MieterEcho online 18.10.2018
"Coral World" heißt Verdrängung
Mieter/innen und Gewerbetreibende wehren sich gegen Kommerzprojekt an der Rummelsbucht. Dabei haben sie auch die Mehrheit der LINKEN zum Kontrahenten.
Rund um den Bahnhof Ostkreuz in Berlin wird viel gebaut. Auf der Lichtenberger Seite, in der Hauptstraße 1 g-i, konnten bisher einige über 80jährige Wohnhäuser der Abrissbirne trotzen. Doch wie lange noch? Investoren wie Padovicz haben ein Auge auf das Areal zwischen Ostkreuz und Rummelsburger Bucht geworfen. Er hat mehrere sanierungsbedürftige Häuser in der Hauptstraße 1 g – i erworben. Den angegrauten Wänden sieht man an, dass hier lange nicht mehr renoviert wurde. Die Mieter/innen sollen verschwinden. „Die Hausverwaltung kümmert sich schon lange nicht mehr um die Häuser. Selbst das kaputte Dach wird nicht repariert“, klagt Manuela Kaiser (Name auf Wunsch geändert). Sie wohnt seit vielen Jahren in einem der Häuser und will dort auch bleiben. Daher organisiert sie mit einigen Nachbar/innen nicht nur Widerstand gegen die Abrisspläne des Eigentümers, sondern gegen die Bebauungspläne an der Rummelsbucht insgesamt. „Hinter den blumigen Versprechen der Investoren versteckt sich nichts anderes als Verwertung: Hier wird billiger Wohnraum beseitigt und teurer geschaffen“, so ihre Kritik. Die Bewohner/innen haben sich bereits vor Monaten in den Häusern organisiert und auch mit Initiativen aus anderen Stadtteilen sowie dem berlinweiten Blog von Padovicz-Mieter/innen "Padowatch" vernetzt. Seitdem mehreren sich auch rund um die Rummelsbucht die Proteste. Anfang September gab es eine Ortsbegehung zu Orten von Verdrängung und Protest. Am 18. Oktober richtet sich der Unmut gegen die Bezirksverordnetenversammlung von Lichtenberg. Denn dort soll der Bebauungsplan Ostkreuz beschlossen werden, der nach Meinung der Kritiker/innen einen „Ausverkauf wie in San Francisco“ bedeuten würde.
Tourismusprojekte in der Kritik
Kern des Bebauungsplans Ostkreuz ist die "Coral World", ein Riesenaquarium. Dabei handelt es sich um einen kommerziellem Entertainment-Aqua-Park, der pro Jahr 500.000 Besucher/innen anziehen soll. Deshalb sollen auch neue Hotels an der Rummelsbucht entstehen. Sollten diese Pläne umgesetzt wären, droht eine Touristifizierung des Areals zwischen Rummelsbucht und Ostkreuz. Wie in anderen Stadtteilen, in denen der rote Teppich für den Tourismus ausgerollt wird, mögen dort neue prekäre Arbeitsplätze entstehen. Doch Menschen mit geringen Einkommen können sich die Wohnungen dort dann nicht mehr leisten. Daher findet das Motto „Bebauung heißt Verdrängung“ viel Zustimmung unter den Mieter/innen und Gewerbetreibenden an der Rummelsbucht. Dabei geht es gegen den Bau von Projekten wie "Coral World" und Nobelhotels und nicht gegen den Bau von bezahlbaren Wohnungen. Gemeinsam will man den Lichtenberger Bezirksverordneten deutlich machen, dass das Areal um die Rummelsbucht kein Brachland ist, das durch Tourismusprojekte erschlossen werden muss. Besonders für die LINKE, die in der BVV-Lichtenberg stärkste Fraktion ist und mit Michael Grunst den Bezirksbürgermeister stellt, kann die Auseinandersetzung turbulent werden. Während Grunst das Projekt "Coral World" als gut für den Bezirk lobt, unterstützen einige Mitglieder der Linksfraktion in der BVV die Kritiker/innen. Sie dürften allerdings in der BVV gemeinsam mit den Mitgliedern der Fraktion der Grünen, die den Bebauungsplan Ostkreuz in der bestehenden Form ablehnen, in der Minderheit bleiben. Nun muss sich zeigen, ob die Kritiker/innen mehr Druck von Außen aufbauen können, um eine neue Tourismuszone an der Rummelsbucht zu verhindern.
Peter Nowak