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MieterEcho 424 / Mai 2022

Videoüberwachung im Mietverhältnis

Die Installation von Kameras berührt Persönlichkeits- und Datenschutzrechte

Von Rechtsanwalt Hagen Richter

Videoüberwachungen nehmen auch im Rahmen von Mietverhältnissen stark zu. Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob Vermieter Videokameras aufhängen und Aufnahmen anfertigen dürfen.   

Im Blick stehen die Orte, welche von den betroffenen Mieterinnen und Mietern betreten werden, um in das Haus, die Wohnung, in den Keller oder auch nur zur Stellfläche der Mülltonnen zu gelangen. Es geht damit um Überwachungsmaßnahmen, denen man sich nicht entziehen kann und die Personen in identifizierbarer Weise aufzeichnen. Abzugrenzen von den für Mieter/innen zugänglichen Gemeinschaftsbereichen des Mietobjekts sind Kameras, die ausschließlich im Privaten, also zum Beispiel in der eigenen Wohnung genutzt werden.

Gerade der Weg zur eigenen Wohnung betrifft einen Lebensbereich, der die persönlichen Interessen in besonderer Weise betrifft. Schließlich geht es Vermieter überhaupt nichts an, wie und wann die Wohnung betreten und welcher Besuch empfangen wird. Im Kontext des Mietverhältnisses muss zunächst unterschieden werden zwischen stets unzulässiger heimlicher Videoüberwachung und offener Videoüberwachung, die hinreichend kenntlich gemacht worden ist. Die weiteren Erläuterungen beziehen sich auf Letztere.

Weiterhin ist abzugrenzen, ob Videokameras auch tatsächlich Aufnahmen anfertigen. Oftmals werden Attrappen aufgehängt, die der Abschreckung dienen sollen. Näher unterschieden werden muss damit zwischen einer tatsächlichen Überwachung, bei der Aufzeichnungen von Personen vorgenommen werden und einer „vorgetäuschten“ Überwachung, bei welcher der bezweckte, gefühlte Überwachungsdruck den gleichen Effekt – das Gefühl der Observation – erzielt. Für Personen, die an solchen Attrappen vorbeikommen, macht das im Verhältnis zu funktionierenden Videokameras nur dann einen Unterschied, wenn sie sicher wissen, dass tatsächlich keine Aufzeichnungen vorgenommen werden. Werden Personen tatsächlich gefilmt, sind grundlegende Persönlichkeitsrechte sowie Datenschutzrechte berührt. Bei Kameraaufzeichnungen werden personenbezogene Daten verarbeitet, für welche die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) und weitere Datenschutzgesetze Anwendung finden. Bei einer Kameraattrappe sind hingegen allein Persönlichkeitsrechte berührt, da bei einer nur scheinbaren Aufzeichnung in Wirklichkeit keine personenbezogenen Daten erhoben werden. Wissen die Mieter/innen nicht, ob eine Attrappe vorliegt und kann der Vermieter keine Berechtigung nachweisen, stellt jedoch auch der gefühlte Überwachungsdruck eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten dar.

Einwilligung der Mieter/innen

Identifizierende Videoüberwachung durch „echte“ Kameras ist als Datenverarbeitung nur zulässig, wenn eine Berechtigung dazu vorliegt. Art. 6 Abs. 1 DS-GVO nennt die möglichen gesetzlichen Berechtigungen. Für Mietverhältnisse sind demnach das sogenannte berechtigte Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. e DS-GVO und die Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO besonders relevant. Grundlegend muss die Einwilligung ohne Zwang, für einen bestimmten Fall, in Kenntnis der Sachlage und unmissverständlich erteilt werden. Dies gilt natürlich für alle Personen, welche durch die Aufnahmen abgebildet werden. Die Einwilligung ist damit die denkbar schwächste Rechtsgrundlage, auf welche sich Vermieter stützen können. Kann der Vermieter die Videoüberwachung allein auf eine Einwilligung stützen, können sich Mieter/innen individuell aber auch als Hausgemeinschaft dagegen zur Wehr setzen. Gerade auch mit Blick auf die Widerruflichkeit einer Einwilligung wird es für Vermieter dann nahezu unmöglich hierauf die Berechtigung zu stützen, denn bereits das Fehlen einer Einwilligung aller betroffenen Personen hat die Demontage der Kamera zur Folge. Die Verknüpfung einer Einwilligung zur Videoüberwachung mit dem Abschluss eines Mietvertrags ist ohnehin unzulässig, da sie dann nicht freiwillig erteilt wurde. Das sogenannte Kopplungsverbot steht hier entgegen. Falls das Zustandekommen eines Mietvertrags an die Abgabe einer Einwilligung zur Videoüberwachung geknüpft wurde und es für die Mieterinnen und Mieter zur Erlangung der Wohnung günstiger war, sich dem zunächst unterzuordnen, liegt bereits ein Fall der Unwirksamkeit der Einwilligung vor. Zur Sicherheit sollte die Einwilligung gleichwohl widerrufen werden. Konsequenzen für den Mietvertrag drohen dadurch nicht.

Berechtigte Interessen

Die Videoüberwachung könnte – gegebenenfalls auch zusätzlich zur Einwilligung – mit der Wahrung der berechtigten Interessen des Vermieters oder eines Dritten begründet werden, wenn die entgegenstehenden Rechte der Mieter/innen nicht überwiegen. Videoüberwachung im Mietverhältnis kann zum Schutz von Eigentum und anderen Vermögenswerten, dem Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit von Einzelpersonen oder der Erhebung von Beweismitteln zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zulässig sein. Die Gründe dafür, dass sich daraus rechtliche‚ wirtschaftliche oder immaterielle Interessen des Vermieters ergeben, müssen jedoch konkret dargelegt werden. Personenbezogene Daten müssen auf rechtmäßige und nachvollziehbare Weise verarbeitet werden. Der Zweck, Eigentum vor Einbruch, Diebstahl oder Beschädigung zu schützen, kann ein berechtigtes Interesse an einer Videoüberwachung darstellen. Die tatsächliche Gefährdungslage muss aber real und aktuell bestehen und darf nicht fiktiv oder spekulativ sein. Zum Beispiel müssen Eigentumsschäden in der Vergangenheit wiederholt vorgefallen sein. Eine Interessensabwägung ist zwingend vorgeschrieben. Die Rechte und Freiheiten der Mieter/innen und die berechtigten Interessen des Vermieters sind jeweils objektiv zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein daraus abgeleitetes überwiegendes berechtigtes Interesse des Vermieters besteht aber auch nicht für alle Ewigkeit fort und kann nach einer Zeit ohne Vorfälle wieder entfallen. Vermieter müssen dabei ohnehin beachten, dass Mieter/innen gemäß Art. 21 DS-GVO Widerspruch einlegen können. Das berechtigte Interesse des Vermieters wird dann nochmals auf den Prüfstand gestellt.

Videoüberwachungsmaßnahmen müssen darüber hinaus in jedem Falle erforderlich sein und sollten nur dann angewendet werden, wenn der Zweck der Verarbeitung nach vernünftigem Ermessen nicht durch andere Mittel erreicht werden kann, die weniger in die Rechte der Mieter/innen eingreifen. Das Anbringen von Kameras im Innenbereich des Mietshauses ist beispielsweise nicht erforderlich, um Schäden an der Außenfassade verfolgen zu können. Will der Vermieter Eigentumsdelikte verhindern, können alternative, genauso wirksame Sicherheitsmaßnahmen vorzuziehen sein – wie die Umfriedung des Grundstücks, bessere Beleuchtung, Sicherheitsschlösser, einbruchsichere Fenster und Türen oder Anti-Graffiti-Beschichtungen oder -Folien an den Wänden. Die weitergehende Frage der Speicherdauer oder auch der Zulässigkeit von Echtzeitüberwachung hängt dann von den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls ab und kann an dieser Stelle nicht vertieft werden. 

Rechte der Mieter/innen

In jedem Fall muss der Vermieter über den Zweck und den Umfang der Videoüberwachung die Mieter/innen hinreichend vorab informieren. Die Angabe des Zwecks „Sicherheit“ oder „zu Ihrer Sicherheit“ ist zu allgemein gehalten und genügt nicht.

Letztlich bestehen damit im Falle von Videoüberwachungsmaßnahmen folgende mögliche Ansprüche bzw. Rechte der Mieter/innen gegen Vermieter:

  • Auskunftsrecht zu Datenverarbeitungen durch Videokameras, Art. 15 Abs. 1 DS-GVO
  • Widerrufsrecht bei einer zuvor erteilten Einwilligung mit Wirkung für die Zukunft, Art. 7 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO
  • Widerspruchsrecht im Falle der Verarbeitung sie betreffender personenbezogener Daten aufgrund berechtigter Interessen des Vermieters, Art. 21 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO
  • Löschungsanspruch bei unberechtigten Videoaufzeichnungen, Art. 17 Abs. 1 DS-GVO 
  • Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch bei unberechtigten Videoaufzeichnungen, §§ 1004 Abs. 1 bzw. 2, 823 Abs. 1 BGB und
  • Schmerzensgeldansprüche, Art. 82 DS-GVO oder §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 1 BGB

Bisher steht die Mehrheit der Gesellschaft ausufernden technischen Überwachungsmaßnahmen ablehnend gegenüber. Nur wenn sich die Mehrzahl der Mieter/innen auch weiterhin gegen ungerechtfertigte Observationen zur Wehr setzt, verschiebt sich die Toleranz gegenüber solchen Eingriffen nicht zulasten der Freiheitsrechte. 


MieterEcho 424 / Mai 2022