Die Stadt und Land und ihr „Überfallkommando“
Mieter/innen in Neu-Tempelhof wehren sich gegen brachiale Methoden bei der Modernisierung
Von Rainer Balcerowiak
Dass eine rund 90 Jahre alte Wohnanlage umfassend saniert und energetisch modernisiert werden soll, ist im Prinzip zu begrüßen. Doch was die Mieter/innen in den betroffenen Häusern mit insgesamt 590 Wohnungen in Neu-Tempelhof seit gut zwei Jahren erleben, spottet jeder Beschreibung (siehe MieterEcho 440/Mai 2024).
Die Anlage im Bereich Bayernring/Badenring/Loewenhardtdamm/Boelckestraße gehört der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land (SuL), Die Betreuung der Mieter/innen obliegt Sophia, einer Tochterfirma der SuL und der Degewo. Laut Selbstdarstellung ein „sozialer Dienstleister für Mieter/innen, Wohnungsunternehmen und Sozialpartner“, der „zur Stabilisierung von Quartieren beiträgt und gelebte Nachbarschaft ermöglicht“.
Für viele betroffene Mieter/innen klingt das wie blanker Hohn. Auf einer Versammlung der Mieterinitiative Neu-Tempelhof berichteten Anfang April einige von ihren Erfahrungen. Mitarbeiter/innen von Sophia seien „wie ein Überfallkommando“ in die einzelnen Wohnungen gekommen und hätten ohne entsprechende Ankündigung gleich mehrere Handwerker und ein Umzugsunternehmen im Schlepptau gehabt, das die Umsetzung in andere Wohnungen während der Arbeiten organisieren sollte. Mieter/innen seien massiv gedrängt worden, eine Modernisierungsvereinbarung zu unterschreiben, da ihnen andernfalls Nachteile entstehen könnten, wurde da berichtet.
Ein Teilnehmer brachte es auf den Punkt: Das Agieren von Sophia sei schlicht „menschenverachtend“. Besonders perfide: „Störrische“ Mieter/innen, die ihre Unterschrift unter der Modernisierungsvereinbarung verweigerten oder unzumutbare Umsetzwohnungen ablehnten, wurden nicht nur als „Egoisten“ beschimpft, die „ihre Interessen über die der Allgemeinheit“ stellten. Sie wurden bei anderen Mieter/innen regelrecht denunziert. Schließlich seien sie verantwortlich dafür, dass sich Baumaßnahmen und damit auch die Dauer von Umsetzungen verzögerten und alles auch noch viel teurer werde. Zwar trete Sophia nach ersten Berichten über derartige Vorkommnisse inzwischen etwas gemäßigter auf, aber es gebe immer noch „viele Ausreißer“, wurde berichtet. Ferner seien in der Regel weder Sophia noch die SuL für Nachfragen und Beschwerden erreichbar.
Senat will nicht eingreifen
Für den fraktionslosen Abgeordneten Alexander King (BSW), der seinen Wahlkreis in Tempelhof hat, waren diese Vorgänge Anlass für eine detaillierte Anfrage im Abgeordnetenhaus. King wollte unter anderem wissen, wie die zuständigen Senatsstellen das Vorgehen der LWU-Tochterfirma Sophia bewerten, und ob nicht die Einschaltung einer unabhängigen Mieterberatung für die Begleitung des Sanierungsprozesses angemessen wäre.
Die Antworten des Senats waren ernüchternd bis dreist. So heißt es unter anderem: „Als ein Tochterunternehmen der degewo AG und SuL stellt die SOPHIA Berlin GmbH mit ihrer langjährigen Expertise auf dem Gebiet der sozialen Betreuung und Beratung der Mietenden erfolgreich sicher, dass Konflikte während der Bauzeit entschärft werden.“ Und an anderer Stelle: „Die SuL ist der Überzeugung, dass die Modernisierungsmaßnahmen langfristig positive Effekte für alle Mietenden mit sich bringen. Mit der Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen verfolgt sie das Ziel, die Lebensqualität der Mietenden zu verbessern und die Nachhaltigkeit sowie den Wert der Gebäude langfristig zu sichern. (...) Die weit überwiegende Mehrzahl der Mietenden begrüßt die Maßnahmen und zeigt Bereitschaft, in gebotenem Maße mitzuwirken.“
Überrascht ist King von diesen Antworten nicht. Man gebe sich hochzufrieden mit dem Agieren von SuL und Sophia, und „kritische Mieter werden als schräge Minderheit dargestellt. Das hatten wir allerdings schon öfter bei LWU. Der Senat und die SuL hätten in ihrer Antwort ja auch auf die Kritik eingehen und z. B. ankündigen können, dass man dem nachgehen und das Vorgehen von Sophia kritisch überprüfen möchte. Leider nichts dergleichen.“
Für die Mieterinitiative Neu-Tempelhof ist das ein Ansporn, weiter zu machen. Unter anderem mit Hausversammlungen, teilweise in Kooperation mit der Berliner MieterGemeinschaft. Und mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit.
MieterEcho 449 / Mai 2025


