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MieterEcho online 17.12.2020

SPD beruft Immobilienlobbyisten in den Vorstand der AöR Wohnraumversorgung

Eine Personalentscheidung der SPD-geführten Senatsverwaltung für Finanzen sorgt für Krach in der rot-rot-grünen Koalition und für Entsetzen bei vielen Mieterinitiativen in der Stadt. Mit Volker Härtig soll eine der zentralen Figuren des Berliner Immobilienfilzes in den Vorstand der AöR (Anstalt öffentlichen Rechts) Wohnraumversorgung Berlin (WVB) berufen werden. Härtig, der in der SPD den Fachausschuss Soziale Stadt leitet und auch als Immobilienentwickler in Erscheinung trat, gilt als entschiedener Gegner des Mietendeckels und lehnt auch das Volksbegehren für die Enteignung großer Immobilienunternehmen kategorisch ab. Er wird Nachfolger von Jan Kuhnert, dessen Vertragsverlängerung aus Altergründen vom Finanzsenator abgelehnt wurde.

Die Gründung der WVB erfolgte 2016 als „Zugeständnis“ des Berliner Senats an die Initiative Mietenvolksentscheid, die daraufhin die zweite Stufe eines in der ersten Stufe erfolgreichen Volksbegehrens für eine grundlegende Neuorientierung der Berliner Wohnungspolitik sang- und klanglos aufgab. Sie verfügt über keine operativen Kompetenzen und soll in erster Linien beratend für den Senat tätig sein und Leitlinien für die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften entwickeln.

Während Kuhnert und seine später berufene Co-Vorsitzende Ulrike Hamann eher dem Umfeld der Mieterbewegung zugerechnet werden, ist Härtig sozusagen das genaue Gegenstück. Entsprechend drastisch fielen die Reaktionen am Mittwoch aus. „Jemand, der den Kurs von Rot-Rot-Grün für eine soziale Wohnungspolitik seit Jahren torpediert und selber für den alten Berliner Baufilz steht, ist politisch ein No-Go für den Posten«, so die mietenpolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Katrin Schmidberger, in Neues Deutschland. Die Friedrichshain-Kreuzberger Bundestagsabgeordnete  Cana Bayram (Grüne) nannte die Berufung in einer Erklärung „eine der größtmöglichen Provokationen, da Volker Härtig als großer Freund der Immobilien-Lobby und expliziter Gegner einer sozialen Mietenpolitik und von Mieter-Initiativen gilt“ und forderte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) auf, die Entscheidung zu revidieren. Die Berliner Linken-Abgeordnete Gaby Gottwald bezeichnete Härtig als »völlig rücksichtslosen Macho« und „Flegel“, der jetzt von der SPD auf diesen Posten geschickt werde, „um alles plattzumachen«. Für Gottwald ist diese Personalentscheidung „eine böse Vorahnung, was die SPD unter einer Neuausrichtung der Mietenpolitik versteht“. Die neue SPD-Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin für die kommende Wahl, Franziska Giffey hatte sich in den vergangenen Wochen mehrere Male gegen eine mögliche Fortführung des Mietendeckels und andere tiefgreifende Regulierungen ausgesprochen.

Der ganze Vorgang illustriert allerdings auch anschaulich, wohin ursprünglich von einer breiten Bewegung getragene Volksbegehren führen können, wenn sich ihre Protagonisten mit faulen Kompromissen von der Landesregierung abspeisen lassen. Denn die WVM ist wenig mehr als ein zahnloser Tiger am Gängelband des Senats und kein wirklich relevanter Faktor bei der Gestaltung der kommunalen Wohnungspolitik. Ähnlich könnte auch das aktuelle Enteignungs-Volksbegehren enden, bei dem in der 2. Stufe auf die explizite Forderung nach einem Enteignungsgesetz bereits verzichtet wird.

 

Rainer Balcerowiak

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