Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 440 / Mai 2024

Eldorado für Investoren

Der Laskerkiez ist ein Paradebeispiel für fehlgeleitete Stadtentwicklung

Von Felix Schlosser

Immer mehr Luxusbauprojekte, Verdrängung der ansässigen Bevölkerung und von Gewerbe durch Mietsteigerungen und Aufwertungsprozesse, private Investoren, die zunehmend mehr Einfluss auf die Stadtentwicklung nehmen. Und eine Politik, die dem Treiben weitgehend machtlos gegenübersteht – willkommen im Friedrichshainer Laskerkiez!   

Gentrifizierungsprozesse sind im Stadtteil Friedrichshain nichts Ungewöhnliches. Das gilt auch für den Laskerkiez, der zwischen den Bahnhöfen Ostkreuz und Treptower Park liegt. Zentrale Straßen sind der Markgrafendamm, die Corinth- und die Modersohnstraße. Bereits im Jahr 2020 begann hier eine Verdrängungsspirale, die ihresgleichen sucht. Der Kölner Investor Pandion plant den Bau des „Ostkreuz Campus“, ein Büroprojekt, das unter dem Stichwort „Office Home“ für eine Verschmelzung von Arbeit und Freizeit sorgen soll.

Auch der stadtbekannte Investor „Trockland“ wollte sich die Goldgräber-Stimmung im Laskerkiez nicht entgehen lassen und plant seit vier Jahren den Bau des in der Laskerstraße gelegenen Büroprojekts „A Laska“. Viel ist dort allerdings noch nicht passiert – es wird vermutet, dass der Investor noch auf das nebenan gelegene Gelände der bereits verdrängten Kulturbar „Zukunft am Ostkreuz“ schielt.

Einen holprigeren Anlauf unternahm der Investor Quarterback. Am Markgrafendamm sollte ein Luxus-Studierendenhotel unter dem Markennamen „The FIZZ“ entstehen. Hier biss sich der Investor nicht nur an aufgebrachten Nachbar/innen, sondern auch an den harten Ostberliner Böden zunächst die Zähne aus. Nach massiven Rissbildungen in den angrenzenden Wohnhäusern Markgrafendamm 6 und 10 wurde der Bau immer wieder von der Bauaufsicht gestoppt. Das war allerdings kein Selbstläufer: Erst durch Proteste engagierter Nachbar/innen gelang es, die Baustelle lahmzulegen. Nach mehrmonatigen Stopps geht der Bau aber mittlerweile weiter.

Nur zwei Häuser weiter entstand am Markgrafendamm 4 in relativ kurzer Zeit ein Haus der Firma Bewocon. Gebaut wurden dort 42 hochpreisige Eigentumswohnungen. Für eine 1-Zimmer-Wohnung mit rund 25 qm beträgt der Preis 239.900 Euro.

Initiative hat schweren Stand

Gegenüber lässt das Bauunternehmen Rabe-Ero GmbH im Auftrag der „PV 21 Objektgesellschaft mbH“ im Innenhof des Komplexes Markgrafendamm 34 einen Neubau mit 45 Wohneinheiten entstehen. Das Investitionsvolumen beträgt hierbei rund 8 Millionen Euro.

Neben dem Bau von Eigentumswohnungen werden auch Bestandshäuser von privaten Investoren aufgekauft, so z. B. im Fall der Corinthstraße 53 und 58. Beide Hausgemeinschaften protestierten gegen den Verkauf und forderten den Bezirk auf, das Vorkaufsrecht anzuwenden. Im Fall der Corinthstraße 58 hatte die Hausgemeinschaft insofern Erfolg, als dass der Investor versprach, auf exorbitante Mieterhöhungen zu verzichten. In der Corinthstraße 53 läuft derweil die Umwandlung in Eigentumswohnungen. Potentielle Käufer/innen wurden bereits durch die vermieteten Wohnungen geführt.  

Und es geht immer weiter. An der Kreuzung Markgrafendamm/Stralauer Allee wird momentan eine der letzten an der Spree gelegenen Freiflächen durch das Büroprojekt „Waterfront Dockyard Offices“ in Beschlag genommen. Die Fertigstellung ist noch für 2024 geplant. Gegen all diese Projekte protestiert die lokale Nachbarschaftsinitiative „Wem gehört der Laskerkiez“. „Wir haben immer wieder gegen die Projekte Ostkreuz Campus, A Laska und The FIZZ unsere Stimme erhoben, uns bei der Politik beschwert, Demos organisiert, Flyer verteilt, schlechte Bewertungen geschrieben – letzten Endes gelangen uns aber nur kleine Teilerfolge. Die Gebäude werden alle gebaut“, erzählt deren Sprecher Timo Steinke ein bisschen resigniert. Stets sei man damit abgefertigt worden, dass man gegen bestehende Baugenehmigungen nichts unternehmen könne.

Auch alteingesessene Gewerbetreibende, die wichtig für den nachbarschaftlichen Austausch sind, fallen der Verdrängung zum Opfer. So zuletzt geschehen bei dem auch als „Postspäti“ bezeichneten Ladengeschäft „Filmfreund“, das im Juni 2023 aufgrund einer Kündigung seine Türen schließen musste. Die Betreibende war eine in dem Gebiet von vielen Anwohner/innen geschätzte Person.

Vergeblich hatte „Wem gehört der Laskerkiez“ versucht, den Eigentümer von einer Weitervermietung als „Postspäti“ zu überzeugen, hatte Unterschriften gesammelt und eine Kundgebung durchgeführt. Doch Eigentümer Friedrich G. Hoepfner weigerte sich beharrlich, einen Späti, Imbiss oder sonst etwas dort einmieten zu lassen, was der Nachbarschaft von Nutzen sein könnte. Im Internet wurden die Räumlichkeiten dann als Büro oder Atelier feilgeboten.

Ein weiterer Trend im Kiez ist, dass ehemalige Gewerberäume von privaten Anbietern online als Ferienwohnungen angeboten werden. Da es sich um Gewerbeflächen handelt, ist diese Praxis legal, befeuert aber natürlich Gentrifizierungsprozesse. Anhand eines Tools von ZEIT Online lässt sich abschätzen, wie sehr sich der Stadtteil bereits im Wandel befindet. So beträgt beispielsweise der Anteil der Angestellten, die mehr als 57.600 Euro im Jahr verdienen, im Postleitzahlbereich 10245 (was allerdings auch den Rudolfkiez und Teile des Friedrichshainer Südkiezes rund um den Boxhagener Platz umfasst) 28,9%. Das liegt weit über dem Berliner Durchschnitt von 17,5%. Auch der Akademikeranteil liegt in diesem Postleitzahlbereich bei 50,9%. Beide Werte sind seit dem Jahr 2014 kontinuierlich gestiegen. Der Laskerkiez eignet sich als Paradebeispiel für eine misslungene Stadtplanung, bei der die Politik diese Aufgabe weitgehend dem freien Markt überlassen hat.

Da stellt sich natürlich die Frage, ob die nachbarschaftlichen Proteste im Laskerkiez auf verlorenem Posten stehen. Sprecher Steinke verweist auf kleine Erfolge: „Mit unserer Initiative konnten wir den Spätkauf und den Backshop einer vietnamesischen Familie am Rudolfplatz retten. Diese waren akut von einer Kündigung bedroht. Auch die Proteste für die Zukunft am Ostkreuz waren weitestgehend erfolgreich, da die Kulturbar letztlich durch Druck neue Flächen im Kiez und einen Mietvertrag erhalten hat.“ Zudem habe man zahlreiche Menschen in der Nachbarschaft auf die Probleme aufmerksam machen können und sie politisiert. „Eine aktive Telegram-Gruppe mit Menschen aus der Nachbarschaft umfasst jetzt nach knapp drei Jahren politischer Stadtteilarbeit über 270 Menschen.“     

Der Kiez wird sich weiter verändern

Künftige Konflikte im Kiez sind programmiert: So fordert der Gartenverein Laskerwiese e.V., der seit 18 Jahren eine kleine Parkfläche verwaltet und dort gärtnert, eine Erweiterung ihrer Flächen unmittelbar vor dem Ostkreuz Campus. Das setzt voraus, dass die dazwischen liegende Bödiker Straße in Teilen entsiegelt wird. Der Bezirk hat bereits Entgegenkommen in Form einer BVV-Resolution signalisiert, möchte aber zur kostspieligen Finanzierung den anliegenden Investor Pandion heranziehen. Proteste für die Entsiegelung unter dem Namen „Laskerwiese 2.0“ sind bereits in Planung.

Außerdem bedroht die Verlängerung des 17. Teilabschnitts der Stadtautobahn A100 schon seit geraumer Zeit den Kiez. Von diesem Projekt, dessen Kosten von Verkehrsexperten auf rund eine Milliarde Euro geschätzt werden, wären einige Clubs, Wohnhäuser und Gewerbehöfe betroffen und müssten weichen. Gegen den Weiterbau protestiert regelmäßig in und um den Kiez die sehr engagierte „Bürger*inneninitiative A100“.

Insgesamt wird sich der einst beschauliche Laskerkiez in den kommenden Jahren rasant verändern. Dazu tragen einerseits die gigantischen Büroprojekte und deren Mitarbeiter/innen bei, die Druck auf den lokalen Wohnungsmarkt ausüben und Mietpreise nach oben treiben. Neubauprojekte der landeseigenen WBM sorgen für weitere Verdichtung. Zudem wurde im November 2023 am Warschauer Platz eine Geflüchtetenunterkunft eröffnet, die Platz für 580 Menschen bietet. Eine weitere Unterkunft am Rudolfplatz mit bis zu 150 Plätzen soll noch in diesem Jahr bezugsfertig werden.

„Perspektivisch wird unser Kiez immer voller und belebter werden. Damit haben wir kein Problem“, heißt es dazu von der Initiative. „Fatal daran ist nur, dass der Bezirk nicht im Mindesten im Blick zu haben scheint, was die logistische Versorgung all dieser Menschen mit Einkaufsmöglichkeiten, Sport und Kultur betrifft.“ Es brauche deutlich mehr unterschiedliche und unkommerzielle nachbarschaftliche Begegnungsstätten. „Den ganzen Luxusbau-Scheiß will hier wirklich niemand!“

 

Felix Schlosser schreibt für das Neue Deutschland über Gentrifizierung, innere Sicherheit und Antifaschismus und ist in der Mieterbewegung aktiv.


MieterEcho 440 / Mai 2024

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