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MieterEcho online – 16.07.2011

Der Wolf und das Wasser

Wie ein vormals privatisierungskritischer Senator die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe zementierte

 
Nachdem die Große Koalition im Jahr 1999 den Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe an die Konzerne RWE und Vivendi (heute Veolia) durchsetzte, zogen die damaligen Oppositionsparteien Grüne und PDS vor das Landesverfassungsgericht. Mit diesem Normenkontrollverfahren sollte gegen bestimmte Punkte des Teilprivatisierungsgesetzes vorgegangen werden. Das Gericht beurteilte schließlich zum einen die Regelung zur Renditeberechnung für die Privaten als zu hoch und zum anderen eine Effizienzsteigerungsklausel, wonach eine Art Sonderrendite für Effizienzsteigerungen vorgesehen war, als verfassungswidrig. Insgesamt ging das Gesetz aber als verfassungskonform durch. Der Clou: Im bis vor kurzem geheim gehaltenen Vertragswerk zur Teilprivatisierung ist eine Renditegarantie mittels einer Ausgleichspflicht des Landes für eventuelle geringere Gewinne der Privaten enthalten.

CDU und SPD hatten sich Mitte der 90er Jahre auf eine Politik verlegt, die im Verkauf von Landesvermögen ein Mittel zur Haushaltskonsolidierung sah. Im Jahr 1999 wurde im Rahmen dieser „Vermögensaktivierung“ und unter Federführung der damaligen Finanzsenatorin Anette Fugmann-Heesing (SPD) die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe vollzogen (MieterEcho Nr. 348/Juli 2011). Hierzu wurden 49,9 Prozent der Anteile für umgerechnet 1,687 Milliarden Euro verkauft. RWE und Vivendi wurde dabei die unternehmerische Führung der Wasserbetriebe weitestgehend überlassen. Grundlagen des Geschäfts waren das später vom Verfassungsgericht bestätigte Teilprivatisierungsgesetz und ein geheimer Konsortialvertrag samt Nebenverträgen und Anlagen. Um was für ein skandalöses Machwerk es sich hierbei handelt, wird zum Beispiel mit Blick auf den § 23 des Konsortialvertrags deutlich. In diesem ist für alle möglichen Ereignisse, die die angedachte Gewinnhöhe der Privaten schmälern könnten, eine voll Ausgleichspflicht seitens des Landes festgeschrieben. Egal also, was ein Berliner Verfassungsgericht urteilt.
 

Von der Opposition zum Opportunismus

Der Oppositionspolitiker Harald Wolf (PDS) sagte damals: „Bezahlen für die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe [...] werden die Kunden und die Nutzer.“ Als mit dem Bankenskandal die Große Koalition zerbrach und nach einem rot-grünen Intermezzo die damalige PDS im Jahr 2002 an die Regierung kam, schien die Möglichkeit für eine politische Wende gegeben und auch in Bezug auf die Wasserbetriebe konnte mit dem Regierungsantritt der vormals privatisierungskritischen Partei ein Politikwechsel erhofft werden. Doch es kam anders: Der vormalige „Chef-Kritiker“ der Teilprivatisierung avancierte zum Wirtschaftssenator und wurde gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns. In dieser Position verkörpert er nun, wie jeder andere Senator in diesem Bereich auch, einen strukturellen Interessenkonflikt. Zum einen ist er als Aufsichtsratsvorsitzender aus rechtlichen Gründen dem Wohl des Konzerns verpflichtet. Zum anderen soll er als Wirtschaftssenator der Allgemeinheit dienen. Wie Wolf diese Rolle ausfüllt wurde 2003 deutlich. Mit den vom Landesverfassungsgericht beanstandeten Regelungen des Teilprivatisierungsgesetzes wurde unter Wolf so umgegangen, dass entsprechende Passagen in Gesetz und Vertragswerk so geändert wurden, dass das ursprüngliche Ansinnen der Teilprivatisierung beibehalten wurde: Eine vertraglich garantierte Rendite für die Privaten bei gleichzeitiger Verpflichtung des Landes, im Zweifelsfall selbst für diesen Gewinn aufzukommen. Die Berliner/innen bezahlen seit der Teilprivatisierung um 35% gestiegene Wasserpreise – trotz oder gerade wegen der Mitwirkung eines demokratisch-sozialistischen Senators, der nicht den Mut aufbrachte, sich der Beutegemeinschaft der Privaten entgegenzustellen. Es wird von Wolf und seiner Partei zwar immer wieder darauf verwiesen, dass bestimmte Sachzwänge ein anderes Handeln unmöglich gemacht haben. Dann muss allerdings die Frage gestellt werden, wozu eine Partei Die Linke gebraucht wird, wenn deren Akteure selbst davon ausgehen, im großen und ganzen ohnehin nichts ändern zu können.
 

Mathias Behnis
 

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