Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 426 / August 2022

Kein Bündnis für Mieter/innen

Das „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“ sichert die Profite der Wohnungswirtschaft, bringt Mieter/innen aber kaum Verbesserungen

Von Philipp Möller

Das Wohnungsbündnis ist das Flaggschiff der auf „Kooperation“ statt auf „Konfrontation“ ausgerichteten Wohnungspolitik der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey und ihres Stadtentwicklungssenators Andreas Geisel (beide SPD). Doch bereits während der Bündnisverhandlungen geriet das Schiff in schwere See. Die Immobilienwirtschaft zeigte sich nur zu geringen Zugeständnissen bereit und dem Bündnis liefen die Partner davon. Herausgekommen ist ein Flickenteppich mit einigen konkreten Zusagen des Landes für bessere Investitionsbedingungen, wenigen vagen Selbstverpflichtungen der Wohnungsunternehmen und viel heißer Luft.

Den weitaus längsten Abschnitt des Bündnistextes nehmen die Passagen zum Wohnungsbau ein. „Durchschnittlich 20.000 neue Wohnungen“ und „möglichst die Hälfte“ im „gemeinwohlorientierten und bezahlbaren Segment“ sollen künftig pro Jahr errichtet werden. Bis 2026 sollen insgesamt 100.000 Fertigstellungen erfolgen. Davon entfallen 60.000 Wohnungen auf private Wohnungsunternehmen, 35.000 auf die landeseigenen Wohnungsunternehmen und bis zu 5.000 auf die Genossenschaften. Um die Wohnungsbauziele nicht zu gefährden, sollen politische Vorhaben künftig gemeinsam mit immobilienwirtschaftlichen Verbänden entwickelt werden. Gesetzesvorhaben, wie etwa die Novelle der Bauordnung, stehen damit unter dem Vorbehalt möglicher „Auswirkungen auf Baukosten, Miethöhe, Genehmigungsdauer, Bauvolumen, Verwaltungsaufwand für die Unternehmen und Betriebskosten“. Baugenehmigungen und Planungsprozesse will die Stadt beschleunigen und Partizipationsprozesse abkürzen, ohne dafür konkrete Maßnahmen vorzuschlagen oder den Personalmangel in den Bauämtern zu lösen. An die Realisierung der Zielzahlen glaubt indes nicht einmal die Wohnungswirtschaft selbst. Zu stark haben sich Vorzeichen in der Bauwirtschaft verschlechtert. Die Verdreifachung der Bauzinsen, explodierende Baukosten und knappe Kapazitäten bei Arbeitskräften und Baumaterial setzen der Branche schwer zu. Laut einer Umfrage des Branchenverband GdW stellen derzeit rund 2/3 der „sozialorientierten Wohnungsunternehmen“ Neubauprojekte zurück und fast ein Viertel will den geplanten Bau neuer Mehrfamilienhäuser komplett aufgeben. 

Anreize für private Investoren

Die Krise der Bauwirtschaft dürfte sich auch auf den im Bündnis vereinbarten Bau von 5.000 Sozialwohnungen pro Jahr auswirken. Dabei hofft die SPD auf eine stärkere Beteiligung der privaten Wohnungsunternehmen und Genossenschaften, die die Wohnungsbauförderung bislang kaum in Anspruch nehmen. Um das zu ändern, setzt das Bündnis auf das Prinzip des „Förderns und Forderns“. Als eine der wenigen regulierenden Maßnahmen wurde vereinbart, das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung weiterzuentwickeln. Zukünftig müssen Vorhabenträger bei Bauprojekten mit einem Bebauungsplan nicht nur 30% geförderten Wohnungsbau im unteren Preissegment, sondern weitere 20% geförderten Neubau im mittleren Preissegment errichten. Gleichzeitig will die Senatsverwaltung die Förderkonditionen deutlich investorenfreundlicher gestalten. Dazu drängt die SPD auf lukrativere Förderkonditionen durch höhere Einstiegsmieten und Tilgungsverzichte sowie eine Attraktivierung des zweiten Fördermodells im mittleren Preissegment. Dieser Förderweg ist mit seinen höheren Einstiegsmieten von bis zu 9 Euro/qm bei privaten und genossenschaftlichen Trägern besonders beliebt. Das ginge jedoch an den sozialen Bedarfen vorbei, schließlich stellt die Zielgruppe nur einen Anteil von 6% aller WBS-Inhaber/innen. Weitere Vorschläge zur Neubauförderung sollen künftig gemeinsam mit wohnungswirtschaftlichen Verbänden im Rahmen der neugegründeten „Arbeitsgruppe Wohnungsbauförderung“ entwickelt werden. 

Durch die neuen Zielzahlen im Neubau nimmt das Bündnis die Erarbeitung des Stadtentwicklungsplans Wohnen 2030 vorweg, in dem bislang zunächst die Bevölkerungsentwicklung und der Wohnungsbaubedarf evaluiert und anschließend Bauflächen identifiziert wurden. Das gilt auch für die Liegenschaftspolitik. Neben den elf bereits vorhandenen will die Senatsverwaltung mindestens vier weitere Stadtquartiere (Tegel Nord, Elisabeth-Aue, Zentraler Festplatz und Späthsfelde) ausweisen. Die Flächenvergabe erfolgt weiterhin per Erbbaurecht, jedoch öffnet der Bündnistext eine Tür für die Vergabe von Flächen an private Unternehmen, „wenn sich in entsprechenden Interessenbekundungsverfahren kein sozialer bzw. gemeinwohlorientierter Träger mit einem entsprechenden Projekt identifizieren lässt“. 

Im Bereich der Mietentwicklung beinhaltet der Bündnistext einen kaum überschaubaren Wust an Regelungen, deren Wirkung und Überprüfung viele Fragen aufwerfen. Große, private Wohnungsunternehmen mit einem Bestand von mehr als 3.000 Wohnungen sollen sich ab Datum der Bündnisunterzeichnung bei Mieterhöhungen an der von der Bundesregierung ohnehin geplanten Absenkung der Kappungsgrenze von 15 auf 11% orientieren. Für Haushalte, die innerhalb der Einkommensgrenzen für einen Wohnberechtigungsschein (WBS) liegen, sollen diese Unternehmen Mieterhöhungen bis Ende 2023 auf 2% begrenzen. Erhöhungen der Nettokaltmieten sollen für diese Mieter/innen zudem bei 30% des jährlichen Haushaltsnettoeinkommens gekappt werden. Wessen Wohnkostenbelastung bereits jetzt über der Schwelle von 30% liegt oder dessen Einkommen die WBS-Grenzen übersteigt, wird also nicht profitieren. Unklar ist, woher die Unternehmen wissen, welche ihrer Mieter/innen unter die Regelungen fallen. Hier müssen die Mieter/innen selbst aktiv werden und bei Mieterhöhungen ihre Einkommensverhältnisse gegenüber dem Vermieter offenlegen. Wie viele Haushalte davon Gebrauch machen werden, lässt sich nur mutmaßen. Viele Mieter/innen dürften überhaupt nicht wissen, dass ihr Vermieter eine entsprechende Selbstverpflichtung unterschrieben hat, schließlich ist bisher nicht bekannt, für welche Unternehmen die Bündnisvereinbarung überhaupt gilt. Giffey und Geisel kokettieren mit der Zahl von 900.000 Wohnungen, die den Regelungen unterworfen seien. Sie machten aber keine Angaben dazu, wie sich diese Zahl genau zusammensetzt. Als Unternehmen haben lediglich Vonovia und Adler unterschrieben. Mit Heimstaden soll ein drittes Unternehmen hinzukommen, jedoch steht dessen Unterschrift weiter aus. 

„Selbstverpflichtung“ statt Regulierung

Zudem haben der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), die Vereinigung von Projektentwicklern (BfW) und das Bündnis junge Genossenschaften unterschrieben, diese können aber lediglich auf ihre Mitgliedsunternehmen einwirken, die Regelungen einzuhalten. Eine Übersicht zu allen dies betreffenden Unternehmen fehlt bislang. Unklarheiten ruft auch das geplante Monitoring hervor. Zwar sollen die Unternehmen die Zahl der „Erhöhungsverzichte“ dem Land jährlich übermitteln, jedoch ist weder geklärt welche Stelle diese Daten auswerten soll, noch welche Konsequenzen folgen, wenn sich die Unternehmen nicht an die Selbstverpflichtungen halten.

Ähnlich viele Fragezeichen rufen die Regelungen bei der Wohnungsvergabe hervor. Hierbei verpflichten sich die großen Wohnungsunternehmen bei der Wiedervermietung 30% der Wohnungen an WBS-berechtigte Haushalte zu vergeben. Jedoch finden sich keine Angaben darüber, zu welchen Einstiegsmieten diese Wohnungen vermietet werden sollen und wie viele Haushalte von dieser Vorgabe tatsächlich profitieren, da die Umzugsraten aufgrund der großen Anspannung des Wohnungsmarktes gering sind. Zudem befinden sich in den Beständen der großen Wohnungsunternehmen ohnehin einige mit öffentlichen Mitteln errichtete und später privatisierte Wohnungen, die einer Belegungsbindung unterliegen. 

Was dem Bündnis völlig fehlt, sind Vereinbarungen zu den explodierenden Energie- und Betriebskosten, die Mieter/innen in den kommenden Monaten schwer belasten werden. Dazu passt, dass Mieterinteressen, nach der Absage von Gewerkschaften und dem Berliner Mieterverein durch keinen Bündnispartner repräsentiert werden. Das Bündnis ist damit nahezu ausschließlich ein Zusammenschluss von Senat und Wohnungswirtschaft und taugt durch seine vagen Selbstverpflichtungen weder als Alternative zur gesetzlichen Regulierung, noch kann es der Forderung nach einer Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen den Wind aus den Segeln nehmen.         

 

 


MieterEcho 426 / August 2022

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