Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 16.12.2017

Ausgrenzung und Vertreibung statt Hilfe


Das Vorgehen des Bezirksamts Mitte gegen Obdachlose war das Thema einer gemeinsamen Veranstaltung der Bezirksgruppe Wedding der Berliner MieterGemeinschaft und der Freien Arbeiter Union (FAU). Über 50 Interessierte kamen am Freitag Abend in das FAU-Lokal in der Grüntaler Straße.

Am 30. Oktober räumte das Ordnungsamt, begleitet von einem großem Polizei- und Medienaufgebot, einen illegalen Zeltplatz im Tiergarten. Die Räumung sei „die konsequente Fortsetzung der stetigen Bemühungen des Bezirkes, die Fehlnutzung des Tiergartens und des öffentlichen Raums in anderen Teilen des Bezirks im Rahmen seiner Möglichkeiten einzudämmen", hieß es in einer Erklärung des Bezirksamts. Als Einpeitscher des rigiden Vorgehens fungierte Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne), der vor der Räumung erklärte hatte: „Diese Menschen haben hier kein Bleiberecht. Berlin muss sich ehrlich machen und die Abschiebung ernsthaft prüfen.“
Das Vorgehen im Tiergarten sei aber keineswegs ein Einzelfall in Berlin-Mitte, berichtete eine Vertreterin der Berliner Obdachlosenhilfe e.V.  Entlang der Spreewege und besonders im Hansaviertel, einem gutbürgerlichen Wohngebiet mit vielen Eigentumswohnungen, würde ein „Bürgerverein“ mit Unterstützung des örtlichen SPD-Bundestagsabgeordneten Thomas Isenberg massiv Stimmung  gegen Obdachlose machen und deren Vertreibung einfordern. So sei erfolgreich Druck auf einen großen Supermarkt ausgeübt worden, die wöchentliche Ausgabe von Essen, Kleidung und Schlafsäcken auf dem Parkplatz des Geschäfts zu unterbinden. Auch die Kirchengemeinde am Hansaplatz hat der Obdachlosenhilfe die Nutzung ihres Grundstücks mittlerweile untersagt. Zudem hätten Anwohner die Mitarbeiter der Obdachlosenhilfe „massiv bedroht und beschimpft“ .
Für den Journalisten und Buchautoren Lucius Teidelbaum ist dies Ausdruck einer in Deutschland weit verbreiteten „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“, die er als „Sozialdarwinismus“ bezeichnet. Obdachlose würden von großen Teilen der Bevölkerung quer durch die sozialen Milieus und die Parteipräferenzen pauschal als „Asoziale“ und „Schmarotzer“ wahrgenommen, die es auszugrenzen gelte, da sie ihre Lage selbst verschuldet hätten. Neben dieser strukturellen Gewalt gebe es auch unzählige Übergriffe auf Wohnungslose, bis hin zu schweren Körperverletzungen und Tötungsdelikten. Dabei gebe es auch eine rassistische Komponente bei diesen  Übergriffen, vor allem gegen Ost- und Südosteuropäer. Auch sei es besonders in ostdeutschen Städten mittlerweile verbreitet, dass Gruppen aus dem NPD- und PEGIDA-Umfeld gezielt Hilfe ausschließlich für deutsche Obdachlose anbieten.
Philipp Möller von der Berliner MieterGemeinschaft verwies auf die Dramatik der Entwicklung. Die öffentlich sichtbare Obdachlosigkeit sei dabei nur die Spitze des Eisbergs. Berlin sei die „Hauptstadt der Wohnungslosigkeit“, bis zu 40.000 Menschen hätten keine eigenständige Wohnmöglichkeit und seien mehr oder weniger notdürftig untergebracht, ohne reale Chance auf eine reguläre Wohnung. Das „geschützte Segment“ für Betroffene sei auf derzeit 1300 Wohnungen geschrumpft. Und solange es in der Stadt kein wirklich ambitioniertes Neubauprogramm gebe, um allen hier lebenden Menschen selbstbestimmtes menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen, werde sich daran auch nichts ändern, so Möller. Im Gegenteil: Es sei mit einer deutlichen Zunahme der Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu rechnen.

Rainer Balcerowiak


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