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MieterEcho 435 / August 2023

Sozialmieter/innen brauchen besseren Schutz

Durch die Reformpläne des CDU/SPD-Senats drohen vielen Haushalten zusätzliche Belastungen

Von Katrin Schmidberger

Ende Juni hat der Senat eine Reform des Wohnraumgesetzes für den Sozialen Wohnungsbau beschlossen, die nach der Sommerpause mit den Stimmen von SPD und CDU im Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet werden soll. Das Problem dabei: Die Reform geht zu Lasten der Mieter/innen im alten Sozialen Wohnungsbau vor 2010.    

Stellen Sie sich vor, Sie ziehen in eine neue Wohnung und kennen die genaue Miete nicht? Oder stellen Sie sich vor, der Vermieter darf Kosten für einen Sandkasten oder Hausmeister abrechnen, den es gar nicht gibt. So in etwa fühlen sich Mieter/innen von Sozialwohnungen oft. Sie kennen die höchstzulässige Miete meist nicht und wissen auch gar nicht, dass ihre Miete teilweise Kosten beinhaltet, die Eigentümer/innen real gar nicht haben, aber durch die alten Förderverträge mit dem Land in Anrechnung bringen dürfen. Dabei müssten doch gerade diese Mieter/innen besonders geschützt werden. Die Diskussion zur Behebung der Missstände in den knapp 85.000 Wohnungen des alten Sozialen Wohnungsbaus dauert schon viele Jahre. Die Proteste mehrerer Initiativen – wie z.B. Kotti & Co – machen seit 2010 auf die Schieflagen der alten Förderung aufmerksam.

Hintergrund ist, dass in diesen öffentlich geförderten Wohnungen auch sogenannte „fiktive Kosten“ bei den Mieten geltend gemacht werden können. Es wurden zwar Fördermittel in Anspruch genommen und im Gegenzug sollte nur die „Kostenmiete“ genommen werden, die für die Bau-, Finanzierungs- und Grundstückskosten kalkuliert ist. Da aber die Baukosten mit Steuertricks schon in den 1970er Jahren in Westberlin sehr hoch waren, wurden zudem Darlehen und Zuschüsse gewährt, um die Mieten nachträglich noch herunter zu subventionieren. Wenn die Darlehen an die Banken abbezahlt sind, sollten die Kostenmieten eigentlich sinken können, weil die Finanzierungskosten weniger werden. Aufgrund dieser alten „fiktiven Kosten“, also Kapitalkosten für die Fremdfinanzierung von bereits getilgten Darlehen, liegt die Miete aber teilweise höher als im vergleichbaren freifinanzierten Wohnungsbau.

Es mangelt an Kontrolle

Eigentlich dürften nur Kosten, die der Vermieter tatsächlich hat, berechnet werden – was der Senat nach der Föderalismusreform sogar selbst durch eine Verordnung regeln könnte. Diese Forderung, den sogenannten Entschuldungsgewinn aus den Mieten herauszurechnen, konnte leider in all den Jahren unter Rot-Grün-Rot nicht gegen die zuständige Senatsverwaltung durchgesetzt werden. Im Koalitionsvertrag hatte sich die alte Koalition zumindest auf eine Prüfung verständigt, wie fiktive Kosten abgeschafft und wie eine Kappung der Miethöhen maximal auf die ortsübliche Vergleichsmiete erreicht werden kann.

Doch es braucht endlich Lösungen – auch für die Objekte ohne Anschlussförderung, für die ein zusätzlicher Mietzuschuss beantragt werden kann. Das Kostenmietenprinzip ist seinem Sinn und Zweck nach sinnvoll, da es auf den Ausgleich der gegensätzlichen Interessen abzielt: Einerseits soll die Auskömmlichkeit für die Vermieter/innen garantiert werden, andererseits sollen die von den Mieter/innen aufzubringenden Mieten auf das bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung der Wohnungen notwendige Maß begrenzt werden – eben anders als auf dem freien Wohnungsmarkt.

Aber leider ist der Begriff der Kostenmiete in Berlin negativ besetzt. Das liegt daran, dass unwirtschaftliches Handeln zugelassen, das Fehlen von unabhängiger und wirksamer Kontrolle geduldet und Intransparenz bei der Mietenberechnung forciert werden. Die sich daraus ergebenen vielfältigen sozial-, wohnungs- und haushaltspolitischen Fehlentwicklungen sind also nicht auf das Kostenmietenprinzip an sich zurückzuführen, sondern darauf, dass in Berlin das Kostenmietenprinzip als Mietenbegrenzung für Sozialwohnungen bislang nicht konsequent durchgesetzt wird.

Aus diesem Grund kommt der Stärkung der zivilrechtlichen Position der Mieter/innen bei der Überprüfung der Mietforderungen auf ihre sachliche Richtigkeit, Notwendigkeit und Zulässigkeit eine herausgehobene Bedeutung zu. Die seit Jahren zu beobachtenden Bestrebungen, die vorhandenen – wenngleich unzureichenden – zivilrechtlichen Kontrollmöglichkeiten ins Leere laufen zu lassen oder sogar abzuschaffen, gehen wohnungspolitisch in eine vollkommen falsche Richtung.  Eine erfolgreiche Korrektur der jahrzehntelangen Verfehlungen beim Umgang mit öffentlich gefördertem Wohnraum in Berlin und eine nachhaltige, also auch über das Ende der Sozialbindungen hinaus positiv ausstrahlende Reform für die Sozialwohnungen ist deshalb ohne einen Kurswechsel hin zu echter Transparenz und unabhängiger, also wirksamer Kontrolle nicht vorstellbar.

Der Gesetzentwurf des Senats sieht zwar eine – dringend erforderliche – Anhebung des Mietzuschusses vor, den einkommensschwache Haushalte beantragen können, der aber sehr selten in Anspruch genommen wird. Positiv ist auch, den Berechtigtenkreis für den Mietzuschuss zu erweitern. Auch die Anpassung der Mietobergrenze, die bezuschusst werden kann, an die Inflationsrate für die Objekte ohne Anschlussförderung ist sinnvoll, um Entlastung für die einkommensschwachen Haushalte zu schaffen. Kern der jetzt geplanten Reform ist aber die „gesetzliche Verpflichtungsmiete“ für die Wohnungsbestände mit Anschlussförderung.

Unter dem Deckmantel von mehr Mieter/innenschutz gegen überhöhte Mieten wird suggeriert, dass der Senat nun dafür sorgen würde, dass die hohen Mieten der damals geförderten und sich noch in der Bindung befindenden Sozialwohnungen nun für alle Mieter/innen bezahlbar werden. Tatsächlich aber sorgt der Senat nun dafür, dass Berlin aus dem Kostenmietenprinzip praktisch aussteigt. Konkret besteht dadurch die Gefahr, dass die Kostenmiete nicht mehr für eine Begrenzung der Mieten sorgt, sondern dass die sogenannte Verpflichtungsmiete, die zwischen Förderstelle und Vermieter verhandelt wurde, nun gesetzlich verankert wird.

Das birgt die Gefahr neuer Mieterhöhungsmöglichkeiten, insbesondere durch außergewöhnliche und deshalb mietensteigernde Instandsetzungsmaßnahmen, denn gerade beim Sozialen Wohnungsbau aus Westberliner Zeiten sind notwendige Instandhaltungsmaßnahmen oft nicht im nötigen Umfang erfolgt. Ebenso ist zu befürchten, dass die vorzeitige Ablösung von Darlehen jetzt attraktiver gemacht wird – damit verkürzen sich dann auch die Belegungs- und Mietpreisbindungen teilweise erheblich.      

Kostenberechnung ändern

Wenn man die fiktiven Kosten, also Kosten, die Vermieter/innen gar nicht mehr haben, abschaffen würde und das Kostendeckungsprinzip durchsetzen würde, wäre das ein großer Fortschritt und würde alle derzeitigen Probleme lösen. Ein Rückschritt wäre es, ein an sich transparentes System gegen ein intransparentes System auszutauschen. 

Jetzt ist sogar zu befürchten, dass in Zukunft Kosten in Rechnung gestellt werden, die bisher nicht auf die Miete umgelegt werden können, weil der Senat das Regelsystem verändert. Laut Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) trifft das alles nicht zu, weil die Verpflichtungsmiete immer unterhalb der Kostenmiete liegt. Das ist bei der vertraglich festgelegten Verpflichtungsmiete tatsächlich so. Wenn diese aber gesetzlich verankert wird,  entfällt die Regelung aus den Kostenmietvorschriften, dass Kosten für außerordentliche Instandhaltungsmaßnahmen nur vom Vermieter zu bezahlen sind.

Wir fordern, die Berechnung von fiktiven Kosten, wie für nicht mehr fällige Finanzierungsraten, endlich abzuschaffen, damit die zu hohen Mieten sinken. Und das sogar ohne zusätzliche Subvention des Landes Berlin. Zudem muss die Kostenmiete als Mietendeckel erhalten bleiben und endlich sichergestellt werden, dass keine Mieten oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete mehr verlangt werden können. Denn freifinanzierte Wohnungen der gleichen Baujahrgänge können offenbar schon durch die ortsübliche Vergleichsmiete wirtschaftlich betrieben werden.

All diese komplexen Sachverhalte wurden Ende Juni auf der Veranstaltung des Initiativenforums Stadtpolitik diskutiert. Dort wurde von Seiten der Koalition zwar mündlich zugesichert, dass das Kostenmietrecht nicht abgeschafft werde und auch keine höheren Mieten durch Instandhaltungen zu erwarten seien. Das wäre gut, aber wir erwarten dann auch von der Koalition eine entsprechende Klarstellung im Gesetzestext selbst. Sozialmieter/innen müssen endlich mindestens so geschützt werden, wie Mieter/innen auf dem freien Wohnungsmarkt. Berlin wird schon in den nächsten zwei Jahren rund 14.000 Sozialwohnungen verlieren. Gerade deshalb und auch angesichts der Neubaukrise sind die Bestände des Sozialen Wohnungsbaus Westberliner Zeiten wichtiger denn je für die Wohnraumversorgung in Berlin und müssen daher endlich bezahlbar werden, bevor sie alle aus der Bindung fallen und mit zu hohen Mieten ins Vergleichsmietensystem kommen.

 

Katrin Schmidberger ist Sprecherin für Wohnen und Mieten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin.


MieterEcho 435 / August 2023