Neue Studie stellt Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung verichtendes Zeugnis aus.
Die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE) und das Pestel-Institut haben der Bundesregierung in einer vom „Verbändebündnis Wohnungsbau“ beauftragten Studie ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Laut der Studie, die am Donnerstag im Rahmen des 10. Wohnungsbautages in Berlin vorgestellt wurde, hat sich das Wohnungsdefizit trotz neuer Förderinstrumente weiter verschärft, da der Neubau quantitativ aber vor allem qualitativ deutlich hinter den Notwendigkeiten hinterher hinke, kritisieren die Autoren. Dem unstrittigen jährlichen Neubaubedarf vom 400.000 Wohnungen standen in den Jahren 2015 und 2016 lediglich jeweils 260.000 fertiggestellte Wohnungen gegenüber. Da die Anzahl der Baugenehmigungen im Jahr 2017 gegenüber dem Vorjahr um 7,8 Prozent zurückgegangen ist, sei mit einer weiteren Abschwächung des Wohnungsbaus in 2018 zu rechnen. Noch drastischer ist die Lücke bei den geförderten Sozialwohnungen. Dem Bedarf von mindestens mindestens 80.000 mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungen im geförderten sozialen Wohnungsbau pro Jahr standen 2016 lediglich 24.500 Wohnungen gegenüber, was nicht einmal die Schrumpfung der Bestände durch Wegfall der Bindungen kompensiert.
Laut der Studie liegen 35 bis 50 Prozent der Haushalte in deutschen Großstädten unterhalb der Einkommensgrenzen, die zum Bezug einer Sozialwohnung berechtigen. Demgegenüber macht der Bestand an Sozialwohnungen aber nur noch sechs Prozent des Mietwohnungsbestandes aus. Immer mehr Haushalte seien nicht mehr in der Lage, sich Wohnungen auf dem „freien Markt“ zu besorgen, es klaffe eine „gewaltige Versorgungslücke“. Ähnlich verhalte es sich auch im Bereich der Schaffung „bezahlbaren Wohnraums“ für mittlere Einkommen mit Nettokaltmieten von acht bis neun Euro pro Quadratmeter, da Neubau angesichts explodierender Baulandpreise und immer neuer preistreibender „High-End“- Energieeinsparungsverordnungen ohne Förderung auch in diesem Preissegment kaum noch realisiert werden kann.
Das Verbändebündnis fordert daher von der neuen Bundesregierung, dass alle Förderinstrumente darauf ausgerichtet werden, 20 Prozent aller Neubauten im sozialen Wohnungsbau zu realisieren, mindestens 80.000 pro Jahr. Angeregt wird aber auch eine steuerliche Sonderabschreibung für Mietwohnungen im „bezahlbaren Segment“ (siehe oben). Neben der Förderung müsse vor allem die Bereitstellung preisgünstigen Baulands durch Bund, Länder und Kommunen garantiert werden. Darüberhinaus fordert das Bündnis eine bundesweit gültige Musterbauordnung, eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, eine Überprüfung der neuen Stufen der Energieeinspar- und effizienzverordnungen auf ihre Wirtschaftlichkeit und die konsequente Nutzung von Nachverdichtungspotenzialen durch eine Neugestaltung der Baunutzungsverordnung. Angesichts der „großen sozialen Schieflage“ auf dem Wohnungsmarkt und den anspruchsvollen Aufgaben wäre es zudem nötig, die Bereiche Bau, Stadtentwicklung und Raumordnung in einem separaten Ministerium zu bündeln.
Allerdings zeigt ein kurzer Blick in den Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung, dass nicht mit einer Neuausrichtung der Wohnungspolitik zu rechnen ist, und selbst die im Prinzip marktkonformen Vorschlage des Verbändebündnisses keine Chance auf Realisierung haben. Auch die Bündelung der Aufgaben in einem Ministerium wird es nicht geben. Vielmehr wurde vereinbart, den Bereich Bau zu einer Art Anhängsel von Horst Seehofers neuem „Ministerium für Inneres und Heimat“ zu machen.
Rainer Balcerowiak
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