Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 15.05.2013

Entmietung trotz Milieuschutz. An den Behörden vorbei schafft Neutecta vollendete Tatsachen

Wenn der Staat sich verweigert, regulierend in den umkämpften Wohnungsmarkt einzugreifen, drücken die skrupellosesten Immobiliendealer der Stadt ihren Stempel auf.
Wie es in der Branche zugeht, dokumentiert das Beispiel des Mehrfamilienhauses in der Boxhagener Strasse 26 in Friedrichshain. Das große Wohnhaus liegt im Milieuschutzgebiet. Die so genannte soziale Erhaltungsverordnung des Bezirkes hat die Funktion, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten. Doch bis auf wenige Mietparteien wurde das Haus systematisch entmietet, denn der ehemalige Eigentümer plante eine gewerbliche Nutzung. Der Bezirk hatte den Umbau für das Erdgeschoss und die erste Etage zu einem Hotel in 2008 genehmigt; der Eigentümer baute jedoch ohne Genehmigung eine ganze Haushälfte um. Nach fast drei Jahren verhängte der Bezirk Anfang 2011 einen Baustopp. Eine Auflage zum Rückbau erteilte er nicht, so dass auch im Sommer 2012 das Haus noch überwiegend unbewohnt war.

Im Sommer letzten Jahres kaufte die Leipziger Immobilienfirma Neutecta das Haus. Bereits am 1. September bot sie die Immobilie in der Wiener Zeitung wie Sauerbier an. Für 13 Millionen Euro könne das „aufwendig sanierte Hotel und Apartmenthaus“ direkt vom Eigentümer erworben werden. Es wurde eine Jahresnettokaltmiete von 800.000 Euro in Aussicht gestellt, was rund 30,- Euro netto kalt pro qm wären. Zur fast gleichen Zeit erhielten die restlichen Mieter an der Boxhagener Strasse eine Kündigung. Die Begründung war bemerkenswert. So habe Neutecta einen Kredit über fünf Millionen Euro für den Kauf und die Sanierung des Hauses aufgenommen. Dies würde sich nur rentieren, wenn die Mieteinnahmen aus dem Haus rund verzehnfacht würden auf 632.000 Euro im Jahr. Zu diesem Zweck werde das Haus umgebaut zu 25 Hotelzimmer und 18 Wohnungen, was eine Nettokaltmiete  pro qm zwischen 18 und 23 Euro einbrächte.

Wie Anfragen der Linken im Bezirk ergaben, ist die alte Baugenehmigung von 2008 für die gewerbliche Hotelnutzung des Erdgeschosses und der ersten Etage weiterhin gültig. Erteilt worden sei diese damals, da „der Wohnraum leer stand.“  Neutecta habe sich im November bereit erklärt, die restlichen Etagen wieder zu Wohnraum rückzubauen. Sie reichte einen Bauantrag ein, doch der erfüllte nicht die Vorgaben der sozialen Erhaltungsverordnung. Dies wurde am 1. März korrigiert und eine Baugenehmigung ist nun zu erwarten, wie eine Antwort von Bürgermeister Schulz an Die Linke vom 9. April nahe legt.

Gebaut wird schon seit geraumer Zeit-  zum Leidwesen der verbliebenen Mieter. Bereits im Juli soll das Haus wieder komplett bezugsfähig sein, wie dem Expose der Immobilienfirma zu entnehmen ist. Das „Zinshaus“ wird erneut zum Verkauf angeboten. Es sei „in den Jahren 2006 bis 2010 entmietet“ worden und zudem „aufwendig generalsaniert“. Neben dem Hotelbetrieb weist das Expose 23 Kleinwohnungen aus mit einer Nettokaltmiete zwischen 18 und 20 Euro pro qm. Die jährliche Nettokaltmiete wird mit 570 223 Euro angesetzt. Der Kaufpreis bemisst sich nach dem 15fachen der Mieteinnahme und beträgt 8.55 Millionen Euro.

Der Umbau stünde im Einklang mit dem Milieuschutz, teilt Bürgermeister Schulz am 9. April mit. Dies habe eine unangemeldete Prüfung am 12. März auf der Baustelle ergeben. Ein Blick in die Bauplanung weckt Zweifel, ob die Ausstattung nicht deutlich den Standard im Gebiet überschreitet und damit gegen die soziale Erhaltungsverordnung verstößt.

Das Wohnhaus ist seit rund fünf Jahren überwiegend unbewohnt. Eine gezielte Entmietung führte zum Leerstand, der dann Voraussetzung für eine gewerbliche Umwidmung durch den Bezirk wurde, die der Milieuschutz eigentlich vermeiden soll. Widerrechtliche Umbauten, die nicht geahndet wurden, trieben den Leerstand voran. Mit eben diesem wirbt die Neutecta nun für das Renditeobjekt.

Der Zweck von Mietshäusern ist, dass die Bevölkerung vor Ort darin wohnt. Die Zweckentfremdung von Wohnraum zu unterbinden, wäre ein kleines Stoppschild gegen den Missbrauch von bezahlbarem Wohnraum. Leerstand gehört verboten wie ebenso die Umnutzung in lukrative Ferienwohnungen. Nach langen Jahren der Verweigerung kündigt der Senat seit Monaten eine Vorlage für eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung an.
Gaby Gottwald

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