Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 449 / Mai 2025

Rebellische Städte

Ein Buch verdeutlicht das Wesen der kapitalistischen Stadt

Von Karin Baumert

Wie wunderbar waren die Zeiten, als es noch kommunale Investitionen gab. Der Senat plante, der Bezirk investierte und genehmigte Bauvorhaben nach Plan. Dazu gab es einen bunten Strauß an Planungsinstrumenten, von der vorzeitigen Bürgerbeteiligung, über verschiedene Formen der Ideenfindung, der Abwägung öffentlicher Belange bis hin zur Bauleitplanung.

Nun freuen wir uns angeblich über den Ankerinvestor. Ihm wird der Teppich ausgerollt. Fördergelder werden ihm genehmigt und schnell nach §34 BauGB genehmigt, das heißt so viel wie „es darf gebaut werden, wie es in der Umgebung bereits aussieht“. Es hielt sich der Grundsatz „Privat macht es besser als Verwaltung“. Angeblich würden private Investoren effizienter sein. Eines der ersten öffentlichen Gebäude, das nicht mehr die Stadt selbst über kommunale Investitionsmittel baute, war das blaue Rathaus in Mitte. Es ist hinter dem Kino International gleich hinter dem Alexanderplatz auf dem Weg zum Strausberger Platz blau leuchtend zu sehen. 

Herr Landowsky von der CDU fädelte den Deal ein. Er wurde später durch den Berliner Bankenskandal berühmt. Es wäre interessant auszurechnen, ab wann die Miete der Kommune direkt in die Profite fließt, weil die Baukosten abgezahlt sind. Denn darum geht es bei der „Privat macht es besser als kommunal“-Ideologie: Die Kommune investiert nicht mehr, sondern zahlt in private Taschen.

Das Prinzip der Privatisierung des Gemeinwesens griff dann um sich. Die Daseinsvorsorge von der Rente bis zum Wohnungsbau; immer soll die private Vorsorge deine Zukunft sichern. Berlin ist nun aber vor allem die Zukunft der Armut. Ein Regierender Bürgermeister meinte, das wäre sexy. Er war nie arm. 

Als Mieter/in kannst du dir eine Eigentumswohnung kaufen, dann wegen Eigenbedarf den alteingesessenen Mieter/innen kündigen und mit den neuen Mieter/innen deine Kreditrate absichern. Die Wohnung ist eine Ware und hast du das Geld dafür, freust du dich über deinen Kiez. Dort wohnen zunehmend von deinesgleichen, und der ändert sich genau dadurch. So können deine Kinder gepflegt in die Schule kommen und der Dreck und die Drogen hören endlich auf. Wann kommt denn nun endlich der Zaun um meinen Park!

Kleine Kämpfe und das große Ganze

Berlin segregiert sich (vom Einkommen her). Berlin gentrifiziert sich (verdrängt wird, wer nicht zahlen kann). Seit einigen Jahren kamen dann noch diese kommunalen Abwehrkämpfe, wie der Milieuschutz, das Vorkaufsrecht usw. Baustadträte wurden zu Aktivisten und schrieben Bücher darüber. Unterschriften sollten das Regierungshandeln zwingen, endlich zur Vernunft zu kommen. Aber – es bleibt dabei – privat kann es nicht nur „besser“, sondern ist auch stärker.

Doch nun die gute Nachricht: Das alles kann man erkennen. Ob bei einer Zwangsräumung oder wenn Vonovia die Betriebskosten abrechnet. Nun kommt auch noch BlackRock als Kanzler um die Ecke. Wir können erkennen, dass ihre Profite auf unseren Bedürfnissen beruhen. Die Stadt ist zur sichtbaren Form eines entfesselten Kapitalismus geworden, indem Geld mit Geld produziert wird.

Aber das Recht auf Stadt, auf Teilhabe an der Gesellschaft wird längst erkämpft. Wir kämpfen nicht nur gegen eine Zwangsräumung, sondern damit auch für eine andere Stadt. Rebellische Städte brechen das Prinzip „Privat“. Wir schauen immer genau hin, wer hinter dem Kapital steht und wo das Geld hinfließt. Im Hier und Jetzt bauen wir schon heute an der Freiheit, die wir uns nehmen, an politischer Selbstbestimmung in Solidarität. In jedem Kampf ist der revolutionäre Impuls für eine antikapitalistische Stadt.

Gegen die kommerzialisierten, regulierten und kontrollierten Orte setzen wir Räume der Offenheit und Selbstverwaltung. Wir leben die Alternativen und haben die Deutungshoheit. Wir dekonstruieren die soziale Ungleichheit, machen sie sichtbar und verzichten auf Abgrenzungsrituale. Dort fängt das richtige Leben für alle an. Rebellische Städte sind seit der Pariser Kommune die einzige Antwort, und mit dem Buch „Rebellische Städte“ von David Harvey unter dem Arm wird auch die kleinste Aktion zum Zukunftsakt.  

 

David Harvey: Rebellische Städte. Vom Recht auf Stadt zur urbanen Revolution. Suhrkamp Verlag (Berlin) 2013. 283 Seiten.


MieterEcho 449 / Mai 2025

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