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MieterEcho online – 19.11.2011

Koalitionsvereinbarungen zwischen der SPD und der CDU zur Wohnungspolitik

Kürzlich gab der Parteiführer der LINKEN Dr. Lederer zum Besten, dass „Linke Metropolenpolitik“ sich den „Rahmenbedingungen“* anzupassen habe, dass sie sich nur in einem von diesen Rahmenbedingungen abgesteckten Korridor bewegen dürfe, dass sie aber innerhalb dessen – und da läge die Aufgabe der Linken – enorme soziale Potenziale entfalten könnten.


Wer dieses Geschwätz eines neoliberalen Schöngeistes ernst nahm, musste sich mit der Privatisierung der Wohnungsbaugesellschaften, dem Verzicht nicht nur auf öffentlichen Wohnungsbau sondern sogar dessen bloße Erwähnung, der Zweckentfremdung von Mietwohnungen als Touristenunterkünfte und letztendlich der Abwesenheit jeglicher Wohnungspolitik abfinden. Denn so sah die Praxis der rot-roten Koalition innerhalb der neoliberalen „Rahmenbedingungen“ aus und war folglich nach Meinung der Parteiführung der Partei DIE LINKE sozial und links.

Jetzt werden zur Wohnungspolitik Koalitionsvereinbarungen zwischen der schwarzen CDU und einer alles andere als „roten“ SPD getroffen, die, so jämmerlich sie auch sein mögen, eine schallende Ohrfeige für eine sich links nennende Partei mit zehnjähriger Regierungsbeteiligung und ihren vor den Rahmenbedingungen zu Kreuze kriechenden Vorsitzenden bedeuten.

Um gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, die Koalitionsvereinbarungen schreiben keine Wohnungspolitik fest, wie sie sich aus der Notwendigkeit, den spätesten seit 2007 dramatisch enger werdenden Wohnungsmarkt zu entspannen, zwingend ergeben. Sie lassen aber erkennen, dass die Probleme nicht mehr ignoriert oder illusionär mit den „Rahmenbedingungen“ verklärt werden können, sondern sich gebieterisch auf die Tagesordnung drängen.

So betont denn auch der erste Absatzes der Koalitionsvereinbarungen die „Grundsätze der Wohnungspolitik“ und erklärt:

„Die wachsende Metropole Berlin bedarf in der nächsten Legislaturperiode verstärkt privater und öffentlicher Neubauvorhaben. Ziel ist deshalb, dass in der Legislaturperiode 30.000 neue Wohnungen (durchschnittlich 6.000 pro Jahr) errichtet werden.“ Seit 10 Jahren dümpelt der Wohnungsbau bei ca. 3- 3.500 Fertigstellungen vor sich hin. Eine Bauleistung von 6.000 Wohnungen jährlich mahnt der BBU seit langem an, will aber damit keinen sozialen Wohnungsbau in Gang setzen, sondern lediglich eine Zunahme der Wohnungsknappheit verzögern. Wenn Wohnungen knapp sind, und das sind sie seit langem, dann helfen keine blauäugigen Forderungen nach Mietpreisbegrenzungen, sondern nur die Vergrößerung des Angebots. Und das bedeutet Wohnungsbau.

Diese banale Erkenntnis hat Eingang in die  Koalitionsvereinbarungen gefunden: „... Ein ausreichendes Angebot wirkt dem mietpreistreibenden Faktor der Verknappung entgegen.“

Richtig! Dem kann nur zugestimmt werden. Ein ausreichendes Angebot schaffen aber die 6.000 Wohnungen längst nicht. Damit wird nur der Standard von Hamburg oder München erreicht.

Schlichtweg falsch ist die zum Standardrepertoire der Wohnungspolitiker gehörende Behauptung: „Eine besondere Rolle für die Versorgung breiterer Schichten mit Wohnraum nehmen in Berlin neben den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften traditionell auch die vielen Wohnungsbaugenossenschaften ein. Diese erfüllen wie die landeseigenen Gesellschaften eine dämpfende Funktion in Bezug auf die Mietenentwicklung in der Stadt.“

Zur politischen Selbstverständlichkeit sollte gehören , dass öffentliche Wohnungsbauunternehmen nicht betriebswirtschaftlicher Rationalität sondern sozialer Verantwortung verpflichtet sein müssen. Leider ist diese historische Erkenntnis dem liberalen Zeitgeist zum Opfer gefallen. Doch der neue Senat will die „landeseigenen Wohnungsbestände und Wohnungsbaugesellschaften stärken.“

„Der Senat wird die landeseigenen Gesellschaften verpflichten, sich an der angestrebten Steigerung der Wohnungsneubauzahlen jährlich angemessen zu beteiligen. Die Koalition bekennt sich zum Gemeinwohlauftrag dieser Unternehmen und lehnt eine Privatisierung ihres Wohnungsbestandes ab.“

Auch die Parteien der rot-roten Koalition hatte die Privatisierung abgelehnt und sie dennoch geradezu begeistert betrieben. Von ca. 400.000 Wohnungen im Jahre 2001 hinterlässt der scheidende Senat noch 260.000.

Jetzt aber – offenbar nachdem die Partei DIE LINKE aus der Regierungsverantwortung austritt – sollen „ um die Einwirkungsmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt zu erhöhen, die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften im Rahmen ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Möglichkeiten ihre Wohnungsbestände schrittweise auf insgesamt ca. 300.000 Wohnungen erhöhen.“ Selbst der jahrzehntelang tabuisierte Begriff „Sozialer Wohnungsbau“ taucht in der Überschrift eines Absatzes auf. Was sich dahinter verbirgt, hat allerdings mit dem sozialen Wohnungsbau wie er in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt wurde und noch heute z.B. in Österreich zu finden ist, wenig zu tun:

„Zur Förderung des Neubaus von Wohnungen wird der Senat auch das Instrument der kostenlosen oder ermäßigten Grundstücksvergabe nutzen. Der Senat wird verschiedene Maßnahmen kombinieren, um Anreize zu setzen. Dabei werden wir jedoch Belastungen für den Haushalt vermeiden. Die so entstehenden zusätzlichen Wohnungen sollen dauerhaft günstig vermietet werden und entsprechende Sicherungen Bestandteile des Programms sein.“

Sozialer Wohnungsbau ist ohne Mieterschutz nicht denkbar. Doch gerade der bleibt unrealistisch.

„Zur Erreichung der Ziele in der Wohn- und Mietenpolitik setzt die Koalition auf die Begrenzung von allgemeinen Mieterhöhungen. Künftig soll die Miete innerhalb von 4 Jahren um nicht mehr als 15 Prozent steigen dürfen. Derzeit sind es bis zu 20 Prozent innerhalb von 3 Jahren. Die Koalition setzt zudem auf die Absenkung der Modernisierungsumlage. Der Vermieter soll nach Modernisierungsmaßnahmen die jährliche Miete nur noch um 9 statt um 11 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen können.“

Hier wird die Augenwischerei der Frau Junge-Reyer, mit der sie vor den Wahlen zu punkten gedachte, fortgesetzt und dem sozialem Wohnungsbau zugeordnet. Eine Farce!

Sämtliche Verbesserungen, gegen die nichts einzuwenden wäre, sind Gegenstand der Gesetzgebung des Bundes. Zwar sind Bundesratsinitiativen auf den Weg gebracht worden, dabei aber kläglich auf der Strecke geblieben. An einer überzeugenden Darstellung, wie deren Schicksal zukünftig, konstruktiver gestaltet werden könne, fehlt es gänzlich.

Dafür will die neue Regierung das „Ausmaß an Ferienwohnungen regulieren.“ “Die Entwicklungen am Wohnungsmarkt müssen einer qualifizierten statistischen Evaluierung unterliegen. Auf Basis fundierter Daten wird überprüft, inwiefern Fehlentwicklungen, wie z. B. durch Ferienwohnungsnutzungen, gegeben sind und welche Maßnahmen, z. B. durch eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung auf landesgesetzlicher Grundlage, abzuleiten sind.“

Man wird gespannt sein, zu welchen Ergebnissen die Überprüfung „fundierter Daten“ führt. Wer an belastbaren Ergebnissen interessiert ist, sei auf das Mieter Echo Nr. 350 verwiesen.

Ein Zweckentfremdungsverbot ist auf jeden Fall längst überfällig.

Außerdem hat sich die Koalition darauf geeinigt, den Milieuschutz zu „modernisieren“, d.h. noch investorenfreundlicher zu machen als bisher und ebenso mit dem Baurecht zu verfahren.

Diese Koalition wird das Wohnungsproblem in dieser Stadt selbstverständlich nicht lösen. Das erwartet auch niemand. Sie schafft aber für die Arbeit einer außerparlamentarischen Opposition bessere Voraussetzungen als ihre Vorgängerin, weil endlich auch in der Wohnungspolitik die neoliberalen Phantasmagorien à la Lederer und Co. einer realistischen politischen Sichtweise weichen müssen.
 

*Siehe dazu „Linke Metropolenpolitik“


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