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MieterEcho 444 / September 2024

Kreuzberger Nächte sind lang

Clubkultur und Billig-Hostels sind eng miteinander verzahnt

Von Meiling Chen

Seit 2016 befragt die Initiative HIER IN BERLIN jährlich Berliner/innen nach ihrer Meinung zum Tourismus. In Friedrichshain-Kreuzberg tauchen dabei häufig Beschwerden über Lärm und andere Begleiterscheinungen auf. Beklagt wird oftmals „zu viel Partytourismus“ , gefordert werden „keine Hostels über 50 Personen“ , ein „Ausgleich zwischen Party- und Ruhezonen“ und ein „Lärmschutzkonzept“ .    

Partytourismus boomt in Berlin und stellt eine bedeutende Einnahmequelle für die Stadt dar. Eine Studie zum Berliner Nachtleben aus dem Jahr 2019 zeigt, dass Tourist/innen und Partygänger/innen jährlich etwa 14,8 Milliarden Euro nach Berlin bringen. Unter den 3 Millionen Clubbesucher/innen verweilt jede und jeder durchschnittlich 2,4 Tage in der Stadt. Allerdings geht der wirtschaftliche Nutzen des Partytourismus auch mit erheblichen Störungen im Alltag der Anwohner/innen einher, besonders in Wohngebieten in Friedrichshain-Kreuzberg wie Wrangelkiez und Boxhagener Kiez. 

Dort hält der Lärm von feiernden Menschen auf den Straßen oft bis in die frühen Morgenstunden an. Zudem gibt es Sicherheitsprobleme, die durch eine erhöhte Kriminalitätsrate und Vandalismus entstehen, sowie hygienische Probleme, da Partygänger/innen häufig Müll hinterlassen. In Friedrichshain-Kreuzberg gelten insbesondere Hostels als potenzielle Störquelle. Diese Hostels ziehen viele junge Reisende an, die oft laut sind und die Nachtruhe der Anwohner/innen stören. Besonders problematisch sind dabei Hostels mit Hinterhofnutzung, wo Gäste oft bis spät in die Nacht feiern.

Kurze Wege für Partytourist/innen

Als einer der attraktivsten Bezirke Berlins hat Friedrichshain-Kreuzberg in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg der Anzahl an Hostels verzeichnet. Sie ist von 2006 bis 2024 um fast 60% gestiegen, was den Bezirk zum am schnellsten wachsenden Gebiet für Hostels in der Stadt macht. Auch die Zahl der Hostels im Bezirk Mitte ist signifikant gestiegen, von 16 im Jahr 2006 auf 22 im Jahr 2024. Dagegen blieb die Anzahl der Hostels in den Berliner Außenbezirken nahezu unverändert.

Friedrichshain-Kreuzberg ist das Zentrum der Berliner Nachtlebenkultur. Zahlreiche Clubs und Veranstaltungsorte  befinden sich dort. Die vielen Hostels in diesem Bereich entsprechen dem Bedürfnis der Besucher/innen nach kurzen Wegen. So wirbt das Sunflower Hostel in Friedrichshain auf seiner Website: „In 200 Meter Luftlinie befindet sich das Berghain / Panorama Bar (...). Des weiteren in geschätzter Nachbarschaft: Cassiopeia Club (…).“

Einerseits fördert dieses Zusammenspiel von Clubs und Hostels die lokale Wirtschaft. Andererseits beeinträchtigt es massiv die Lebensqualität der Anwohner/innen, etwa durch Lärmbelästigung und Sicherheitsprobleme. Trotz einiger Bemühungen der Stadtverwaltung in den letzten Jahren, wie zum Beispiel das Projekt „Fairkiez“ in Friedrichshain-Kreuzberg, hat sich daran wenig geändert. Darüber hinaus hat der Anstieg der Touristenzahlen dazu geführt, dass mehr Wohnungen für touristische Zwecke genutzt und angestammte Bewohner/innen aus ihren Stadtteilen vertrieben werden. Diese Gentrifizierung führt zu weiteren Konflikten zwischen Tourist/innen und Einwohner/innen.

Im Juni 2024 hat die Clubcommission Berlin e.V. in Zusammenarbeit mit dem internationalen Beratungsunternehmen VibeLab eine „Nighttime Strategy“ erarbeitet, die darauf abzielt, das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Potenzial der Nacht besser zu nutzen und die Zusammenarbeit zwischen allen am Nachtleben Beteiligten zu fördern. Dazu soll auch ein ständiges „Forum Nachtökonomie“ geschaffen werden. 

Die Handlungsempfehlungen der Strategie umfassen auch verstärkte Lärmschutzmaßnahmen für Anwohner/innen und Veranstaltungsorte. Doch es bleiben viele ungelöste, grundlegende Konflikte. Wie kann man die Nachtökonomie fördern und gleichzeitig die Lebensqualität der Anwohner/innen wirklich schützen? Dies wird eine langfristige Herausforderung sein.     

 

Meiling Chen studiert Stadt- und Regionalplanung (Master) an der TU Berlin. Ihre Schwerpunkte sind nachhaltige Stadtentwicklung und urbane Transformationsprozesse.


MieterEcho 444 / September 2024