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MieterEcho online 14.04.2013

Immer wieder Freshfields

Die international tätige Anwaltsfabrik berät den Senat bei der Evaluierung des Wohnraumgesetzes.   [Benedict Ugarte Chacón]

Das Gesetz über den sozialen Wohnungsbau in Berlin (Wohnraumgesetz) trat am 10. Juli 2011 in Kraft und überführt – verkürzt gesagt – das bisher verfolgte Berliner Modell des stark zuschussabhängigen sozialen Wohnungsbaus in den „normalen“ Wohnungsmarkt. Mit dem Gesetz soll jedoch unter anderem den betroffenen Mieter/innen ermöglicht werden, bei einer Mieterhöhung nicht wie zuvor nach wenigen Wochen diese zu akzeptieren oder auszuziehen, sondern schafft unter bestimmten Bedingungen eine „Überlegungsfrist“ von drei Monaten und eine Auszugsfrist von sechs Monaten. Zudem wurde eine Härtefallregelung für Mieter/innen getroffen, deren Vermieter vom Wegfall der sog. Anschlussförderung, die Rot-Rot 2003 beschlossen hatte, betroffen sind. Dieser mit dem Wohnraumgesetz beschlossene faktische Ausstieg aus dem sozialen Wohnungsbau wurde von Wissenschaftler/innen und Mieterinitiativen scharf kritisiert. Doch nicht nur das bisherige System des sozialen Wohnungsbaus ist überaus komplex – die vom Senat eingeleitete Abwicklung scheint es ebenfalls zu sein. Zumindest deutet die Beauftragung der weltweit agierenden Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer darauf hin, die nun die bisherige Umsetzung der mit dem Gesetz eingeführten Maßnahmen evaluieren soll. Erhoben werden sollen dabei Daten unter anderem zu den bisherigen wohnungswirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen des Gesetzes. „Darüber hinaus wird nach Vorliegen der Evaluierung grundsätzlich auch darüber zu entscheiden sein, ob eine Novellierung des Wohnraumgesetzes Berlin den Ausstieg aus dem bisher bundesgesetzlich geregelten System der Kostenmiete und Überführung der Sozialmieten in die ortsübliche Vergleichsmiete beinhalten kann“, heißt es in der Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage der Piratenfraktion zur Tätigkeit von Freshfields. Während der Untersuchung werden laut Angaben von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) der Berliner Mieterverein, die Berliner MieterGemeinschaft, der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen und die Haus & Grund Eigentümerschutz-Gemeinschaft interviewt. Hinzu kommen von der Investitionsbank Berlin (IBB) ausgewählte Mieter/innen, die entweder den laut Wohnraumgesetz vorgesehenen Mietausgleich oder die Umzugskostenhilfe in Anspruch genommen haben, sowie betroffene Vermieter/innen. Nach Angaben von Müller erging der Auftrag an Freshfields nach vorheriger Ausschreibung im November 2012. Das Honorar beträgt 85 680 Euro. Auf die Frage, warum die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nicht selbst in der Lage ist, das Wohnraumgesetz zu evaluieren, gibt der Senat an, dass nicht genügend eigene Personalkapazitäten zur Verfügung stünden. Zudem sei „die Parteigebundenheit des Senats zu berücksichtigen […] Aus diesem Grund bietet sich für die Beauftragung der Evaluierung des Gesetzes die Einbeziehung externen Sachverstandes an.“ Warum der vom Senat beauftragte „externe Sachverstand“ weniger parteigebunden sein soll, als der Senat selbst, erschließt sich aus Müllers Antwort allerdings nicht. Laut Senat umfasst die Aufgabenstellung der Evaluierung auch „die entsprechende Darstellung der sich hieraus ergebenden Änderungsvorschläge für eine gesetzliche Nachfolgeregelung.“ Insbesondere die von Freshfields erbrachten gesetzlichen „Änderungsvorschläge“ dürften wohl zu Folgeaufträgen für entsprechende Rechtsberater führen.

Freshfields Bruckhaus Deringer war auch in anderen Angelegenheiten für das Land Berlin tätig. So beriet die Kanzlei den Senat bei der „Risikoabschirmung“ für die Bankgesellschaft Berlin mit dem Resultat, dass der Bankkonzern sein ruinöses Immobilienfondsgeschäft auf das Land übertrug und letzteres Risiken in einer Höhe von bis zu 21,6 Milliarden Euro übernahm. Nachdem die EU-Kommission die „Risikoabschirmung“ als wettbewerbsverzerrend befand und die Abstoßung der Berliner Anteile an der Bankgesellschaft anordnete, beriet Freshfields bei der Formulierung eines neuen Sparkassengesetzes, das einen Verkauf der Bank mitsamt der öffentlich-rechtlichen Berliner Sparkasse auch an einen privaten Investor möglich macht. Freshfields-Anwälte waren Jahre zuvor an der Konstruktion der teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe nach einem ähnlichen Modell wie dem der Bankgesellschaft beteiligt. Nach Angaben des „Berliner Wassertischs“ stiegen die Wasserpreise nach der Teilprivatisierung um 35 Prozent.

Weiteres zur Rolle von Freshfields Bruckhaus Deringer:

http://blog.abgeordnetenwatch.de/2012/07/25/diener-zweier-herren-wie-groskanzleien-die-bundesregierung-in-der-eurokrise-beraten/

www.ugarte-chacon.com/resources/versager_und_profiteure.pdf 

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