Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 447 / Februar 2025

Kiosk als Protestort

Der Kampf um die Zukunft des Karstadt-Warenhauses am Hermannplatz geht weiter

Von Oliver Rast

Zeitungen und Zigaretten werden hier schon längst nicht mehr verkauft – im Kiosk an der Ecke Hasenheide/Hermannplatz, vis-à-vis eines Seiteneingangs mit Resten der historischen Fassade des Originalbaus des legendären Karstadt-Warenhauses an der Schnittstelle von Kreuzberg und Neukölln.

Das Büdchen aus Holz und Wellblech – etwas verwittert, leicht windschief, aber standfest – wird seit rund drei Jahren von Aktivist/innen der Initiative Hermannplatz betrieben, als „Protest-Kiosk“. Gründe zu protestieren gibt es viele. Einer steht auf einem der Plakate an der linken Budenseite, die Botschaft: „Kein Abriss, keine Aufwertung, keine Verdrängung“. Denn Gentrifizierung bedeutet: „Die Mieten steigen weiter, Du musst weg.“ Daneben das Logo der Ini: Eine Gestalt verschmilzt mit dem Kaufhausabbild zur comicartigen Figur, hüft- und brusthoch ragen muskulöse Arme aus der Fensterfront, Fäuste sind geballt, dazu der Schriftzug „Karstadt erhalten“. 

Sicher ist das nicht. Neues an alter Stelle sollte entstehen, angelehnt an den kriegszerstörten, imposanten Warenhausbau von Ende der 1920er Jahre. Dem damals größten, modernstem Einkaufszentrum Europas mit Rolltreppen, Aufzügen und U-Bahn-Anbindung mit direktem Zugang zum Gebäude. Ein Prestigeobjekt, genau richtig für den österreichischen Immobilienhai René Benko und dessen Signa-Imperium, einem seit mehr als einem Jahr insolventen Firmengestrüpp hunderter Tochtergesellschaften. Hohe Zinsen, hohe Baukosten, niedrige Renditen und unruhige Gläubiger zwangen Benko in die Knie – und nun droht dem Tiroler Bankrotteur nach einem bislang nicht vollstreckten Haftbefehl aus Italien auch noch Knast. Die Staatsanwaltschaft in Trient ermittelt wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Manipulation von Ausschreibungen, Korruption und Betrug.

Andere Nutzung ist möglich

Folgerichtig platzen Benkos Immobilienblasen weiter. Auch die der Signa Prime Selection AG, in deren Portfolio sich das Filetstück am Hermannplatz befindet. Schlimmer noch: Signa Prime ist nicht mehr nur ein Sanierungsfall, hatte der Wiener Insolvenzverwalter Ende Oktober mitgeteilt. Nein, die Firma ist pleite, werde aber „bis auf Weiteres fortgeführt und das gesamte Vermögen verwertet.“ Übersetzt: Grund und Boden werden verscherbelt. „Es könnte also bald zu einem Grundstücksverkauf kommen“, befürchtet die Initiative Hermannplatz. Wenige Tage nach der Konkursmeldung wurde laut den Aktivist/innen beim Amtsgericht Charlottenburg das Hauptinsolvenzverfahren für die Grundstücksgesellschaft „Hermannplatz“ veröffentlicht.

Auch deshalb luden kürzlich die Kiosk-Protestler/innen zum Infostand. Einerseits, um die Nachbarschaft mit den News zu versorgen. Andererseits, um sie zu kräftigen – mit Waffeln, Glühwein und alkoholfreiem Punsch. Dafür haben sie ihr Widerstandsnest ein bisschen herausgeputzt. Mit einer Luftballonkette über dem Ausschank, Bierbänken und -tischen, dazu ein paar Klappstühle. Protest darf gemütlich sein.

Und motiviert zu Planspielen ganz anderer Art: Niloufar Tajeri, Architektin und Ini-Aktivistin, verweist gegenüber MieterEcho auf alternative Nutzungskonzepte, das Warenhaus als „Andershaus“. Ein Raum, der die Versorgung als Teil des städtischen Zusammenlebens organisiert: gemeinwohlorientiert, klimagerecht, sozial gerecht. Kurz gesagt: „Austausch statt Kaufrausch“.

Konzeptideen, die Katalin Gennburg (Linke) im MieterEcho-Gespräch unterstützt. Zumal Grundstücke samt Bauten für die Nahversorgung in der Stadt gebraucht würden. „Aber die Immobilienspekulation zerstört unsere Innenstädte und treibt die Preise nach oben“, so die Sprecherin für Stadtentwicklung und Bauen ihrer Abgeordnetenhausfraktion, bei Wohnraum und Gewerbemieten zugleich. Gegen diese kapitalistische Verwertung Berlins müsse politisch interveniert werden.

Und die Initiator/innen des Protest-Kiosks haben es im Kleinen vorgemacht. Wenige Meter von der Fassade entfernt, wenige Quadratmeter groß. Statt ein Büdchen für Gazetten und Rauchwaren ein Ort für Vernetzung und Widerstand. 

 

Siehe auch die Dokumentation einer MieterEcho-Veranstaltung zum Thema: youtu.be/hlr09gStFuY


MieterEcho 447 / Februar 2025

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