Magere Bilanz und fette Gewinne
Die Ampel-Koalition hat sich als zuverlässiger Interessenvertreter der Immobilienlobby erwiesen
Von Andrej Holm
Die Ampelregierung hat die Abkürzung genommen und Ende 2024 grünes Licht für Neuwahlen gegeben. Eine Bilanz von drei Jahren Regierungskoalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP fällt für den Bereich der Wohnungspolitik bescheiden aus. Die wenigen Versprechen wurden nicht eingehalten, wichtige Entscheidungen wurden aufgeschoben und fehlerhafte Förderprogramme ausgeweitet. Der mageren Bilanz aus der Perspektive der Mieter/innen stehen satte Gewinne für die Immobilienwirtschaft gegenüber.
Angetreten war die Ampel-Koalition mit dem vollmundigen Versprechen, das Bauen und Wohnen „bezahlbar, klimaneutral, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen zu gestalten“. Versprochen wurde dafür ein „Aufbruch in der Bau-, Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik“, um 400.000 neue Wohnungen pro Jahr fertigzustellen, davon 100.000 Wohnungen mit öffentlichen Fördermitteln.
Das große Bauversprechen galt seit Jahren als Hauptargument, um wohnungspolitische Reformvorschläge zurückzuweisen. Wie schon die Vorgängerregierungen setzte auch die Ampelkoalition darauf, fixe Neubauziele zu definieren. Nicht ohne politisches Risiko, denn Leistungen, die nicht selbst erbracht werden können, sollten eher zurückhaltend versprochen werden.
Die im Koalitionsvertrag versprochenen 400.000 Wohnungen pro Jahr wurden jedenfalls in keinem der Regierungsjahre erreicht. Im Durchschnitt der drei Regierungsjahre wurden gerade einmal 275.000 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt – das entspricht knapp 70% der Zielvorgabe. Noch dramatischer sieht die Bilanz im Bereich der geförderten Wohnungen aus. Statt der 300.000 Sozialwohnungen, die in den drei Jahren 2022 bis 2024 gebaut werden sollten, wurden gerade einmal 78.000 realisiert.
Auffällig ist, dass die Baukrise nicht nur den geförderten Wohnungsbau betrifft, sondern auch die freifinanzierten Wohnungen hinter den Regierungszielen zurückbleiben. Die Jahre der Ampelregierung zeigen, dass der als Lösung aller Wohnungsfragen propagierte Neubau selbst in die Krise geraten ist.
Den Koalitionsvertrag weitgehend ignoriert
Unter den Begründungen für die fehlende Investitionsbereitschaft werden Mietpreiskontrollen regelmäßig an erster Stelle genannt. Erinnert sei nur an die ritualisierten Warnungen der Immobilienlobby, die bei der Einführung der Mietpreisbremse und des Berliner Mietdeckels einen Zusammenbruch der Bauaktivitäten prognostizierten. Die Jahre der Ampel-Regierung zeigen nun, dass der Wohnungsbau auch ganz ohne Mietendeckel stagnieren kann. Statt der versprochenen Aufbruchstimmung für die Bau- und Wohnungswirtschaft erstarrt die Neubaufraktion der Wohnungspolitik in Resignation. Das wirtschaftsnahe ifo-Institut etwa rechnet damit, „dass wir spätestens 2026 unter die 200.000er-Marke rutschen werden“.
Die Verschärfung des Mietrechts kann diesmal nicht als Begründung angeführt werden, da es die unter der Ampelregierung nicht gab. Die drei mietenpolitischen Versprechen des Koalitionsvertrages wurden erfolgreich durch das FDP-geführte Justizministerium blockiert und hatten für die anderen Koalitionspartner offenbar nicht den Stellenwert, um sie innerhalb der Koalition durchzusetzen.
Die im Koalitionsvertrag versprochene Prüfung der Auswirkungen eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zur Anwendung des kommunalen Vorkaufsrechtes wurde vom zuständigen Justizministerium bis zum Ende der Ampelregierung nicht vorgenommen. Der von der Bauministerkonferenz aller Bundesländer schon 2021 beschlossene Vorschlag für eine schnelle BauGB-Novelle wurde in den drei Ampeljahren ignoriert und bis heute nicht umgesetzt. Ähnlich ist es dem Vorschlag zur Absenkung der Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmarktlagen ergangen.
Zum dritten mietenpolitischen Versprechen des Koalitionsvertrages – die Evaluation und Verlängerung der Mietpreisbremse – gibt es immerhin einen Kabinettsbeschluss. Leider erst nach dem Auseinanderbrechen der Ampel, so dass die Fortsetzung der Mietpreisbremse keine parlamentarische Mehrheit finden wird und eher als mietenpolitischer Wahlkampfauftakt verstanden werden kann.
Im Wahlkampf 2021 forderte Olaf Scholz noch „ein Mietenmoratorium für die nächsten Jahre“, als Bundeskanzler der Ampelregierung steht er für kontinuierliche Mietsteigerungen. In den letzten drei Jahren sind die Bestandsmieten bundesweit um 6% gestiegen – hinzu kommen steigende Betriebs-, Heiz- und Energiekosten. Bei den Wiedervermietungsmieten beträgt der Anstieg satte 18% in den drei Jahren und bei den Neubaumieten sogar +26%.
Die bundesweit knapp 23 Millionen Haushalte in Mietwohnungen leben im Durchschnitt auf etwa 75 qm, die Jahressumme der geleisteten Mietzahlungen ist in der Zeit der Ampelregierung von knapp 147 auf über 155 Milliarden Euro angestiegen. Insgesamt konnten die Vermieter/innen in den Ampeljahren zusätzliche Umsätze von fast 17 Milliarden Euro verbuchen. Auch unter Berücksichtigung der gestiegenen Kosten für die Bewirtschaftungsaufwendungen ist das ein erheblicher Gewinn.
Etwa die Hälfte der zusätzlichen Mieteinnahmen geht auf eine Erhöhung der öffentlichen Zahlungen zurück, denn im gleichen Zeitraum wurden die Ausgaben für die Kosten der Unterkunft (KdU) und das Wohngeld deutlich erhöht. In der Summe stiegen die Ausgaben für diese sogenannte Subjektförderung (also Zahlungen an einzelnen Personen oder Haushalte) von 15,5 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 19,5 Milliarden Euro im Jahr 2024. In der Summe der drei Ampeljahre wurden demnach über 8 Milliarden zusätzlich ausgegeben, um die Mietzahlungen von Haushalten mit geringen Einkommen zu unterstützen. Allein der Etat für das Wohngeld wurde in den Ampeljahren von 1,4 auf über 4 Milliarden Euro angehoben.
Verbucht werden die Kosten der Unterkunft im Zuge der Transferleistungen und auch die Wohngeldzahlungen in den Haushaltsplänen des Bundes als sozialpolitische Maßnahmen – doch im Kern sind es Subventionen für die Wohnungswirtschaft, da die ausgereichten Gelder über die Mietzahlungen direkt an die Vermieter/innen durchgereicht werden. Der Anteil der Subjektfördermittel an den gesamten Mietzahlungen ist in den letzten drei Jahren von 10,6% (2021) auf 12,6% (2024) gestiegen.
Doch auch die Förderausgaben der Wohnraumförderung wurden in den Ampeljahren von 1 Milliarde Euro im Jahr 2021 auf 3,15 Milliarden Euro im Jahr 2024 deutlich aufgestockt. Insgesamt wurden in den drei Ampeljahren mehr als 7,6 Milliarden Euro in den Programmen der Wohnraumförderung ausgegeben. Trotz der erheblichen Ausweitung des Förderetats wurden die Bauziele für den sozialen Wohnungsbau deutlich verfehlt.
Neben der Förderung des sozialen Wohnungsbaus werden aus diesen Mitteln auch eine „soziale Eigenheimförderung“ und ein Sonderprogramm „Junges Wohnen“ für den Bau von Wohnheimplätzen für Auszubildende und Studierende finanziert. Der Anstieg der Wohngeldzahlungen, die Aufstockung des Budgets für die Wohnraumförderung und die Etablierung eines Förderprogramms „Junges Wohnen“ sind die einzigen drei Ampelversprechen des Koalitionsvertrages im Bereich der Wohnungspolitik, die tatsächlich umgesetzt wurden.
Gemeinnützigkeit als leere Hülle
Unter Einbeziehung der Fördergelder für energetische Modernisierungen und Heizungserneuerung im Gebäudesektor haben sich die Ausgaben des Staates von 20,5 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf fast 42 Milliarden Euro im Jahr 2024 mehr als verdoppelt. Es verwundert nur auf den ersten Blick, dass ausgerechnet mit der FDP die Staatsquote in der Wohnungswirtschaft erhöht wurde, denn im Kern sind die zusätzlichen Ausgaben vor allem Klientelpolitik für die Immobilienwirtschaft selbst.
Neben den erfüllten Versprechungen des Koalitionsvertrages (Aufstockung Wohnraumförderung & Ausweitung der Wohngeldzahlungen), den gebrochenen Versprechen (verfehlte Wohnungsbauziele und Blockade bei Absenkung der Kappungsgrenzen, Verlängerung der Mietpreisbremse sowie der Reaktivierung der kommunalen Vorkaufsrechte) gibt es drei wohnungspolitische Versprechen der Ampelregierung, die noch nicht oder nicht vollständig umgesetzt wurden.
So wurde die Ankündigung, eine „neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen (…) auf den
Weg zu bringen“ formal durch eine Änderung der Abgabenordnung erfüllt, jedoch ohne die versprochenen Investitionszulagen für den gemeinnützigen Wohnungsbau. Ohne zusätzliche Finanzmittel gibt es jedoch keine Anreize für bestehende Wohnungsunternehmen, in den Status der Gemeinnützigkeit zu wechseln. In der Konsequenz wird die neu eingeführte Wohnungsgemeinnützigkeit ein Nischenformat für sehr wenige und überwiegend kleine Stiftungen und Hausprojekte bleiben.
Ein großes Thema der selbsternannten Fortschrittskoalition in fast allen Bereichen war die Digitalisierung und die Steigerung der Effizienz. Im Bereich des Bauens wurde dazu das serielle und modulare Bauen favorisiert und sollte durch sogenannte Typengenehmigungen beschleunigt werden. Dabei geht es darum, dass einmal genehmigte Bautypen in anderen Bundesländern keine erneuten Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen und so Zeit bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren gespart wird. Eine sinnvolle Idee – aber ein Koalitionsversprechen, das von der Regierung gar nicht beeinflusst werden konnte, weil es die Änderungen der Landesbauordnungen voraussetzt, die nun gerade nicht von der Bundesregierung vorgenommen werden können. Mit Stand Sommer 2024 hatten neun der 16 Bundesländer eine Typengenehmigung umgesetzt. Einen bundesweit einheitlichen Standard konnte die Ampelregierung jedoch nicht durchsetzen.
Gedämpfte Erwartungen noch unterboten
Auch die im Koalitionsvertrag versprochene Baunovelle zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren wurde bisher nicht umgesetzt. Ein Gesetzentwurf kursiert seit ein paar Monaten zwischen den zuständigen Bundestagsausschüssen und hängt zum Ampel-Aus irgendwo zwischen Bundesrat, Ministerium und Bundestag fest.
Die Ampel-Regierung hat es jedenfalls geschafft, die ohnehin geringen Erwartungen im Bereich der Wohnungspolitik deutlich zu unterbieten. Von den insgesamt elf explizit wohnungspolitischen Ankündigungen im Koalitionsvertrag wurden fünf komplett verfehlt. Darunter die zentralen Zielzahlen für den Wohnungsbau und alle mietrechtlichen Reformen, die die Lage der Mieter/innen verbessert hätten. Drei Ankündigungen, die das Bauen beschleunigen bzw. einen gemeinnützigen Wohnungssektor wieder einführen sollten, wurden nur halbherzig umgesetzt oder warten noch auf eine finale Entscheidung. Nur drei der Versprechen aus dem Koalitionsvertrag wurden tatsächlich eingehalten – alle umfassen die Aufstockung von öffentlichen Geldern, die als Förderprogramme oder Mietzuschüsse letztendlich der Wohnungswirtschaft zugutekommen.
Statt durch den im Wahlkampf 2021 versprochenen „Mieten-Kanzler“ wurde die Wohnungspolitik der letzten Jahre durch eine ausgeprägte „Vermieter-Koalition“ bestimmt. Die Bilanz von drei Jahren Ampel-Regierung: Deutlich erhöhte Mieten, rückläufige Neubauzahlen, fortgesetztes Abschmelzen der Sozialwohnungsbestände und eine Ausweitung der Subventionen für die Immobilienwirtschaft.
MieterEcho 447 / Februar 2025