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MieterEcho 422 / Februar 2022

Unterstützen statt privatisieren

Die Pandemie wirkt sich auch auf die Situation der Landesunternehmen aus

Von Benedict Ugarte Chacón

Das Land Berlin ist an 55 Unternehmen unmittelbar beteiligt. Dazu zählen die Investitionsbank Berlin, die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die Berliner Stadtreinigung (BSR), die Wasserbetriebe, der Klinikkonzern Vivantes oder auch die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH. Einige dieser Unternehmen leiden unter den bisherigen Folgen der Covid-19-Pandemie. Die Koalitionsvereinbarung der neuen rot-grün-roten Regierung ist somit auch geprägt durch den künftig beabsichtigten Umgang des Landes mit verschiedenen Unternehmensbeteiligungen.

Grundsätzlich stellt sich die neue Koalition hinter die landeseigenen Unternehmen. Zum einen sollen diesen die durch die Covid-19-Pandemie hervorgerufenen Verluste oder Kapitalbedarfe ausgeglichen werden. Zum anderen heißt es in der Koalitionsvereinbarung, dass deren künftige Privatisierung ausgeschlossen werde. In der Landesverfassung soll zudem eine sogenannte Privatisierungsbremse verankert werden. Für eine Verfassungsänderung ist allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig, die Koalition benötigt für dieses Vorhaben also auch Stimmen aus der Opposition. Als weitere Absichtserklärung ist in der Koalitionsvereinbarung die Rekommunalisierung des Fernwärmenetzes sowie des Gasnetzes festgehalten. An dem von der vorherigen rot-rot-grünen Koalition im Jahr 2021 bereits rekommunalisierten Stromnetz soll die Genossenschaft BürgerEnergie Berlin beteiligt werden. Davon wird sich eine Beteiligung von Bürger/innen an der Energiewende versprochen. Die Summe für den Rückkauf des Stromnetzes vom Vattenfall-Konzern in Höhe von rund zwei Milliarden Euro wurde über Kredite aufgebracht, die die landeseigene Berlin Energie und Netzholding GmbH aufnahm. Das Land wiederum bürgt für diese Kredite. Dieses Modell, das in ähnlicher Weise schon beim Rückkauf der Wasserbetriebe zum Tragen kam, wäre wohl auch für die weiteren Rekommunalisierungsvorhaben zu erwarten. Ob diese Art des Rückkaufs letztlich zu günstigeren Preisen für die Verbraucher/innen führen wird, bleibt abzuwarten. Denn zunächst müssen die Kredite bedient werden. Der kontinuierliche Ankauf von Grundstücken durch die Berliner Bodenfonds GmbH soll ebenfalls weiterhin durch deren Kreditaufnahme finanziert werden. Der Weg, landeseigene Unternehmen über verbürgte Kredite Investitionen tätigen zu lassen, ist eine sinnvolle Möglichkeit, mit den Restriktionen der ideologisch bedingten Schuldenbremse für öffentliche Haushalte umzugehen. Eine Privatisierung von Vivantes und Charité wird in der Koalitionsvereinbarung ebenfalls ausgeschlossen. Beide Konzerne sollen in Zukunft verstärkt kooperieren. Schon das Jahresergebnis 2020 des Vivantes-Konzerns mit einem Minus von rund 30 Millionen Euro war geprägt durch die Pandemie. Laut Beteiligungsbericht des Landes wurde eine Zuführung zur Eigenkapitalrücklage in Höhe von 39 Millionen Euro im Jahr 2020 vorgenommen. Die schwierige finanzielle Lage geht laut Medienberichten darauf zurück, dass Vivantes zwar die meisten Corona-Patient/innen in Berlin behandelte, lukrative Operationen aber in der Pandemie wegbrachen. Zusätzlich bestehe ein gewaltiger baulicher Instandhaltungsbedarf, den der Konzern nicht aus eigener Kraft stemmen könne. Vor diesem Hintergrund legte sich die Koalition in ihrer Vereinbarung darauf fest, den Konzern „wirtschaftlich und für die Gesundheitsversorgung stabil aufzustellen“.  

Sorgenkind Flughafen

Der massive Rückgang an Fluggästen während der Pandemie führte bei der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH zu Verlusten in Höhe von rund 350 Millionen Euro im Jahr 2021. Im Jahr 2022 werden die Verluste wohl ebenfalls 300 Millionen Euro übersteigen.

Zur Flughafengesellschaft heißt es in der Koalitionsvereinbarung, dass diese ein „ökonomisch und ökologisch nachhaltiges Unternehmenskonzept“ benötige, um eine dauerhafte Bezuschussung durch die öffentliche Hand auszuschließen. Der Flughafen BER soll zu einem „klimaneutralen Airport“ weiterentwickelt werden, Produktion und Einsatz von Treibstoff aus erneuerbarem Strom sollen am Standort etabliert werden. Weiterhin wird versprochen: „Die Koalition wird neue Interkontinentalverbindungen ansiedeln.“ Nun verhält es sich mit der Flughafengesellschaft so, dass das Land Berlin und das Land Brandenburg zu je 37% an ihr beteiligt sind, 26% hält der Bund. Gravierende strategische Entscheidungen können also nicht durch das Land Berlin allein getroffen werden. Die Ansiedlung von Interkontinentalverbindungen dürfte überdies zum operativen Geschäft gehören, in welches die Koalition gar nicht eingreifen kann. Im Widerspruch stünde diese mit der ebenfalls in der Koalitionsvereinbarung festgehaltenen Absicht, längere Lärmpausen durchsetzen zu wollen. Und wenn im Koalitionsvertrag auch einerseits das langfristige Ziel festgehalten ist, den Flughafenbetrieb ohne öffentliche Zuschüsse erhalten zu wollen, wird andererseits im Zusammenhang mit der beabsichtigten Neuausrichtung der Flughafengesellschaft festgehalten: „Etwaige kurzfristige Erlösbelastungen treten gegenüber langfristigen Effekten zurück.“ Bei der aktuellen finanziellen Situation des Unternehmens kann dies nur so interpretiert werden, dass die Koalition sehr wohl bereit ist, mögliche kurzfristige Einbußen in der einen oder anderen Weise aufzufangen. Die Koalition verständigte sich weiterhin darauf, die Messe Berlin GmbH, die ebenfalls unter den Pandemiefolgen gelitten hat, als großen öffentlichen Messe- und Kongressveranstalter zu erhalten. Die zukünftige Strategie soll die Anforderungen an die Digitalisierung sowie die nach-pandemische Entwicklung berücksichtigen. Hierzu soll das Unternehmen mit Ressourcen unterstützt werden. Künftig soll im Rahmen des Messegeschäfts auch verstärkt mit der Tempelhof Projekt GmbH kooperiert werden.

Schlummerndes Großprojekt

Die Tempelhof Projekt GmbH ist für die Entwicklung des alten Flughafengeländes zuständig. Hierzu gehört auch die Sanierung des Flughafengebäudes, das immerhin 300.000 qm  Bruttogeschossfläche umfasst. Derzeit wird es u. a. von verschiedenen Unternehmen sowie der Polizei Berlin genutzt. In einem Senatsbericht zum Gebäude vom August 2021 heißt es, dass die 2018 begonnenen Untersuchungen der Bausubstanz einen „unerwartet hohen Sanierungsbedarf am gesamten Gebäude“ offengelegt hätten. Dies betreffe u. a. das Tragwerk, den Brandschutz sowie verbaute Schadstoffe. Für den Erhalt seien einzelne Instandhaltungsmaßnahmen nicht mehr ausreichend. Gegenüber dem RBB bestätigte die Tempelhof Projekt GmbH, dass sich der Sanierungsbedarf bei einer Summe von bis zu zwei Milliarden Euro bewege. Das Unternehmen hat bereits ein Entwicklungskonzept mit dem Titel „Vision 2030+“ entworfen, das öffentlich zugängliche Gebäudeteile ebenso vorsieht wie Büro- und Kreativnutzungen und temporäre Veranstaltungen. Voraussetzung für eine solche Nutzung sei jedoch die ganzheitliche Sanierung des Gebäudes und seiner technischen Infrastruktur. Zu diesem Themenbereich haben sich die Koalitionspartner in ihrer Vereinbarung auf den vorsichtigen Satz geeinigt, dass die Bestandsnutzungen des Gebäudes sukzessive gesichert werden sollen. Zwischennutzungen – so sie rechtlich zulässig sind, keine erheblichen Baumaßnahmen erfordern und anderweitig finanziert werden können – sollen zugelassen werden. Allerdings „ohne einer Zielstruktur vorzugreifen“. Eine Zielstruktur wird in der Koalitionsvereinbarung aber ebenso wenig skizziert wie ein tatsächliches Sanierungsvorhaben. Es müssen sich dann wohl künftige Koalitionen überlegen, ob tatsächlich Milliarden an öffentlichen Geldern ausgegeben werden sollen, um einen alten Nazi-Monumentalbau zu sanieren. Und ob die Tempelhof Projekt GmbH in ihrer derzeitigen Aufstellung überhaupt in der Lage wäre, solch ein milliardenschweres und komplexes Großprojekt zu steuern, darf bezweifelt werden. Etwas versteckt findet sich im Koalitionsvertrag ein Satz, der als Kritik an der bisherigen parlamentarischen Kontrolle der landeseigenen Unternehmen gelesen werden kann. Diese Kontrolle findet bisher im Hauptausschuss sowie explizit in dessen Unterausschuss zu „Beteiligungsmanagement und -controlling“ statt. Der Unterausschuss tagt in der Regel nicht öffentlich, was Aussagen über die Qualität seiner Arbeit schwierig macht. Offenbar besteht jedoch Handlungsbedarf, denn laut Koalitionsvereinbarung soll „die parlamentarische Kontrolle durch den Hauptausschuss über die Bereiche Landesbeteiligungen, Extrahaushalte und Investitionen“ intensiviert werden.         


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