Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online – 09.07.2011

Kiezforum Rixdorf: „Abstinenz, Ignoranz und Begrenztheit der Berliner Parteien“

Das „Kiezforum Rixdorf“ diskutiert über die Auswirkungen der Wohnungspolitik des Senates und mögliche Widerstandsformen gegen die Auswirkungen von Mietpreisexplosion und Verdrängung.

 
Christian Linde

 
Die Mieten in Berlin steigen. Die Zahlen des neuen Berliner Mietspiegels 2011 und der jüngst vorgestellte Bericht des Immobilienverbandes Deutschland (IVD) zu den Marktentwicklungen bei den Neuvermietungen sprechen für sich. Was dies jedoch für konkrete Auswirkungen für die Anwohner/innen in den Gebieten mit exorbitanten Mietsteigerungen hat, das geht aus den nackte Zahlen nicht hervor.

„Stadtaufwertung von oben“ nennen diese Entwicklung nun auch Bewohner/innen im Ortsteil Rixdorf des Bezirks Neukölln. Um sich auszutauschen und sich gegenseitig zu stützen, existiert seit dem vergangenen Jahr auch dort ein „Kiezforum Rixdorf“. Das „Forum“ versteht sich als offener Raum für alle Bewohner/innen des Kiezes. Am vergangenen Donnerstag lud die Initiative zu einer Veranstaltung zum Thema: „Der neue Berliner Mietspiegel – was heißt das für uns Neuköllner/innen?“ in den Jugendclub Scheune ein.

Zunächst erläuterte Joachim Oellerich von der Berliner MieterGemeinschaft die Ergebnisse des neuen Mietspiegels: Die Mieten sind in Berlin seit 2009 deutlich schneller gestiegen als in den Jahren zuvor. Dem Zahlenwerk zufolge betrug die durchschnittliche Steigerung 4 Prozent pro Jahr. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis ohne Heizung und Betriebskosten liegt danach bei 5,21 Euro. Extreme Preissprünge hätten vor allem in den Innenstadtquartieren stattgefunden. Insbesondere Altbauwohnungen mit Minderausstattung (ohne Heizung oder ohne Bad), die in Neukölln noch zahlreich vorhanden sind, verzeichnen mit 17,5% die größte Steigerung aller Baualtersklassen des Mietspiegels.

Der Mietspiegel, der alle zwei Jahre neu erstellt wird, erfasst für 1,2 Millionen Wohnungen Veränderungen durch Neuvermietungen oder angepasste Verträge. Noch dramatischer gestalte sich die Situation bei Neuvermietungen, führte Joachim Oellerich aus. Denn für freie, zu vermietende Wohnungen werden deutlich höhere Mieten verlangt als die Durchschnittswerte des Mietspiegels anzeigen. Laut „Marktmietspiegel“ des Immobilienverbandes Deutschland (IVD) sind die verlangten Beträge bei Neuabschlüssen im Vergleich zu 2009 durchschnittlich um 7,3 Prozent gestiegen. Unter den Standardwohnlagen nimmt Neukölln mit 13,7 Prozent Steigerung nach Lichtenberg mit 14,3 Prozent berlinweit den zweiten Platz ein.

Die extremen Mietsprünge bei den Altbauten seien auf die gestiegene Nachfrage besserverdienender Haushalte zurückzuführen. Die Verengung auf dem Wohnungsmarkt mit steigenden Mietpreisen und einem Rückgang der Wohnungsangebote insbesondere im preisgünstigen Segment führte Joachim Oellerich auf die „Wohnungspolitik“ des Berliner Senates zurück. So habe der Verkauf hunderttausender Wohnungen aus dem öffentlichen Bestand – in der Regierungszeit von SPD und Linkspartei waren es allein 160.000 – dazu geführt, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften weder ihren ursprünglichen Versorgungsauftrag wahrnehmen noch mietpreisdämpfend wirken könnten.

Neben der steigenden Zahl der Haushalte in der Hauptstadt trage insbesondere auch die vom Senat im öffentlichen Sektor auf Null gefahrene Bauleistung zur Wohnungsverknappung bei. Eine Kurskorrektur sei nur über Protest und Mieter/inneninitiativen zu erreichen.

Einig war man sich in der anschließenden Diskussion darüber, dass aufgrund der „Abstinenz, Ignoranz und Begrenztheit der Berliner Parteien“ sich auf Forderungen an die Politik zu beschränken, ins Leere laufen würde und die Bewohner/innen zur Passivität aufforderte. Stattdessen wurden zwei Strategieansätze favorisiert.

Erstens: um häuserübergreifenden Widerstand organisieren zu können, wird eine Befragung zur Eigentümer/innenstruktur durchgeführt. „Unser geringer Kenntnisstand sieht eher Einzeleigentümer/innen in Rixdorf. Ein Einwirken auf diese, um den Verkauf an (Groß)investor/innen zu verhindern, finden wir erstrebenswert“, so die Initiative.

Zweitens: die Deattraktivierung des Stadtteils soll potenzielle Investor/innen abschrecken. So sollen Orte, die für Aufwertung und Verdrängung stehen oder in Frage kommen, mit „fantasievollen“ Aktionen bedacht werden. Forciert werden soll auch die Vernetzungsarbeit mit anderen bestehenden oder sich in Gründung befindlichen Stadtteilinitiativen, wie im Schillerkiez (Neukölln), in der Reichenberger Straße und dem Wrangelkiez (Kreuzberg) zeige, so die Vertreter/innen des Kiezforum Rixdorf, „der Ruf nach einem Recht auf Stadt wird lauter.“
 

Weitere Informationen unter: www.rixdorf.org
 

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