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MieterEcho online 01.02.2020

Samwer-Bruder plant Neubau auf den Uferhallen

Investoren stellen Bebauungspläne vor, Künstler/innen fürchten Verdrängung

Volles Haus im Stadtentwicklungsausschuss der BVV Mitte. Rund 60 Kreative und Unterstützer/innen des Weddinger Kunst- und Kulturstandortes Uferhallen kamen am Mittwochabend ins Rathaus Mitte. Der Bezirk hatte die Uferhallen AG geladen, die ihre Pläne Areal vorstellte. Neubauten mit einer Gesamtfläche von 16.000m² planen die Investoren für das Gelände. Der Entwurf des Architektenbüros Ortner und Ortner Baukunst, das auch den Wettbewerb für den Neubau des Siemenscampus in Spandau gewann und das Wohnhochhaus Alexander Capital Tower am Alexanderplatz entwarf, sieht ein bis zu 45 Meter hohen Turm, sechs mehrgeschossige Neubauten und einige Geschossaufstockungen vor. Größere Abrisse sind auf dem weitgehend denkmalgeschützten Gelände nicht vorgesehen. Die Ateliers und Kulturstätten auf dem Areal sollen erhalten bleiben, aber umfassend instandgesetzt und modernisiert werden. Die mehr als 150 auf dem Areal arbeitenden und wohnenden Kulturschaffenden fürchten eine Verdrängung durch steigende Mieten und forderten eine langfristige Sicherung der kulturellen Nutzung durch einen Erbpachtvertrag mit mindestens 60 Jahren Laufzeit. Zudem schlugen sie eine Teilung des Geländes vor. Die Eigentümer lehnten diese Vorschläge ab. Das Bezirksamt stellte die Aufstellung eines Bebauungsplans und den Abschluss eines städtebaulichen Vertrags in Aussicht.

Zu Beginn der Sitzung wies Baustadt Eprahim Gothe (SPD) auf die Geschichte der Uferhallen hin, die bis 2006 in der Hand der BVG und im Zuge der Privatisierungswelle der 2000er Jahre verkauft wurde. Die neuen Eigentümer/innen entwickelten das Areal zu einem kunstaffinen Standort mit niedrigen Mieten. 2017 übernahm die Augustus Capital Management GmbH, ein Asset Management Unternehmen an dem einer der Samwer Brüder beteiligt ist, das Gelände in einem Bieterverfahren zum Höchstgebot von 30 Millionen Euro. Es ist die bereits vielfach erzählte Geschichte in der die kreative Nutzung eines ehemaligen Industriegeländes zum Vehikel der Inwertsetzung und schließlich zur bloßen Kulisse der Kapitalverwertung wird. Seither führen der Bezirk, Investoren und Vertreter der Künstler/innen Verhandlungen über ein zukünftiges Nutzungskonzept. Der Vorstand der Uferhalle AG Felix Fessart stellte zu Beginn seines Vortrags klar: „Wir sind Eigentümer die nicht verkaufen“. Man teile die Forderungen der Künstler/innen nach Selbstverwaltung, Bezahlbarkeit und Langfristigkeit. Ein Dissens bestehe aber über die konkreten Inhalte die sich dahinter verbergen. Ziel der Investoren sei es den Kulturstandort weiter zu befördern und durch Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen sowie einen Atelierinnenausbau eine langfristige Nutzbarkeit der bestehenden Flächen als Ateliers sicherzustellen. Fessart machte klar, dass während der Bauphase mehrfache Umsetzungen von Werkstätten notwendig seien. Die Künstler/innen sollten aber während der gesamten Bauphase auf dem Areal bleiben können. Ob die angesichts der Beschwerlichkeiten mehrfacher Umzüge aber bleiben können, wird sich zeigen. Als Betreiberin soll eine gemeinnützige Gesellschaft eingesetzt werden die individuelle Einzelmietverträge mit Laufzeiten zwischen einem und 20 Jahren abschließen soll. Zu den angestrebten Miethöhen machte der Eigentümer keine genauen Angaben. Ein erstes Angebot in Höhe von 8 Euro/m², das weitere Aufschläge von 4,50 Euro/m² sowie einer jährlichen Staffelung vorsah, hatten die Kreativen als nicht leistbar abgelehnt. Derzeit beläuft sich die mittlere Miete auf 4,20 Euro netto kalt bei einer durchschnittliche Ateliergröße von 75m². Über die konkrete Nutzung der Neubauten ließ der Investor die Anwesenden im Unklaren. Fessart äußerte aber Sympathie gegenüber dem Vorschlag das als „allgemeines Wohngebiet“ deklarierte Gelände in einem B-Plan Verfahren zu einem Gewerbestandort umzuwidmen.

Im Anschluss stellte Patrick Dobroscke, Mitglied des Vorstands der Uferhallen e.V., ein Modell vor, das durch ein Erbbaurecht, Sanierungsmaßnahmen in Eigenleistung und weitgehende Selbstverwaltung den Kulturschaffenden eine langfristige und kostengünstige Nutzung „deutlich über 30 Jahre hinaus“ sichern soll. Ziel sei es eine aus dem Gesamtareal herauszulösende Fläche in Eigenregie zu entwickeln. In einem offenen Brief an die Mitglieder des Stadtentwicklungsausschuss forderte der Verein von der Politik sich „klar durch ein dauerhaftes Konzept zu positionieren“. Eine Anfang Januar gestartete Petition zum Erhalt der Uferhallen fand bislang mehr als 3.400 Unterstützer/innen. Der Vorstand der Uferhallen AG erteilte dem Vorschlag eine klare Absage. Ein Erbbaurecht für ein Teil des Grundstücks sei rechtlich nicht möglich, „noch ist dies von uns gewünscht“, sagte Fessart. Die Eigentümer wollten das Areal „ganzheitlich“ entwickeln, was eine Aufteilung verunmögliche.

Die BVV-Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken äußerten in der anschließenden Fragerunde ihre Sympathien gegenüber den Kulturschaffenden auf dem Areal.Vor allem in Hinsicht auf die Langfristigkeit teilten sie die Forderung nach einer Ausweitung der zugesicherten Nutzungsdauer über 20 Jahre hinaus. Sven Diedrich (Die Linke) verwies darauf, dass die Politik eine wirtschaftliche Verwertung des Geländes zwar nicht verhindern, in einem B-Plan Verfahren aber zumindest Rahmenbedingungen setzen könne, um eine maximale Profiterwirtschaftung zu verhindern. Baustadt Gothe entgegen, dass durch einen Bebauungsplan keine Miethöhen oder Laufzeiten erzwungen werden könnten. Er setze daher weiter auf einen „Prozess des Interessensausgleich“ in dem der Bezirk weiter eine moderative Funktion einnehmen werde. Ein klares Bekenntnis für die Belange des Uferhallen e.V. vermied er. Im Anschluss an die Veranstaltung lud der Eigentümer den Verein zu weiteren Gesprächen unter Beteiligung des Bezirksamts ein. Wie weit der Investor dabei den Forderungen der Kreativen noch entgegenkommt, ist unklar. Angesichts der Höchstsummen, die er seinerzeit auf den Tisch legte, dürfte der Spielraum begrenzt sein. Zudem werfen das rücksichtslose Agieren von Unternehmen mit Samwer-Beteiligung ihre dunkle Schatten voraus. Zuletzt sorgte die Kündigung der Ärzt/innen im Haus der Gesundheit und die Umwandlungswelle in Samwer-Häusern in Neukölln für Aufsehen. Doch auch der Unmut über die Internet-Milliarde wächst und immer mehr Betroffene drängen mit ihrer Kritik in die Öffentlichkeit. Höchste Zeit für einen berlinweiten Zusammenschluss der Samwer-Mieter/innen.

Philipp Möller

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