Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 449 / Mai 2025

Volle Ausschöpfung

Vonovia-Vorstand verspricht ein neues Wachstumsmodell – das bedroht die Mieter/innen und steht auf wackligen Füßen

Von Knut Unger

Im Geschäftsjahr 2024 musste die Vonovia zum dritten Mal in Folge ihre fiktionalen Immobilienwerte abschreiben. Zinsen und Kosten des hochverschuldeten Konzerns drohen in Folge von Aufrüstung und Zöllen zu steigen. Trotzdem will der Vorstand die Dividendenausschüttung um 36% auf gut eine Milliarde Euro erhöhen. Zur Rechtfertigung wird den Investoren ein neues Wachstumsmodell versprochen.

„Kein anderes Unternehmen besitzt mehr Mietwohnungen als wir. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir unser Potenzial voll ausschöpfen und als Marktführer mit neuen Perspektiven vorangehen können“, sagte Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender der Vonovia, am 19. März bei der Präsentation der Geschäftsergebnisse für 2024.

Die Mieter/innen erleben längst, mit welchen Methoden ihre Ausschöpfung betrieben wird: Frei erfundene Mietspiegelaufschläge und selbst geschriebene Nebenkostenrechnungen, verschleppte Reparaturen und eine abwesende Wohnungsverwaltung, digitale Kontrolle durch „Mieter-Apps“ und „Spionage-Rauchmelder“… Das neue Wachstumsmodell droht all das noch zu verschärfen. Aber auch aus Investorensicht kann bezweifelt werden, dass das in der Niedrigzinsphase finanzierbare Modell der Unternehmensaufkäufe einfach durch die intensivere Abschöpfung der zusammengerafften Plattform ersetzt werden kann.    

In den Jahren nach der Jahrtausendwende verscherbelten Staat, Kommunen und Industrieunternehmen über eine Million Wohnungen an die transnationale Finanzindustrie und schufen so die Vorgänger der heutigen Vonovia: Deutsche Annington, Gagfah und Deutsche Wohnen. Die Private Equity Fonds bauten ihre Eroberungen in Windeseile in hochverschuldete, aber renditeoptimierte Immobilienplattformen um. Nach Überwindung der Verbriefungskrise in den Jahren nach 2008 verscherbelten die Fonds ihre Beteiligungen gewinnbringend an der Börse.

Die Kapitalflut der Niedrigzinsphase ermöglichte dann gigantische schuldenfinanzierte Übernahmen innerhalb der finanzialisierten Wohnungswirtschaft. Am Ende überlebte die Vonovia als größter Platzhirsch. Im Jahr 2021 besaß sie 565.000 Wohnungen. Sie war das größte Wohnunterunternehmen Europas.

Im selben Jahr wurden 45% der bereinigten Mieteinnahmen als Dividenden ausgeschüttet. Gedeckt waren sie nur durch weitere Wachstumsversprechungen und die steigenden Mieten. Die Verschuldung pro Wohnung war binnen sieben Jahren von 31.000 auf 80.000 Euro gestiegen. Das schadete nichts – solange das Geld billig war.

Krisenmanagement 

Aber dann kam die Zinswende. Plötzlich drohten der Vonovia Zahlungsschwierigkeiten. Denn die angehäuften Schulden bestanden zum Großteil aus Anleihen mit begrenzter Laufzeit, deren Ablösung jetzt teuer wurde. Der Konzern musste umsteuern. Der gerade erst leicht angesprungene Neubau von eigenen Wohnungen auf eigenen Grundstücken wurde gestoppt. Um die Schuldenlast abzubauen, wurden Strategien zum lukrativen Verkauf von Bestandsimmobilien aufgelegt. Das funktionierte schlecht. Erst die Beteiligung anderer Finanzinvestoren an immobilienhaltenden Tochterunternehmen brachte nennenswerte Entlastung, allerdings um den Preis einer verringerten Rendite und Kontrolle.

Als sich dann im Laufe des Jahres 2024 Senkungen der Leitzinsen abzeichneten, glaubte die Vonovia, ein baldiges Ende der Krise verkünden zu können. Ein Zurück zu den Boomjahren wurde aber selbst da nicht erwartet. Bei der Veröffentlichung des Quartalsberichts im November 2024 verkündete Vonovia-Chef Buch ein neues Wachstumskonzept. Um die Baukapazitäten des Tochterunternehmens BUWOG besser auszulasten, war die Vonovia Joint Ventures mit anderen Investoren eingegangen, die die Gebäude formell erwarben, der Vonovia jedoch die Verwaltung überließen. Die Vonovia rollte diesen aus der Not geborenen Ansatz zum Generalplan aus. In Zukunft sollten auch die in Tochterunternehmen ausgelagerten wohnungsnahen Dienstleister für Dritte tätig werden. Buch erzählte von großen Potenzialen bei der Übernahme der energetisch erneuerungsbedürftigen Wohnungen „gestrandeter“ Investoren, die man günstig aufkaufen, seriell sanieren und dann mit Gewinn veräußern könne. Umgesetzt wurde davon noch nichts. Ist es nur ein weiteres Märchen, um die Investoren bei Laune zu halten?

Die Vonovia hat öffentlich verkündet, das Nicht-Vermietungsgeschäft an den operativen Ergebnissen von derzeit 9% bis 2028 auf 20 bis 25% zu steigern. Klingt bombastisch. Tatsächlich würde es aber nur den Rückgang dieser Geschäftsbereiche in den letzten zwei Jahren kompensieren. Das Einzige, was bei der Vonovia weiterhin tatsächlich boomt, sind die Mietsteigerungen. Diese betrugen im letzten Jahr 4,1%. So viel wie noch nie. Davon gehen 2,8 Prozentpunkte auf das Konto leistungsloser Erhöhungen der Bestands- und Neuvertragsmieten. Auch das ist mehr als in den Jahren zuvor.

Die Dividendenrate, also der Anteil der Mieteinnahmen, der in die um andere Geschäftsergebnisse bereinige Ausschüttung fließt, wird in diesem Jahr bei 29% liegen. Das heißt: Von jedem Euro Miete des Jahres 2024 fließen durchschnittlich 29% an die Aktionäre. Pro Wohneinheit sind es im Durchschnitt monatlich 147 Euro. Die Zinsbelastungen des Mietwohnungsbestandes sind auf schätzungsweise 24% der Mieteinnahmen gestiegen, monatlich 121,98 Euro. Damit geht mehr als die Hälfte der Mieten direkt an die Finanzinvestoren. Für die eigentliche Bewirtschaftung (Verwaltung und Instandhaltung) werden nur 23 Cent pro Euro Miete eingesetzt. Zu den Zielen der neuen Wachstumsstrategie gehört, diesen Anteil durch Standardisierung und Digitalisierung noch zu verringern. 

Kaum sind die dunklen Wolken der hohen Leitzinsen etwas abgezogen, droht dem Vonovia-Wachstum neues Ungemach. Die extrem hohen Staatsanleihen, die der Bund für die Aufrüstung und das Sondervermögen Infrastruktur aufnehmen soll, treiben die Zinsen und verteuern die Kredite und Anleihen, die die Vonovia begleichen muss, um die alten abzulösen. Bis 2030 muss der Konzern jährlich zwischen 4 und 5 Milliarden Euro Schulden ablösen. So viel geben auch die Mietsteigerungen nicht her. Wenn jetzt vor allem Kasernen gebaut werden müssen, werden Arbeitskräfte für den Wohnungsbau noch rarer. Der Vonovia-Vorstand fleht deshalb nach niedrigeren Bauauflagen und Subventionen.

Szenarien der weiteren Entwicklung

Wie sich die Vonovia unter diesen Voraussetzungen weiterentwickeln wird, ist schon wegen der weltpolitischen Disruptionen nicht abzuschätzen. Ich stelle mir aber drei Szenarien vor.

Szenario 1: Weiter so.  Es kommt in der Welt zu gewaltigen Umbrüchen, die politischen Rahmenbedingungen für die Wohnungswirtschaft ändern sich aber kaum. Die Vonovia muss hohe Zinsen und Kosten bewältigen. Wegen der Wohnungsnot wachsen aber auch ihre Mieteinnahmen, und die Auslastung der Unternehmensressourcen kann sie tatsächlich optimieren. Wachstumssprünge erfolgen aber nicht. Zwar halten hohe Dividenden das Anlegerinteresse vorerst auf einem existenzsichernden Niveau, sie zehren aber an der Substanz. Joint Ventures gestalten sich schwieriger. Die Vonovia versucht vielleicht, auf Verkäufe an Kommunen auszuweichen. Die Konflikte könnten zunehmen. Der Konzern wird schleichend geschwächt. Das zieht sich noch lange so hin.  

Szenario 2: Entglobalisiertes Finanzregime. Die Regierung bezieht die Förderung des privaten Wohnungsbaus in das Sondervermögen mit ein. Sie baut bestehende Standards und Mieterschutzbestimmungen ab. Die Vonovia kann ihr Potenzial an Grundstücken und Produktionsmitteln zur Umsetzung der Wohnungsbauziele anbieten. Das bringt ihr einen begrenzten neuen Boom, den Mieter/innen aber keine stabilen Mieten. Die neue globale Sicherheitslage und das Ende des Freihandels könnten Motive werden, ein stärker nationales (oder europäisch koordiniertes) Regime finanzindustriell-etatistischer Partnerschaft aufzubauen, das dann auch vorübergehende Eingriffe in die Mieten einschließen kann, wenn die Konzerne dafür entschädigt werden.

Szenario 3: Soziale Transformation. Es kommt aufgrund der Wohnungsnot zu einer neuen Mieterbewegung, die sich bei der Vonovia in Zurückbehaltungskampagnen ausdrückt. Der Ruf nach öffentlicher Kontrolle und Vergesellschaftung der Wohnungsriesen wird wieder lauter. Die Vonovia muss partiell nachgeben, was die Gewinne schmälert. Es wird noch weniger in den Wohnungsunterhalt investiert. Der durch Aufrüstung und Exportrückgänge verschuldete Staat sieht sich gezwungen, die Mieten zu deckeln. Das ist für die Vonovia wirtschaftlich nicht tragfähig. Die Vergesellschaftung gelingt zu einer akzeptablen Entschädigung und besiegelt das Scheitern eines von Anfang an verfehlten Geschäftsmodells.

 

Knut Unger ist Sprecher des MieterInnenvereins Witten u. Umg. e.V. und aktiv bei der Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen und dem bundesweiten MieterInnenbündnis VoNO!via & Co.


MieterEcho 449 / Mai 2025

Teaserspalte

Berliner MieterGemeinschaft e.V.
Möckernstraße 92
10963 Berlin

Tel.: 030 - 21 00 25 84
Fax: 030 - 216 85 15

Email: me(at)bmgev.de

Abonnement

MieterEcho gedruckt

Unter der E-Mail-Adresse
me (at) bmgev.de

oder den obigen Kontaktdaten kann das MieterEcho kostenfrei bestellt werden.