Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 447 / Februar 2025

Wohnungsbau auf dem Abstellgleis

Schuldenbremse verschärft Wohnungskrise

Von Mechthild Schrooten

Die Wohnungsfrage ist für Menschen zentral. Bezahlbarer Wohnraum ist in Deutschland vielfach knapp. Gerade in Ballungsgebieten hat sich das Thema Wohnungsnot inzwischen chronifiziert. Dabei galt die Wohnungsfrage eigentlich in den 1990er Jahren in Deutschland gelöst.  Doch die dynamische Bevölkerungsentwicklung, die leichtfertige Privatisierung von vormals in öffentlichem Eigentum befindlichen Wohnungen, der Verkauf von Werkswohnungen, aber auch die zunehmende Vermögensungleichheit haben dazu beigetragen, dass die Wohnungsfrage inzwischen wieder zu einem der brennendsten sozialen Themen geworden ist. 

Mit seinem hohen Anteil an Mietwohnungen weist der deutsche Wohnungsmarkt im EU-Vergleich eine Besonderheit auf. Die Wohneigentumsquote liegt in Deutschland bei vergleichsweise geringen 47%. Das ist der mit Abstand niedrigste Wert in der EU. In Deutschland sind traditionell viele Menschen auf Mietwohnungen angewiesen. Wohnungsmieten sind gleichzeitig große und stetig wachsende Ausgabenposten der privaten Haushalte. Bei einem nachfragedominierten Wohnungsmarkt schnellen sie automatisch nach oben. Dazu kommt, dass die Immobilienpreise in den letzten Jahren kräftig anzogen – der Erwerb von Wohneigentum hat sich deutlich verteuert.

Umso schlimmer ist es, dass in Deutschland viel über Wohnungsknappheit geredet, aber wenig gegen sie unternommen wird. Die Politik zeigt sich weitgehend einfallslos. Faktisch jedoch hat sie nennenswert zu der aktuellen Situation beigetragen. Die Schuldenbremse, die wie eine Investitionsverhinderung wirkt, verschärft die Situation weiter. 

Fragwürdiges Fördersystem

Gerade deshalb war es so wichtig, als in den vergangenen Jahren politisch gesetzte Zielzahlen für den Wohnungsbau veröffentlicht wurden. Demnach sollten jährlich 400.000 neue Wohnungen entstehen. Von diesen sollten ein Viertel als Sozialer Wohnungsbau öffentlich gefördert werden. Dazu werden Milliardenbeträge bereitgestellt. Schon einmal vorab: Die Zielzahlen wurden in den letzten Jahren nicht erreicht, sondern teilweise kräftig verfehlt. Das darf nicht weiter verwundern. Denn Wohnungsbau lässt sich in dieser Gesellschaft nicht einfach verordnen. Wohnungsbau ist Investition. Investitionen werden immer dann gedämpft, wenn Unsicherheiten zunehmen.

Und tatsächlich waren die Jahre seit 2020 mit hohen Unsicherheiten behaftet. Corona ist hier nur ein Stichwort. Die Inflation und eng damit verbunden die steigenden Baukosten und steigende Zinsen schlagen bei jeder Kalkulation zu Buche. Dazu kommen Unsicherheiten bezüglich neuer Regulierungen – auch in Bezug auf die energetischen Standards – und eine insgesamt schleppende gesamtwirtschaftliche Entwicklung. All das wirkt wenig ermutigend auf den Privatsektor, langfristige Projekte wie Wohnungsbau zu verfolgen. Auch die unsichere weltpolitische Lage – Stichwort Krieg in der Ukraine – wirkt dämpfend auf langfristige Investitionspläne.

In einer solchen Situation gibt es gute Argumente für eine staatliche Förderung. Gerade im Bereich Sozialer Wohnungsbau. Solche finanziellen Förderprogramme sind in einer Marktwirtschaft üblich, wenn erhebliche Knappheiten bestehen. In der besonderen Situation der letzten Jahre, die auch von wirtschaftlicher Schwäche geprägt wurden, hätte von einem massiven Finanzierungsschub durch den Staat auch ein deutlicher gesamtwirtschaftlicher Impuls ausgehen können. Davon würde dann auch die Gesamtwirtschaft profitieren.

Die staatliche Förderung des Sozialen Wohnungsbaus läuft über mehrere Ebenen. Die Bundesebene hatte beispielsweise 2023 Mittel in Höhe von 2,5 Milliarden Euro bereitgestellt, dazu kommen Gelder aus den Haushalten der Bundesländer. Mit diesen staatlichen Förderungen sollte bezahlbarer – sozialer – Wohnraum geschaffen werden. Im Kern könnte so das Angebot an bezahlbarem Wohnraum steigen. 

Tatsächlich ist diese Art des Sozialen Wohnungsbaus allerdings recht umstritten. Es handelt sich dabei um eine Objektförderung. Theoretisch gehen von einer solchen Förderung Impulse für den gewinnwirtschaftlich orientierten Unternehmenssektor aus, gerade für weniger einkommensstarke Haushalte ansprechende Wohnungen bereitzustellen. Praktisch zeigt die Geschichte des so gefassten Sozialen Wohnungsbaus auch die Schwächen des Konzeptes. Der Staat sichert gewissermaßen ein Investitionsrisiko ab. Renditeaussichten oder Beteiligungen werden dem Staat aber nicht eingeräumt. Explodieren beispielsweise die Immobilienpreise, so profitiert der Staat nicht davon. Der Wertezuwachs fällt dann einzig bei dem Investor an, der so sein Vermögen weiter ausbauen kann. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die soziale Bindung der Wohnungen in der Regel zeitlich befristet ist.

Offenbar jedoch sind die aktuellen Konditionen für private Investoren wenig attraktiv. Das mag auch an den Unsicherheiten, aber auch an der Höhe der Förderung liegen. Der Privatsektor scheint die Fördergelder eher selten in Anspruch zu nehmen. Vor diesem Hintergrund wäre es für den Staat besonders klug, diese Förderung beispielsweise kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zugutekommen zu lassen. Denn dann würde mit dem Geld öffentliches Eigentum finanziert. Doch in diesem Setting stellt sich die Frage: warum also nicht gleich öffentlicher Wohnungsbau?

Hier kommt die Schuldenbremse ins Spiel. Denn mit der Schuldenbremse lassen sich nur sehr begrenzt öffentliche Kredite aufnehmen. Wohnungsbaufinanzierung ohne Kredite ist allerdings kaum denkbar. In Zeiten niedriger Zinsen wurde mit dieser Finanzierungsbremse auch die Möglichkeit aus der Hand gegeben, bezahlbaren Wohnraum in öffentlicher Hand zu schaffen und entsprechende Vermögenswerte aufzubauen.    

Keine Trendwende in Sicht

Zwar würde einiges für einen intelligent finanzierten öffentlichen Wohnungsbau auf der kommunalen Ebene sprechen. Die Schuldenbremsen der verschiedenen staatlichen Ebenen verhindern dies allerdings nachhaltig. Dabei ließe sich relativ leicht der Finanzierungsbedarf für ein solches Projekt bestimmen. Um 100.000 Wohnungen jährlich zu finanzieren, kam die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik bereits 2018 auf eine Untergrenze von 18 Milliarden Euro jährlich.

Inzwischen dürfte sich der Finanzbedarf zu Schaffung von Wohnraum erhöht haben. Nehmen wir den Faktor 1,5 an, dann würde sich ein Finanzbedarf von 27 Milliarden Euro jährlich ergeben. In einer Modellrechnung kann unterstellt werden, dass 60% davon als Kredit aufgenommen würden. Doch zu einer solchen Finanzierung wird es angesichts der Schuldenbremse kaum kommen. Gesamtwirtschaftlich wird immer klarer: Die Schuldenbremse wird zunehmend zu einer Zukunftsbremse. Dies liegt auch an ihrer mechanistischen Ausgestaltung. Die Idee vom bezahlbaren Wohnraum in öffentlicher Hand bleibt damit gerade in Ballungsräumen ein Traum.

Und so haben wir uns schon daran gewöhnt: Für den Privatsektor sind die Zielzahlen der Bundesregierung nicht relevant. Die Finanzierungs- und Förderbedingungen für den Sozialen Wohnungsbau sind für private Investoren nicht attraktiv. In der Konsequenz bleibt die Fertigstellung von Wohnungen kräftig hinter den Planungen zurück. Folglich wird bezahlbarer Wohnraum gerade in Ballungsräumen immer knapper.

Auch für die Zukunft ist – insbesondere in Ballungsräumen – keine Trendwende in Sicht. Vielmehr sind die Baugenehmigungen für Wohnungen deutlich eingebrochen. So meldete das Statistische Bundesamt im November 2024, dass im Zeitraum Januar bis September gerade einmal 157.000 Baugenehmigungen für Wohnungen erteilt wurden. Das ist ein Minus von knapp 20% gegenüber dem Vergleichszeitraum 2023. Die Baugenehmigungen für Wohnungen gelten als wichtiger Frühindikator für die weitere Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt. Es zeichnet sich keine Entspannung ab. Das öffentlich verlautbarte Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr wird jedenfalls auch in den nächsten Jahren deutlich unterschritten werden.

Gleichzeitig entsteht der Eindruck, dass dies der Politik relativ egal sei. Denn das Zurückbleiben hinter den Planungswerten beim Wohnungsbau hat keine nennenswerten, unmittelbaren, politischen Konsequenzen. Interessanterweise feuert diese Zielverfehlung auch nur begrenzt die öffentliche Diskussion an. Protestbewegungen gibt es kaum. Betroffen – und vielfach allein gelassen – sind diejenigen, die dringend eine Wohnung brauchen. Deren Lobby scheint nicht besonders groß zu sein.   

 

Mechthild Schrooten arbeitet als Professorin für Volkswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Geld und Internationale Integration an der Hochschule Bremen. Sie ist auch Sprecherin der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik („Memogruppe“).


MieterEcho 447 / Februar 2025

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