Mit einer Mischung aus Entsetzen und Wut reagierten am Wochenende CDU, FDP sowie Wirtschafts- und Immobilienverbände auf den Beschluss des des rot-rot-grünen Koalitionsausschusses zum geplanten Mietendeckelgesetz. CDU-Landeschef Kai Wegner sprach von einem „schwarzen Tag für den Berliner Wohnungsmarkt“, der IVD warnte vor einer „Rückkehr zur sozialistischen Wohnungspolitik". Den Vogel schoss allerdings der Verbandspräsident von „Haus und Grund“ ab. In der rbb-Abendschau wertete er den Deckel als „Verstoß gegen die europäische Menschenrechtskonvention, da er Vermieter enteignet“.
Im Mittelpunkt des nach harten Auseinandersetzungen innerhalb der Koalition und mehreren ergebnislosen Sitzungen am Freitag gefällten Beschlusses steht ein auf fünf Jahre befristeter Mietenstopp für alle nicht preisgebundenen Wohnungen. Ausgenommen sind vor allem Neubauten ab 2014 und preisgebundene Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus. Ab 2022 kann allerdings ein jährlicher Aufschlag anhand des Preis/Lohnindexes erhoben werden.
Die Bemessungsgrundlage für zulässige Mieten ist eine nach Baualtersklassen differenzierte Tabelle, die auf Mittelwerten des Mietspiegels von 2013 basiert, plus 13,4 Prozent Inflationsausgleich. Für einfache und mittlere Wohnlagen gibt es Abschläge, für gute Wohnlagen Zuschläge. In welcher Art und Höhe bestimmte Ausstattungsmerkmale der Wohnungen zuschlagsfähig sind, ist aus den bisher vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich.
Für Neuvermietungen sollen die Tabellenwerte als verbindliche Obergrenze gelten. Ab Ende 2020 sollen auch Bestandsmieten, die mehr als 20 Prozent über den Tabellenwerten liegen, abgesenkt werden können. Der Senat begründet diese Verschiebung damit, dass erst genügend Personal für die Bearbeitung entsprechender Anträge rekrutiert werden muss.
Umlagen für energetische Modernisierungen und behindertengerechten Umbau können bis zu einem Euro pro Quadratmeter genehmigungsfrei aufgeschlagen werden. Laut den Grünen aber nur bis zum Deckelwert der Tabelle. Weitere Modernisierungen sind genehmigungspflichtig und dürfen maximal mit einem weiteren Euro zu Buche schlagen.
Am morgigen Dienstag soll ein entsprechendes Artikelgesetz vom Senat verabschiedet werden. Der ursprüngliche Zeitplan ist nach Aussage der Grünen allerdings nicht mehr zu halten. Nach den Stellungnahmen der Bezirke, einem darauf folgenden weiteren Senatsbeschluss, der ersten Lesung im Abgeordnetenhaus, Beratungen in den Ausschüssen und schließlich dem Beschluss der Volksvertretung könnte das Gesetz am 1.März 2020 in Kraft treten.
Zwar gibt es noch einige Unklarheiten, doch angesichts der in den vergangenen Wochen diskutierten Verwässerungen der ursprünglichen Eckpunkte vom Juni 2019 ist das jetzt auf den Weg gebrachte Gesetz im Sinne der Berliner Mieter als Fortschritt zu bewerten. Dies ist auch ein Erfolg der vielfältigen Berliner Mieterbewegung, die den Senat angesichts der desaströsen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt beträchtlich unter Druck gesetzt hat. Zumal der zeitlich befristete Mietendeckel zwar keinen Eingriff in die Eigentumsverhältnisse, aber immerhin in die Kapitalverwertungsprozesse bedeutet – wenn er denn so kommt, wie jetzt vorgesehen. Eine nachhaltige Entspannung auf dem Wohnungsmarkt wird er nicht bewirken. Dazu bräuchte es in erster Linie ein ambitioniertes kommunales Wohnungsbauprogramm.
Rainer Balcerowiak
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