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MieterEcho 426 / August 2022

Kein Grund zur Entwarnung

Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist rückläufig – die Bedrohung bleibt

Von Rainer Balcerowiak

Die Verschärfung der Umwandlungsverordnung, die der Berliner Senat im vergangenen Sommer erlassen hat, wirkt. Die neue Verordnung basiert auf dem Baulandmobilisierungsgesetz, das der Bundestag im Mai 2021 verabschiedet hat.

Wie aus der Antwort der Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage des wohnungspolitischen Sprechers der Linken, Niklas Schenker, hervorgeht, ist die Zahl der Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen seit dem Inkrafttreten der Verordnung stark rückläufig. Im Zeitraum vom 6. August 2021 bis zum 30. April 2022 wurden nach Angaben der Bezirke insgesamt 32 Anträge für die Umwandlung von 485 Wohnungen gestellt. Für 164 Wohnungen wurden sie genehmigt und bei 113 Wohnungen untersagt. Entscheidungen für 208 Wohnungen standen im Betrachtungszeitraum noch aus. Zum Vergleich: Im Zeitraum 2015 bis 2021 wurden in Berlin durchschnittlich 17.141 Wohnungen pro Jahr umgewandelt. Insgesamt waren es 119.992 Wohnungen. 

Laut der Verordnung unterliegt die Umwandlung in bestehenden Gebäuden mit mehr als fünf Wohnungen einer Genehmigungspflicht. Die Begründung oder Teilung von Wohneigentum in solchen Gebäuden ist damit grundsätzlich verboten. Für die ausnahmsweise Genehmigung der Umwandlung müssen Kaufverträge mit mindestens zwei Dritteln der Mieter/innen des betreffenden Hauses nachgewiesen werden oder andere, eng begrenzte Sondertatbestände geltend gemacht werden.

Für Schenker ist das ein „wichtiges Signal für alle Berliner Mieterinnen und Mieter“. Wichtig sei, „dass die Bezirke die Vorgaben des Senats einheitlich anwenden und sich ein Kaufinteresse von zwei Drittel der Mieterinnen und Mieter notariell beurkunden lassen“, fordert Schenker.

Denn Hunderttausende Mietwohnungen wurden in den vergangenen Jahrzehnten in Eigentumswohnungen umgewandelt. Viele Mieter sind von Kündigung bedroht. Allein im vergangenen Jahr wurden in Berlin mehr als 28.000 Mietwohnungen umgewandelt. Verantwortlich für diesen rasanten Anstieg war wohl eine Art Torschlusspanik vieler Hauseigentümer/innen vor dem Inkrafttreten des Gesetzes. 

Preise für Wohneigentum steigen

Da auch die Fertigstellungszahlen für neue Eigentumswohnungen stagnieren, ist das Angebot bei nahezu ungebrochener Nachfrage also geschrumpft. Das führt anhand der Marktgesetze im Kapitalismus zu höheren Preisen. Die durchschnittlichen Angebotspreise für Eigentumswohnungen haben sich in Berlin binnen 10 Jahren mehr als verdreifacht, von 1.671 Euro/qm auf 5.315 Euro im ersten Quartal 2022. Allerdings ist die „goldene Zeit“ des extrem billigen Geldes am Kapitalmarkt vorbei. Die Zinsen für die Finanzierung des Immobilienerwerbs sind merklich gestiegen und werden auch weiter steigen. Viele individuelle Finanzierungsmodelle könnten regelrecht platzen. Auch die galoppierende Inflation besonders bei Energie und Lebensmitteln bremst die Kauflaune auch bei Gutverdienern. In absehbarer Zeit könnte der Peak bei den Preisen für Eigentumswohnungen in den meisten Lagen erreicht sein. Einige Marktanalysten warnen bereits vor einer „Blase“, die irgendwann platzen könnte.

Zweifellos entfaltet der stadtweite Genehmigungsvorbehalt bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen eine gewisse Wirkung. Doch ein Grund für Entwarnung ist das keineswegs. Denn viele Mieter sitzen auf einer regelrechten Zeitbombe. Die seit 2013 geltende Schutzfrist für Eigenbedarfskündigungen in umgewandeltem Wohnraum beträgt lediglich 10 Jahre. Macht ein Eigentümer anschließend Eigenbedarf geltend ohne allzu grobe Rechtsfehler zu begehen, haben die Mieter/innen wenig Chancen auf den Erhalt ihres Wohnraums und müssen im Extremfall sogar mit Zwangsräumungen rechnen. Die Linke, Mieter- und Sozialverbände fordern daher seit Jahren gesetzliche Regelungen zur Unterbindung oder wenigstens deutlichen Erschwerung von Eigenbedarfskündigungen bei umgewandelten Mietwohnungen. Die entsprechende Gesetzgebungskompetenz liegt beim Bund und dort haben derartige Vorstöße angesichts der politischen Konstellation keinerlei Chance.   


MieterEcho 426 / August 2022