Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 449 / Mai 2025

Mit dem Bagger gegen lebenswerte Städte

Eine Ausstellung dokumentiert die Abrisspolitik und den Widerstand dagegen

Von Peter Nowak

Die Demonstration, die am 23. Februar 2023 an dem mittlerweile abgerissenen Gebäude der Urania in Schöneberg startete, war nicht groß. Aber sie fiel auf. Denn einige Demonstrant/innen trugen Modelle mehrerer Häuser auf großen Stangen mit sich. Es handelte sich um Gebäude im Stadtteil Tiergarten, die abgerissen werden sollten. Dagegen wurde an diesem Winternachmittag demonstriert. Sie hielten Kundgebungen vor einigen der Gebäude zwischen der Urania und dem U-Bahnhof Kurfürstenstraße ab. Mehrere dieser Gebäude sind mittlerweile abgerissen worden.

Die auf der Demo mitgeführten Modelle sind aktuell im Deutschen Architektur Zentrum (DAZ) in Berlin-Mitte in der Ausstellung „Die Abrissfrage & Power to Renovation“ zu sehen. Die kleine Demonstration ist eines der zahlreichen Beispiele aus Berlin, München, Kassel und Potsdam, die dort dokumentiert werden. Auf mehreren Tafeln gibt es Kurzbeschreibungen von Gebäuden, die entweder schon abgerissen wurden oder bald verschwinden sollen. 

Einige der dort abgebildeten Beispiele sind auch durch den Protest der Bewohner/innen und Nutzer/innen in den Medien bekannt geworden. Dazu gehört der Kulturort Zukunft am Ostkreuz, der ein Domizil in der Nähe gefunden hat. Doch die jetzt leerstehenden Gebäude am alten Standort verwittern weiter. Auch die Mieter/innen der Plattenbauten in der Wilhelmstraße 56-59 haben sich lange gegen den Abriss der gut erhaltenen Häuser gewehrt. Doch vergeblich: 2016 sind die Häuser verschwunden. 

Aber in der Ausstellung wird auch erfolgreicher Widerstand gezeigt. So sind dort auch die bunten Gebäude in der Habersaathstraße 40-48 zu sehen. Die einst als Wohnhäuser für das Personal der nahen Charité errichteten Gebäude will der aktuelle Eigentümer abreißen lassen. Bisher konnte das durch den Widerstand der Bewohner/innen verhindert werden. Neben den Altmieter/innen leben dort seit zwei Jahren auch obdachlose Menschen in den von den Eigentümern bereits entmieteten Wohnungen. So zeigt das Beispiel Habersaathstraße auch, wie mit dem Kampf gegen Abriss Wohnraum für Menschen mit geringen Einkommen wenigstens vorläufig erhalten werden kann. 

Abriss bedeutet Verdrängung 

Die Ausstellung informiert über die unterschiedlichen Initiativen, die sich gegen Abriss wenden. Das ist ein breites Spektrum. Oft sind es wissenschaftliche Initiativen, die im Umfeld von Architektur- und Stadtsoziologie-Fakultäten von Universitäten angesiedelt sind. Der Widerstand wird dann oft mit der besonderen Bauweise von Gebäuden begründet, die es zu erhalten gelte. 

Es wird aber auch mit ökologischen Argumenten gegen Gebäudeabriss protestiert. „Durch Abrisse wird die in den Gebäuden bei ihrem Bau aufgewendete und seitdem im Gebäude gespeicherte „graue Energie” freigesetzt. Dazu kommt, dass der Bau von Neubauten erneut Energie und wertvolle und schwindende Ressourcen verbraucht“, erfahren wir in der Ausstellung. Doch erfreulicherweise spielt auch die soziale Komponente in der Ausstellung eine wichtige Rolle. 

Da bestehende Gebäude in der Regel durch höherpreisigen Neubau ersetzt werden, bedeutet Abriss meistens Verdrängung von Menschen mit geringeren Einkommen. Das wird an mehreren Beispielen dargelegt. So wurde in der Dortmunder Straße 14 in Berlin-Moabit günstiger Wohnraum vernichtet. Dort gab es vor dem Abriss vor drei Jahren 16 Wohnungen mit Monatsmieten unter 300 Euro nettokalt. Mittlerweile ist auf dem Grundstück das Nobelprojekt The Flaneur mit 19 hochpreisigen Eigentumswohnungen entstanden.

Auch die neue Europacity findet in der Ausstellung Erwähnung. In der unmittelbaren  Umgebung des Berliner Hauptbahnhofs ist ein Stadtteil mit teuren Wohnungen entstanden. Die versprochenen günstigen Wohnungen wurden nie realisiert. So zeigt die Ausstellung, dass es durchaus gemeinsame Interessen zwischen Abrissgegner/innen und Mieter/innen gibt, die für bezahlbare Wohnungen kämpfen.

 

Die Ausstellung „Die Abrissfrage & Power to Renovation“ ist noch bis zum 18. Mai geöffnet.
Mittwoch bis Sonntag, 15–20 Uhr
Deutsches Architektur Zentrum, Wilhelmine-Gemberg-Weg 6, 10179 Berlin
www.daz.de

Weitere Infos im Internet:
www.anti-abriss-allianz.de
www.abriss-atlas.de


MieterEcho 449 / Mai 2025

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