Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 446 / Dezember 2024

Zukunftspläne für die reichengerechte Stadt

Die Freiluftausstellung „immer modern“ visualisierte Geschichte und Perspektiven der Entwicklung von Straßenräumen

Von Karin Baumert

Gerade ging die Freiluftausstellung „immer modern“ auf dem Boulevard Unter den Linden zu Ende. Der Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg nahm seinen 200. Geburtstag zum Anlass, um die Geschichte ausgewählter großer Straßen von Berlin zu erzählen.     

Anhand der Straßen wurden die jeweiligen Ansprüche auf Modernität dargestellt. Ob die Allee Unter den Linden als eine Prachtstraße aus der Frühzeit des Absolutismus, der Kurfürstendamm nach dem Vorbild der Pariser Champs-Élysées oder die Leninallee als ein Musterbeispiel autogerechter Stadtplanung in Ost-Berlin – ihnen allen ist gemein, dass sie für eine jeweils zeitgemäße Zukunftsvision stehen. 

Für den zweiten Teil der Ausstellung wurden große Architekturbüros aufgefordert, aus heute „unwirtlichen Straßenräumen Große Straßen für morgen“ zu planen. Dabei sollten andere Formen der Mobilität, neue klimatische Bedingungen und nachhaltige Formen der Energiegewinnung berücksichtigt werden. Das ist diesen Büros durchaus gelungen. Zweitrangige Straßen, wie die Möllendorffstraße in Lichtenberg, wurden mit einem Entwurf von „Tchoban Voss Architekten“ und den Landschaftsarchitekt/innen von „ST raum a“ neu gedacht. Der Entwurf versteht sich als „ökologisch bewusste und sozial freundliche Ergänzung der Stadträume“. 

Der Schlossplatz in Köpenick wurde von „Hilmer Sattler Architekten“ entworfen. Die vierspurige Verkehrsachse in Köpenicks Zentrum wird in den Plänen revidiert und zugunsten einer Fuß- und Radwegverbindung zurückgebaut. In der Mollstraße in Mitte haben die Architekt/innen von „Graft“ den „unwirtlichen Verkehrsknotenpunkt Mollstraße/Prenzlauer Allee bis hin zum Platz der Vereinten Nationen neu definiert: Eine Wasserfläche zieht sich durch den Stadtraum, für bestehende Plattenbauten werden u. a. grüne Loggia-Fassaden und private Dachgärten vorgeschlagen.“

Die Holzmarktstraße in Friedrichshain von „Das Team Langhof“ wurde zu kleinen Biotopen in der Stadt umgebaut. Aus unbedeutenden Verkehrstrassen wurden so virtuelle Wohlfühlzonen mit hoher Aufenthaltsqualität.

Zwischen Verfall und Wohlfühlträumen

Na bitte – geht doch! So möchte man ausrufen, wäre da nicht der Beigeschmack der Exklusivität. Das zukünftige Berlin mit seinen teuren Mieten und hochpreisigen Eigentumswohnungen lässt die Besserbetuchten auch angenehm flanieren, wenn sie dann mit ihrem SUV in die Tiefgarage gefahren sind und auf dem naheliegenden Wochenmarkt schlendern und ihr regionales Gemüse einkaufen.

Die Ausstellung beruhigte und beunruhigte gleichermaßen. Denn eine Diskussion und vor allem auch Utopie einer sinnvollen, klimagerechten Nutzung der Stadt von morgen ist möglich und auch realisierbar. Sie verstörte aber auch, denn der Schirmherr der Ausstellung, Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegener (CDU), lässt gerade alle Planungen für Fahrradwege stoppen, plant die Autobahn A100 weiter über Treptow hinaus, lässt den Knotenpunkt Elsenbrücke aber unkoordiniert zurück. 

Er verzichtet aktuell auf jegliches Baustellenmanagement auf den öffentlichen Straßen und lässt die BVG sich weiter verwerten, ohne den öffentlichen Verkehr nachhaltig abzusichern. Das alles ist kein Zufall, denn er ist in anderen Feldern durchaus aktiv. Z. B. in den Fragen des Städtebaus mit dem „SchnellerBauen-Gesetz“, zur Architektur mit der historisierenden Langeweile und zur öffentlichen Mobilität mit dem Ausruf „Kein Fahrplan ist auch ein Plan.“ 

Aber hat sich mit der Ausstellung „immer modern“ der Märchenonkel Kai nur einen Wunsch erfüllt? Schaut man auf die handelnden Personen, so zeigt sich die Kontinuität seit den 90er Jahren. Es sind dieselben Büros, die mit dem Planwerk Innenstadt die Bauparzellen planten. Heute ist der Umbau in der Mitte Berlins weitgehend abgeschlossen. Nur am Molkenmarkt wird noch geplant. Wettbewerbe wurden ausgehebelt. Die städtebauliche Spange am Fernsehturm steht mit historisierenden Bildern der Parzellenbebauung schon zur Disposition.  Darum werden in Zukunft nur noch die Reichen und Schönen in Berlin flanieren. Die aber brauchen ganz sicher auch Stadträume, Orte mit viel Wasser, dem Klimawandel kontemplativ trotzend.        


MieterEcho 446 / Dezember 2024

Teaserspalte

Berliner MieterGemeinschaft e.V.
Möckernstraße 92
10963 Berlin

Tel.: 030 - 21 00 25 84
Fax: 030 - 216 85 15

Email: me(at)bmgev.de

Ferienwohnungen

Unsere Umfrage

Falls sich eine oder mehrere Ferienwohnung(en) in Ihrem Haus befinden, berichten Sie uns davon und schildern Sie Ihre Erfahrungen in unserer Online-Umfrage.