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Noch immer Probleme mit dem Dragoner Areal

Für das jahrelang umstrittene sogenannte Dragonerareal im Winkel zwischen dem Mehringdamm und der Obentrautstraße in Kreuzberg ist mit dem Hauptstadtvertrag vom 8. Mai eine - wenngleich noch nicht völlig geklärte - neue Situation eingetreten, nachdem der Bund das öffentliche Grundstück lange Zeit zum Höchstpreis angeboten hatte. Die Veräußerungen an meistbietende private Investoren durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) waren zweimal gescheitert, das letzte Mal infolge einer Blockierung durch den Bundesrat im September 2015. Mit der Übergabe des 47 000 Quadratmeter großen Geländes vom Bund an das Land Berlin ist der Bau von teuren Luxuswohnungen, der zuvor angesichts des hohen Kaufpreises von 36 Millionen Euro erwartet worden war, kein Thema mehr, und in den Verlautbarungen von Zuständigen auf Senatsebene ist verschiedentlich der Bau von vergleichsweise preiswerten Wohnungen und von Sozialwohnungen in Aussicht gestellt worden, wobei der jeweilige Anteil noch nicht verbindlich festgelegt wurde. Auch die Erhaltung von kiezbezogenem Gewerbe auf dem Gelände gehörte zu den noch informellen Zusagen.

Es besteht ein weitgehender Konsensus darüber und wurde so auch in den Medien kommentiert, dass es zu diesem Schritt der Übergabe an das Land Berlin, abgesehen von dem besonderen Einsatz des Finanzsenators, nicht ohne die zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Protestaktionen gekommen wäre. In der Berliner Zeitung vom 21. April heißt es etwa in einem Kommentar von Ulrich Paul: “Zu verdanken ist das den Initiativen vor Ort, die sich gegen den Verkauf an den Meistbietenden lautstark gewehrt haben, und dem Finanzsenator Kollatz-Ahnen (SPD), der mit Geschick im Bundesrat eine Mehrheit der Länder gegen die Privatisierung organisiert hat.“ (S. 8)

Inzwischen laufen bereits sogenannte “Auftakt“-Aktivitäten für Planungen, die nicht nur das Areal in den Grenzen des ehemaligen Kasernengeländes, sondern den im Juli 2016  als Sanierungsgebiet ausgewiesenen gesamten “Rathausblock“ betreffen, also auch das Terrain bis hin zur Yorckstraße, auf dem der Bezirksamtskomplex mit Hochhaus und Altbauten liegt sowie Wohnhäuser auf der einen Seite der Großbeerenstraße und der Obentrautstraße. Dafür beauftragt wurde vom Senat die Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N., die im Moment sehr bemüht ist, die Vorstellungen auch verschiedener Initiativen in ihre allgemeinen Planungsvorgaben mit einzubeziehen und daher einzelnen von ihnen wie Upstall e.V., Stadt von Unten, Kiezbündnis am Kreuzberg, Dragopolis, Wem Gehört Kreuzberg u.a.m. Gesprächstermine vorgeschlagen hat. Zwischen den Vorstellungen der Initiativen sowohl untereinander als auch gegenüber den Parteien auf Bezirks- und Senatsebene scheint es momentan noch Divergenzen zu geben, und ein länger andauernder, sicherlich nicht ohne Kontroversen verlaufender Diskussionsprozess ist zu erwarten. Der Anteil von sozial verträglichen Wohnungen und die Kriterien dafür dürften dabei eine wichtige Rolle spielen.

Es steht aber noch ein anderer aktueller Konflikt ins Haus, der sich gegen alle an solchen Diskussionen Beteiligte wendet und nach der bejubelten Nachricht von der Übergabe des Geländes an das Land Berlin weiterhin eine Hürde errichtet. Beim Abschluss des Hauptstadtvertrags wurde jetzt ausdrücklich erklärt, dass die Übertragung des Dragoner-Areals unter Vorbehalt steht. Voraussetzung auf Bundesseite sei, so teilte das von Wolfgang Schäuble geleitete Finanzministerium mit, die "vollständige Rückabwicklung eines im Jahr 2015 geschlossenen Kaufvertrages der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben über diese Liegenschaft." Der Hintergrund ist, dass die Anwälte des österreichischen Investors auch nach der Übertragung wieder erklärt haben, sie wollten Klage gegen die Rückabwicklung des Kaufs erheben, da dessen Verhinderung durch den Bundesrat rechtlich nicht zulässig gewesen wäre. Sie drohen in ihrer Erklärung mit Schadensersatzforderungen in zweistelliger Millionenhöhe. Ein entsprechender Rechtsstreit könnte sich lange hinziehen und vieles scheint momentan wieder im Ungewissen zu liegen.

 Jürgen Enkemann

 

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