Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 19.06.2015

„Es geht um mehr als nur um einen Gemüseladen“

„Je suis Bizim Bakkal“, „Wir sind Gemüseladen“ oder einfach nur "Wir sind Bizim-Kiez“. Solche Sprüche waren am Mittwochabend rund um die Wrangelstraße 77 massenhaft zu sehen. Dort betreibt Ahmet Caliskan seit 28 Jahren den Bizim Bakkal, was auf Deutsch “Unser Gemüseladen“ heißt. Viele der Anwohner/innen nehmen diese  Bezeichnung sehr ernst. Das zeigte sich bei der ersten Nachbarschaftsversammlung am 10. Juni. Kurz vorher war bekannt geworden, dass die Eigentümerin Wrangelstr. 77 GmbH bei der die Immobilienfirma Gekko Real Estate GmbH ein Vertriebspartner ist, den Ladeninhaber zum 30. September 2015 gekündigt hat.
„Ich habe mit anderen Anwohnern Einladungen für eine Nachbarschaftsversammlung verbreitet, nachdem  ich von der Kündigung erfahren hatte. Wir  haben mit ca. 25 Menschen gerechnet, gekommen sind aber 125", erklärt Nachbar Martin Steinbach gegenüber dem MieterEcho.  Auch viele junge Menschen seien gekommen, die konkrete  Aktionsvorschläge beigesteuert haben. Sofort wurden Flyer und Plakate gestaltet und eine Homepage erstellt.  So hat sich  Protest gegen die Kündigung des Ladens schnell  auf der Straße und im Internet verbreitet. Am 17.Juni beteiligten sich  mehrere Hundert Menschen an der Kundgebung. “Wir müssen noch viel mehr werden“, rief eine Rednerin und bekam viel Applaus. Doch auch eine SPD-Politikerin wurde  mit Applaus bedacht, als sie sich vor dem Offenen Mikrofon für den Erhalt des Gemüseladens einsetzte. Da wollte niemand die Harmonie stören und daran erinnern, dass die Politik der SPD in Bund und Ländern Immobilienfirmen wie der Gekko Real Estate GmbH den roten Teppich ausgelegt hat. Viele, der am Protest Beteiligten, ist der Stolz in der Stimme anzuhören,  dass schon nach der kurzen Protestzeit  in- und ausländischen Medien über den Kampf in der Wrangelstrasse berichten.
 
Mit dem Laden werden die Kunden vertrieben

Wenn die Bildzeitung ihren Bericht mit der Schlagzeile „Rührender Protest in Berlin – Hier kämpft ein ganzer Kiez für einen Gemüseladen“ aufmacht,  wird deutlich,  wie die Proteste entpolitisiert werden sollen. Für Mieterin Gisela Stangenberg hat der drohende Rauswurf des Bizim Bakkal das Fass zum Überlaufen gebracht. „Im  Wrangel-Kiez sind viele kleine Gewerbetreibende ebenfalls vom Rauswurf betroffen, weil sie die hohen Mieten nicht zahlen können“, berichtet sie gegenüber MieterEcho. Viele von ihnen seien vor Jahren mit öffentlichen Geldern gefördert worden, damit sie aus der Erwerbslosigkeit kommen. Nun stehen sie vor dem  Aus. Stangenberg spricht von einem Investorentsunami, der über den Stadtteil zieht. „Nicht nur die  Läden, auch den Kunden, die oft nur wenig Einkommen haben, droht die Vertreibung. Dagegen wehren wir uns“, erklärt eine andere Nachbarin.  Schließlich ist in der  Öffentlichkeit weniger bekannt, dass in der  Wrangelstraße 77 außer dem Gemüseladen auch die dort lebenden MieterInnen verschwinden sollen. Der neue Eigentümer bietet Umzugsprämien bis zu 28000 Euro an. Ein Mieter erhielt das Angebot, eine Wohnung von knapp 100 Quadratmeter für vierhundertdreißigtausend Euro zu kaufen.  Zwei Mietparteien überlegen mittlerweile, sich gegen die Kündigungen zu wehren, berichtet  Martin Steinbach.  Viele aber seien auch eingeschüchtert und noch unsicher, wie sie auf den drohenden Rausschmiss reagieren sollen. Die aktuellen Proteste könnten eine Unterstützung für sie sein. Das zeigte sich am vergangenen Mittwoch, als in der Oppelner Straße in unmittelbarer Nähe des Gemüseladens eine Zwangsräumung verhindert wurde. Ca. 50 Menschen blockierten den Zugang zum Haus, so dass die Gerichtsvollzieherin  den Rückzug antreten musste. Das Amtsgericht Kreuzberg lehnte  einen Räumungsschutz ab, den die Mieterin per Eilantrag durchsetzen wollte, obwohl ihr ein amtsärztliches  Attest bescheinigt, aus gesundheitlichen Gründen nicht umzugsfähig zu sein.  In zwei Wochen soll es einen  weiteren Räumungsversuch geben. Dann wird sich zeigen, ob die sich auch einige der NachbarInnen beteiligen, die  durch die Solidarität mit Bizim Bakkal politisiert wurden.
Peter Nowak

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