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MieterEcho online – 03.12.2011

Die Liegenschaftspolitik des Senats und der Liegenschaftsfonds

Liegenschaftspolitik gehört zu den Politikfeldern, die im 20. Jahrhundert zusammen mit der Sozialpolitik und der Wohnungspolitik durchgesetzt wurden. Nach dem ersten Weltkrieg wurde es für die Kommunen zur Selbstverständlichkeit, vorausschauend Bodenreserven vorzuhalten, weil das gesellschaftliche Interesse an einer Stadtplanung notwendigerweise den Markt, als den Raum des privaten Profits an Grund und Boden, einschränken musste.


 
Es war die Zeit als ein sozialer Wohnungsbau entstand, der eine Abkehr von Mietskasernen, engen Hinterhöfen und überbelegten Wohnungen, wie sie von Zille so eindringlich dokumentiert wurden, bedeutete. Ohne eine kommunale Bodenpolitik wäre auch die soziale Wohnungspolitik nicht zu realisieren gewesen: gegen die vordergründigen Gewinninteressen der privaten Eigentümer.

 

Knapp 80 Jahre später verabschiedete sich die Berliner Politik nicht nur von ihren Aufgaben für die Wohnungsversorgung, sie schuf mit dem Liegenschaftsfonds ein Instrument, das unmittelbar darauf ausgerichtet war, die in den Jahrzehnten zuvor erworbenen öffentlichen Bestände auf den Markt zu überführen.

Als Rechtfertigung mussten – wie üblich zu dieser Zeit und auch heute noch – die leeren Haushaltskassen dienen.

In dem Selbstportrait der Liegenschaftsfonds Berlin GmbH & Co. K‍G heißt es mit naiver Deutlichkeit: „Das Unternehmen ist seit dem 01. Januar 2001 am Markt tätig.“ Und im Stile zweitklassiger Immobilienhändler geht es weiter:

„Der Liegenschaftsfonds hat sich eine hohe Fachkompetenz bei der Vermarktung von Spezialimmobilien erarbeitet. Er ist inzwischen die ‚Erste Adresse‘ für die Erfüllung ausgefallener Kundenwünsche. Ob Schloss Schönhausen oder Metropol-Theater, trockengelegte ehemalige Schwimmhallen oder historische Krankenhausareale, gemeinsam mit den Investoren konnten auch für diese besonderen Immobilien tragfähige Nutzungsperspektiven entwickelt werden.“

Die Vermarktung orientiert sich an betriebswirtschaftlichen Vorstellungen, wie sie Behörden entwickeln. Die Methode nennt sich „bedingungsfreies Bieterverfahren“ und findet Anwendung bei der Übertragung öffentlichen Eigentums an den Meistbietenden.

Soziale Überlegungen beeinflussen das Geschehen überhaupt nicht, allenfalls werden Interessen der Mittelschichten und ihrer Baugruppen erwogen, denen öffentlicher Grund zum Festpreis überlassen werden soll.

Auf diese Weise wurde das Berliner Immobilienvermögen in den letzten Jahren um 1,7 Mrd. Euro erleichtert. Eine beachtliche Größe. Die Haushaltskassen hat das aber nicht einen Deut entlastet.

Im Jahre 2009 wurde in einer Konferenz über die Zukunft der Berliner Liegenschaftspolitik nachgedacht. Dabei bleib es aber auch, geändert hat sich an der Praxis nichts.

 

Wie eine Liegenschaftspolitik aussehen könnte, wird in einem Antrag der Friedrichshain-Kreuberger SPD an den SPD-Parteitag deutlich:
 

„Der SPD-geführte Senat und die SPD-Fraktion wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Veräußerung landeseigener Grundstücke sofort unterbrochen wird. Zunächst werden die Grundstücke bestimmt, welche zum Zweck der Wohnbebauung an landeseigene Wohnungsbaugesellschaften übertragen werden. Gleichzeitig ist nach öffentlicher Bekanntgabe aller Liegenschaften für jeden Bezirk mit Bürgerbeteiligung ein Bedarfsplan aufzustellen, der auf die Erfordernisse der nächsten fünf Jahre für soziale Infrastruktur mit Kindertagesstätten, Bildungs-, Sport- und kulturellen Einrichtungen unter Ausnutzung der landeseigenen Liegenschaften ausgerichtet ist. Dieser Bedarfsplan ist fortzuschreiben. Landeseigene Grundstücke dürfen nur noch veräußert werden, wenn sich aus dem Bedarfsplan ergibt, dass langfristig kein städtischer Bedarf für die Daseinsvorsorge vorhanden ist.

Der Verkauf landeseigener Grundstücke hat inzwischen dazu geführt, dass in den Bezirken keine Handlungsmöglichkeit gegeben ist, den demographischen Veränderungen Rechnung zu tragen. Beispielhaft ist in einigen Bezirken festzustellen, dass keine Möglichkeit für ausreichende Versorgung bei der Kinderbetreuung besteht. Die Veräußerung landeseigenen Vermögens vor dem Hintergrund kurzfristigen pekuniären Erfolges ohne Bedarfsplanung führt langfristig zur Beschädigung des politischen Gestaltungsspielraumes in der gesamten Stadtentwicklung. Dem ist dringend Einhalt zu gebieten.“

 

Der Antrag wurde an die Abgeordnetenhausfraktion überwiesen. Sein weiteres Schicksal interessiert die MieterEcho-Redaktion sehr.
 

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