.000 Studierende auf einen Wohnheimplatz warteten. Der „große Ansturm“ war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch gar nicht losgebrochen, da die Universitäten und Hochschulen ihre Zulassungsbescheide noch gar nicht vollständig verschickt hatten.

Keine konkreten Zahlen

Auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Katrin Schmidberger (B90/Grüne) antwortete die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Ende März dieses Jahres, dass eine Senatsvorlage erarbeitet werde, die „wesentliche Eckpunkte zur Schaffung zusätzlichen studentischen Wohnraums“ enthalte. Der Liegenschaftsfonds habe dem Studentenwerk mittlerweile auch eine Liste mit geeigneten Grundstücken übergeben. Für fünf davon seien bereits erste Baukörperplanungen und Kostenschätzungen erstellt worden. Dabei handelt es sich um Grundstücke im Wedding sowie in Pankow und Steglitz, auf denen im besten Fall knapp über 600 Wohnheimplätze geschaffen werden könnten. Angesichts des hohen Bedarfs ein eher mageres Resultat. Und trotz der eingesetzten Planungen und Kostenschätzungen sei die „Frage der Realisierung (…) jedoch im Rahmen der Senatsvorlage zu klären“. Am 29. April dieses Jahres erklärte der Senat schließlich, dass er auf Vorlage der Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) beschlossen habe, das Angebot an studentischem Wohnraum zu erhöhen. Hierzu sollen die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften herangezogen werden, die die Wohnung errichten und dann dem Studentenwerk zur Bewirtschaftung überlassen sollen. Die Wohnungsbaugesellschaften sollen hierfür unentgeltlich landeseigene Grundstücke erhalten, notwendige Kredite aufnehmen, die Bauvorhaben durchführen und anschließend mit dem Studentenwerk entsprechende Verträge aushandeln. Grundsätzlich kämen die Wohnungsbaugesellschaften aber auch selbst als Vermieter infrage. Wie hoch die Kredite sein würden, die die Wohnungsbaugesellschaften künftig aufnehmen müssten, konnte Senat zumindest Anfang Juli noch nicht sagen.

Doch keine 5.000 neuen Wohnheimplätze?

Vom ursprünglich verkündeten Ziel, 5.000 neue Wohnheimplätze zu schaffen, ist der Senat aber anscheinend wieder abgerückt. Auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Martin Delius (Piraten) antwortete er, dass er im April zwar beschlossen habe, dass „zusätzlicher studentischer Wohnraum geschaffen werden soll. Eine Zielzahl wurde dabei jedoch nicht festgelegt“. Mittlerweile hätten Gespräche zwischen dem Studentenwerk, den Senatsverwaltungen für Finanzen sowie für Stadtentwicklung, dem Liegenschaftsfonds und den Wohnungsbaugesellschaften Howoge, Gesobau und Gewobag stattgefunden. Bei diesen wurden laut Senat bereits erste Festlegungen bezüglich einer Zielmiete von 300 Euro bruttowarm getroffen. Die Wohnungsbaugesellschaften sollen nun gemeinsam mit dem Studentenwerk eine Modellrechnung zu einem Grundstück erstellen, aus der sich dann auch Zeitpläne ergeben sollen, wann die ersten neuen Wohnheimplätze angeboten werden können. Ob diese „Zielmiete“ tatsächlich eingehalten wird, kann bezweifelt werden. So gab Senatorin Scheeres in der oben erwähnten Anhörung im Wissenschaftsausschuss an, dass dem Senat daran liege, die von Studentenwerk und Wohnungsbaugesellschaften errichteten Wohnungen kostendeckend anzubieten. Das heißt, eine wie auch immer geartete Subvention des Wohnungsbaus durch die öffentliche Hand schließt Scheeres demnach aus. Hierfür spricht auch, dass Senat und Regierungskoalition entgegen aller hehren Ankündigungen in den Doppelhaushalt 2014/2015 keine Mittel zur Schaffung von neuem Wohnraum für Studierende eingestellt haben. Wann überhaupt mit dem Bau begonnen wird und ab wann die Wohnheimplätze schließlich zur Verfügung stehen werden, konnte der Senat dem Abgeordnetenhaus ebenfalls bis Juli nicht berichten. Auf eine weitere Anfrage von Delius antwortete er, er könne hierzu nichts Genaues mitteilen, weil sowohl die Bauleitplanung als auch die Genehmigungen in der Verantwortung der jeweiligen Bezirke lägen. Die Bedingungen, unter denen das Studentenwerk die errichteten Wohnungen schließlich übernehmen soll, sind zurzeit ebenfalls noch unklar. Laut Senat könnten die vertraglichen Bedingungen erst geklärt werden, wenn Erstellungs- und Baukosten bestimmt werden könnten, die die Grundlage für Studentenwerk und Wohnungsbaugesellschaften bildeten, um das „optimale Bewirtschaftungsverfahren zu verabreden“.

Kritik von Studierenden

Harsche Kritik an der Vorgehensweise des Senats kommt von der Landesastenkonferenz Berlin (LAK) und dem Bündnis „Studis gegen hohe Mieten“. Seit Jahren warte man auf konkrete Lösungen und reale Hilfestellungen der Landesregierung. Es bestehe der „diffuse Verdacht“, dass der Senat „gar kein Interesse an einer tatsächlichen Entspannung auf dem Wohnungsmarkt hat“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung vom 5. Mai dieses Jahres. Während die Politik ihre Dialogbereitschaft mit den Betroffenen nur vorspiele, „fallen studierendengeeignete Wohnungen im Pankower Wahlkreis der Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft Sandra Scheeres teuren Sanierungen zum Opfer. Diese Wohnungen verschwinden wie viele andere nachhaltig vom ‚studentischen’ Wohnungsmarkt, während weiterhin kein einziger der versprochenen 5.000 zusätzlichen Wohnheimplätze geschaffen, geschweige denn bezugsfertig ist“.

Benedict Ugarte Chacón

Weitere Informationen:
Das MieterEcho 362 / September 2013 berichtete unter dem Titelthema „Zwischen Gästesofa und Turnhalle – Wohnungsmangel bei Studierenden“.

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