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MieterEcho 432 / Mai 2023

Wärmewende als Klassenfrage

Neue Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung beleuchtet die ungleiche Belastung in Mehrfamilienhäusern durch steigende Heizkosten

Von Philipp Möller

Seit Wochen diskutiert die Republik über die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (B90/Grüne) durchgeboxte „Wärmewende“ , also den staatlich forcierten Austausch von Heizungsanlagen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Die Debatte dreht sich dabei vor allem um Eigenheimbesitzer/innen. Die Situation in Mehrfamilienhäusern und vor allem von Mieter/innen mit geringen Einkommen ist hingegen ein „blinder Fleck“ , den nun eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung ausgeleuchtet hat.

Die Studie untersucht, wie die im vergangenen Jahr rasant gestiegenen Kosten für Heizenergie, also etwa Gas und Öl, Mieter/innen und Eigentümer/innen in Mehrfamilienhäusern belasten. Dabei kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Haushalte mit niedrigen Einkommen einen deutlichen höheren Anteil ihres Einkommens für das Heizen ausgeben müssen als Gutverdienende. Zugleich wohnen sie auf kleinerer Wohnfläche und in energetisch schlecht sanierten Altbaubeständen, die einen besonders hohen Heizbedarf haben.

Über 80% der Haushalte mit niedrigen Einkommen leben in Mehrfamilienhäusern, fast ausschließlich zur Miete. Mieter/innen sind im Vergleich zu Eigenheimbesitzer/innen in hohem Maße von den Entscheidungen ihrer Vermieter/innen abhängig. Wie und womit man heizt und wie gut gedämmt ist, können Mieter/innen nicht selbst bestimmen. Beides sind jedoch entscheidende Faktoren für die Heizkosten. Wie stark diese ins Gewicht fallen, ist wiederum stark vom Einkommen abhängig. Während das ärmste Zehntel der Haushalte in Mehrfamilienhäusern knapp 8% des Einkommens für das Heizen berappen müssen, sind es beim reichsten Zehntel gerade einmal 1,6%. Die Preisexplosion für Energie im letzten Jahr betraf gerade bestimmte soziale Gruppen, wie Arbeitslose sowie Rentner/innen und Alleinerziehende mit kleinen Einkommen besonders hart. Für Rentner/innen verdoppelte sich der Anteil der Energieausgaben am verfügbaren Einkommen, bei Arbeitslosen verdreifachte er sich sogar nahezu. Gerade für Menschen mit kleinem Geldbeutel steigerte sich das Risiko einer versteckten Energiearmut enorm.

Verdrängungsbooster Wärmewende


Das Einkommen bestimmt nicht nur maßgeblich, wie stark die Heizkosten ins Gewicht fallen, sondern in welchen Verhältnissen man wohnt. Ärmere Haushalte verfügen laut der Untersuchung zumeist über deutlich weniger Quadratmeter als reichere. Das obere Zehntel der Einkommensklasse bewohnt demnach pro Kopf rund 40% mehr Wohnfläche als das unterste. Das erklärt wiederum auch, warum Haushalte mit niedrigen Einkommen deutlich weniger Energie verbrauchen als Gutverdienende.

Gleichzeitig wohnen Haushalte mit hohen Einkommen deutlich häufiger in besser isolierten Wohnungen. Zwischen einzelnen Baujahrgängen gibt es große Unterschiede bei der Energiebilanz. So verbrauchen ab 2001 fertiggestellte Wohnungen 20% weniger Energie als Altbauten, die ab 1949 errichtet wurden. Neubauten haben jedoch in der Regel deutlich höhere Mieten, weshalb gerade einmal 5% der Haushalte im unteren Einkommensdrittel in diesen Gebäuden wohnen. Ärmere Mieter/innen finden hingegen häufig nur noch in nicht-sanierten Altbaubeständen aus den Nachkriegsjahrzehnten eine halbwegs bezahlbare Wohnung, wobei ihnen die steigenden Nebenkosten immer mehr Geld aus der Tasche ziehen.

Gerade die „kleinen Leute“ könnten also von einer klimagerechten Sanierung und einem Austausch des Heizsystems stark profitieren. Laut den bisher bekannt gewordenen Details droht jedoch gerade diese Gruppe, durch die „Wärmewende“ unter die Räder zu geraten. 8% der Kosten für energetische Modernisierungen können dauerhaft auf die Kaltmiete draufgeschlagen werden, ohne dass diese Mieterhöhungen zwangsläufig von potentiellen Ersparnissen bei Heizkosten aufgefangen werden. Ohne die Abschaffung der Modernisierungsumlage in ihrer jetzigen Form, die Beteiligung der Vermieter/innen an den Kosten und ohne finanzielle Hilfen für betroffene Mieter/innen dürfte die Wärmewende zu einem grün angestrichenen Booster der Verdrängung werden.

 

Die ganze Studie „Mehrfamilienhäuser: Der blinde Fleck der sozialen Wärmewende“ kann man hier lesen:
rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Studien/Oeko-Institut-2023-Soziale-Aspekte-Waermewende_RLS.pdf


MieterEcho 432 / Mai 2023